Draghi ermahnt deutsche Sparer

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Niedrigzinsphase macht vielen deutschen Anlegern Sorge. EZB-Chef Draghi hat dafür Verständnis, rät aber zugleich zu einem anderen Anlageverhalten.

EZB-Präsident Mario Draghi hat nach eigenen Angaben Verständnis für die Sorgen deutscher Sparer angesichts der Niedrigzinsen. “Die Lage der Sparer ist uns sehr wohl bewusst. Und nicht nur in Deutschland müssen Sparer mit niedrigen Zinsen leben”, sagte Europas oberster Währungshüter der “Bild”-Zeitung.

Zugleich rät Draghi deutschen Sparer zu einem veränderten Anlageverhalten. Sie hätten es mit ihren Anlage-Entscheidungen auch selbst in der Hand, wie hoch ihre Erträge ausfielen. “Die Sparer müssen ihr Geld nicht nur auf dem Sparbuch anlegen, sondern haben auch andere Möglichkeiten”, so der EZB-Chef.

Vor allem aus Deutschland hagelte es zuletzt Kritik an der Europäischen Zentralbank, die im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche den Leitzins im März auf Null gesenkt hatte. Insbesondere Unions-Politiker warfen der Notenbank vor, sie enteigne damit die deutschen Sparer.

Draghi betonte jedoch, dass Sparer den niedrigen Leitzins nicht isoliert betrachten dürften. "Was wirklich zählt, ist, was Sie an realen Erträgen für ihre Ersparnisse bekommen". Derzeit liege die Verzinsung minus Inflation höher als im Durchschnitt der 90er-Jahre. "Zu der Zeit hatten Sie höhere Zinsen auf dem Sparbuch, aber zugleich meist Inflation, die weit darüber lag und alles auffraß", sagte Draghi.

Er sei sich bewusst, dass es nicht einfach sei, den Sparern Realzinsen zu erklären, hatte Draghi vergangene Woche vor Journalisten gesagt und hinzugefügt: "Das ist Ihr Job." Auf die Frage, wann die Zinsen wieder steigen würden, antwortete der EZB-Chef im "Bild"-Interview: "Ganz einfach: Wenn die Wirtschaft wieder stärker wächst und die Inflation wieder näher an unserem Ziel liegt."

Dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise gelten als Risiko für die Konjunktur. Unternehmen und Verbraucher könnten Anschaffungen aufschieben, weil sie erwarten, dass es bald noch billiger wird. Die EZB strebt daher mittelfristig eine Teuerungsrate von knapp unter 2,0 Prozent an - weit genug entfernt von der Nullmarke. Die Inflation im Euro-Raum dümpelt seit Monaten um die Null Prozent. Im März war die Teuerungsrate gegenüber dem Vorjahr unverändert.

Angesichts der momentanen Niedrigzinsphase fordert der EZB-Präsdient zudem von einigen Euro-Ländern mehr Reformtempo. “Die meisten Regierungen bewegen sich, allerdings zu langsam für meinen Geschmack“, sagte Draghi. „Sie wären alle gut beraten, die Zeiten niedriger Zinsen zu nutzen.“ Letztlich liege es aber nicht in erster Linie an der EZB und ihrer Politik, ob ein Land Reformen durchsetze oder nicht. Druck zu machen sei auch nicht Aufgabe der Währungshüter.

OnVista/dpa-AFX
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