Es liegt was in der Luft

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo, Leute! Noch mal ein Vergleich mit dem Wetter: tropisch heiß + schwül = viel Energie für Gewitter. Und wo es schon gekracht hat am Wochenende, war’s meist ziemlich heavy. Mancherorts hat’s ganz schön gehagelt. Ein Hinweis des Himmels auf bevorstehende Unwetter an den Börsen? Man sollte es mit Vergleichen nicht übertreiben. Aber mein Bauchgefühl sagt mir, dass etwas in der Luft liegt. Nicht nur bei uns. Vorsorglich habe ich diese Zeilen bereits gestern geschrieben, als die Griechen noch am Wählen waren. Ich wusste also nicht, dass ein „Nein“ herauskommen würde. Das Komische (das mich eigentlich beruhigen sollte): Ich habe selten zuvor derart gegensätzliche Einschätzungen der Zukunft Europas gehört und gelesen.

Bis zuletzt gab es engagierte Expertenwarnungen vor der Zeit nach dem Referendum; sie sind dabei immer schärfer geworden. Auf den Punkt gebracht: Wie sich die Hellenen auch entscheiden mögen - das Bauwerk Europa droht auseinander zu brechen. Parallel dazu vermehrten sich aber auch Appelle an die Kapitalanleger zur Gelassenheit rapide: Trotz aller Probleme und Sorgen steht Europa und seine Währung gefestigter da denn je - ein „Grexit“ wäre keine Tragödie, wahrscheinlich sogar das Beste.

Was ist eigentliche eine Tragödie? Klar, sie ist eine Form des Dramas und neben der Komödie die bedeutsamste Vertreterin dieser Gattung. Sie lässt sich bis in das antike Griechenland zurückführen. Aha! Kennzeichnend für die Tragödie ist der schicksalhafte Konflikt der Hauptfigur. Ihre Situation verschlechtert sich ab dem Punkt, an dem die Katastrophe eintritt. In diesem Fall bedeutet das Wort Katastrophe nur die unausweichliche Verschlechterung für den tragischen Helden. Allerdings bedeutet diese Verschlechterung nicht zwangsläufig den Tod des Protagonisten. Das Scheitern des Helden ist in der Tragödie unausweichlich; die Ursache liegt in der Konstellation und dem Charakter der Figur. Der Keim der Tragödie ist, dass der Mensch der Hybris verfällt und dem ihm vorbestimmten Schicksal durch sein Handeln entgehen will. Soweit das Erklärstück. Als das geschrieben wurde, kannte man Alexis Tsipras noch nicht. Ich frage mich, ob man in einer modernen Form der Tragödie die Rolle des tragischen Helden nicht einer Einzelperson, sondern auf eine Gruppe übertragen sollte - hier: die griechische Bevölkerung.

Das gilt auch für das aktuelle China-Drama. Leute, da geht was ab! Die Zocker haben nasse Hosen gekriegt. Übrigens stellen die Zahlen aus Schanghai die Geldsummen für Hellas voll in den Schatten. Seit Mitte Juni haben die die aufgeheizten Aktienkurse im Schnitt 30 Prozent verloren. Fast 2,4 Billionen (!) Dollar Marktkapitalisierung gingen in drei Wochen flöten. Korrespondenten berichten von dramatischen Verlusten der zockenden Taxifahrer und Torwächter. Schreibt die FAZ: „Chinas Börsenverluste zehn Mal so groß wie Griechenlands Wirtschaft.“ Die 45 reichsten Chinesen sollen allein im Juni durch Kursverluste umgerechnet etwa 34 Milliarden Dollar verloren haben. Vielleicht schicken uns ein paar von den 90 Millionen chinesischen Aktionären ein bisschen Kohle nach Frankfurt, weil sie jetzt lernen, Chancen und Risiken zu streuen.

Sonntagnachmittag. Es ist unerträglich heiß in meinem Bau. DHL hat die beiden eiligst georderten Klimageräte am Samstag noch nicht ausgeliefert. Am Horizont zieht eine Gewitterzelle donnernd vorbei. Da erreicht mich die dringend drängende Mail eines amerikanischen Gurus, der laut selbstbewusster Selbstdarstellung praktisch alle heftigen Börsengewitter vorhergesagt hat. Jetzt eine neue Crash-Warnung! Die Aktienkurse an der Wall Street sollen um 20 Prozent und mehr abstürzen, der schärfste Rückschlag seit 2008. Übermorgen soll’s passieren (zumindest beginnen), am 8. Juli. Kein Scherz (ich habe extra auf den Wetterseiten nachgeschaut): Bei uns in Mainhattan wird es am Mittwoch einen Temperatursturz geben.

Aktien schnell verkaufen? Nö, würde ich nicht tun, denn das Verlustrisiko ist durch Trailing-Stops ja klar begrenzt. Speziell die wirklich Langfristigen unter Euch, meine Freunde, müssen versuchen, weiter cool zu bleiben. Auch wenn’s jetzt erst einmal Turbulenzen geben sollte - wegen Griechenland, Europa, China, Ami-Land oder sonst wem.

boersenfuchs@onvista.de

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