Wenn aus Made in Germany Owned by China wird

Robert Halver · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Chinesen sind reich an Devisenreserven. Diese werden vor allem in Form von ausländischen Staatsanleihen gehalten, mehrheitlich aus den USA. Lange Jahre waren Staatspapiere ein gutes Renditegeschäft. Heute ist die Renditearmut China ein Dorn im Auge. Denn mit Blick auf die neue Wirtschaftssachlichkeit - die offizielle Wachstumsrate von 6,7 Prozent im I., II. und III. Quartal 2016 ist zu schön und identisch, um wahr zu sein - braucht die KP in Peking dringend alle verfügbaren Mittel zur Stützung der Konjunktur. Nicht zuletzt gibt es bei in Staatspapieren gehaltenen Devisenreserven ein Systemrisiko. Will man angesichts der wie Unkraut wachsenden Staatsverschuldung der Welt wirklich für alle Zeiten einen Schuldenschnitt ausschließen? Auch die cleveren Chinesen wissen, dass die großen Schulden der Finanzgeschichte eins gemeinsam hatten: Sie wurden nie zurückgezahlt. Dann säße China auf Tonnen von vielen bunten ausländischen Staatspapieren, deren Wert nur noch Brennwert ist.

China betreibt sachkapitalistische Anlagestrategie

Also soll renditeschwaches und riskantes Zinsvermögen in höherrentierliche Anlageklassen umgeschichtet werden. China will mehr Sachkapital wagen. Mit dieser substanzstarken Anlagestrategie will man gleichzeitig die Herausforderungen der Digitalisierung der Weltwirtschaft, die sogenannte Industrielle Revolution 4.0 , erfolgreich zu bestehen. Dazu bedarf es zukunftsträchtiger Schlüsseltechnologien, deren Selbstentwicklung in China zu aufwendig und zu lange dauern würde. Aber man kann das benötigte Industrie-Know How und die Innovationsfähigkeit ja auch zukaufen. Und so geht das Land weltweit auf Shopping Tour. Aber wo findet man diese industriellen Objekte der chinesischen Begierde?

Nichts in der Industriewelt ist so sexy wie der deutsche Mittelstand

Man findet sie bei den deutschen Industrieperlen vor allem aus der zweiten Reihe, die mit ihrer Spitzentechnologie weltweit die Nase vorn haben. In angelsächsischen Kreisen spricht man nicht umsonst, fast schon zärtlich vom German Mittelstand . Hinter diesem Markennamen stehen die meisten und wertvollsten Industriepatente weltweit. Und die Reize dieser Firmen sind auch den chinesischen Perlensuchern mit ihren technologischen Anlagenotständen nicht verborgen geblieben. Und wie beim Büffet im China-Restaurant haben sie bereits kräftig zugeschlagen. So ist der Roboterbauer Kuka bereits fest in chinesischer Hand. Aber auch folgende deutsche Unternehmen haben mindestens chinesische Großaktionäre: Putzmeister, Kiekert, Schwing, Kion, Solibro, Sunways, Tailored Blanks, Koki Technik Transmission Systems, Hilite, Krauss-Maffei, EEW und Manz. Die Liste könnte man noch deutlich erweitern. Und das ist erst der Beginn einer großen chinesischen Einkaufsleidenschaft, die den Vergleich mit Draghis Kaufrausch bei Anleihen nicht zu scheuen braucht. Die Chinesen wollen sich einen ganzen Harem an zukunftsträchtigen deutschen Technologieunternehmen zulegen. Allein 2016 haben chinesische Unternehmen Zukäufe im Rekordvolumen von 11,3 Mrd. Euro angekündigt.

China geht es um die Modernisierung seiner Volkswirtschaft, die aus den Kinderschuhen der klassischen (Schwer-)Industrie entwachsen soll und eine Metamorphose zu Dienstleistungen, Konsum und Technologie durchlaufen muss, um global längerfristig erfolgreich zu sein. Peking will raus aus der old und rein in die new economy.

Viele chinesische Staatskonzerne haben zudem viel zu viel Fett angesetzt, sind wettbewerbsschwach oder werden nur von Mutter Natur KP lebendig gehalten. Und der fitte deutsche Mittelstand soll China reif für die globale Wirtschafts-Olympiade machen. Denn mit der Technologie kauft man sich international neue Kunden und Absatzmärkte ein. Peking will aus seinen Unternehmen tonangebende Global Player machen.

Der Markenname Made in China soll Made in Germany ab 2025 ablösen

Ich bin grundsätzlich ein großer Anhänger von freiem Handel und gegen nationale protektionistische Tendenzen. Aber dieses hohe Lied der Liberalität darf nicht von Deutschland allein gesungen werden, es muss ein internationaler Chor sein, bei dem auch chinesische Sänger kräftig den Mund aufmachen. Leider hört man hier aber nur Piepstimmen. Stimmgewaltig, ja unüberhörbar ist China allerdings, wenn es darum geht, Übernahmen eigener Unternehmen durch ausländische Firmen zu behindern bzw. europäische und deutsche Konkurrenz im Land der Mitte massiv zu benachteiligen. Mittlerweile sind Subventionen, Exportzölle, eigentlich die ganze Palette protektionistischer Behinderung eines freien Verkehrs von Kapital, Arbeitskräften und Gütern an der chinesischen Tagesordnung. 

Natürlich muss Deutschland die Globalisierungs-Karte spielen. Wir hängen an freien Märkten wie Fliegen am Fliegenfänger: Der Anteil der deutschen Exporte an der Wirtschaftsleistung hat sich seit Anfang der Neunzigerjahre mehr als verdoppelt und liegt jetzt bei knapp 50 Prozent. Für Deutschland steht viel auf dem Globalisierungs-Spiel: Scheitert die Globalisierung, scheitert auch viel von Deutschlands Wohlstand. Doch leider sind von den aktuell knapp 1.200 Handelsbeschränkungen weltweit ausgerechnet die deutschen Vorzeigebranchen Eisen, Stahl, Maschinenbau, Chemie, Elektrotechnik und Auto betroffen.

Gleiches Wirtschafts-Recht für alle! Keine Toleranz gegenüber ausländischer Freihandels-Intoleranz

Daher darf sich die deutsche Wirtschaftspolitik und die angeblich mächtigste Frau der Welt bei der Verteidigung deutscher Wirtschaftsinteressen und Industrieleitkultur durchaus offensiver zeigen. Auch in anderen Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den USA ist der Schulterschluss von Politik und Wirtschaftsinteressen durchaus zu beobachten. Wir sind doch nicht wie bei einem Fußballverein die Talentschmiede, die den Spieler beginnend mit der F-Jugend aufbaut und dann bei erfolgter sportlicher Reife an ausländische Clubs ohne Gegenleistung abgibt. Wir müssen auch die Möglichkeit der industriellen Gegenoffensive haben, z.B. über Zukäufe in China. Wenn China also Schwarz-Rot-Gold mit Gelb vermischt, dann muss auch die gelbe Gefahr durch die Bundesfarben eingefärbt werden dürfen. Es kann nicht sein, dass wir nur wie Schafe treudoof zuschauen, wenn Unternehmen mit ihren gesamtwirtschaftlich bedeutenden Schlüsseltechnologien - wie früher Hoechst oder Mannesmann - einseitig an ausländische Investoren verscherbelt werden, die dann ausgenommen werden wie eine Gans an Weihnachten. Erst recht ist es nicht unsere Aufgabe, den Chinesen bei der Anlagestrategie ihrer gewaltigen Devisenprobleme und dem zukunftsträchtigen Umbau ihrer Volkswirtschaft auf eigene Kosten zu helfen. Das 

Bundeswirtschaftsministerium scheint jetzt Front gegen die einseitige chinesische Übernahmeserie zu machen. Man hat in puncto Übernahmeangebot des Chip-Anlagebauers Aixtron durch die chinesische Fujian Grand Chip Investment (FGC) wegen nicht näher bestimmten "Sicherheitsbedenken" seine Unbedenklichkeitsbescheinigung widerrufen. Diese Aktion ist als Retourkutsche in Richtung China zu verstehen.

Noch besser wäre es allerdings, wenn man auf höherer, nämlich europäischer Ebene klare Regeln für Firmenbeteiligungen, Übernahmen und Marktzugangsrechte festlegt. Das hat mehr Gewicht, mehr Schmackes. Wenn die anderen mit protektionistischen Waffen kommen, hat man dann zur Verteidigung mehr als Wattebällchen. Und deshalb begrüße ich den deutschen Vorschlag einer EU-weiten Regelung, wonach ein Einstieg oder eine Übernahme eines (EU-)Unternehmens durch ein (EU-)ausländisches Unternehmen verboten oder mit schweren Auflagen belegt wird, wenn der Käufer mehr als 25 Prozent der Stimmrechte übernimmt und/oder ein ausländischer Staat direkten industriepolitischen Einfluss auf die Investitionen nimmt und/oder dieser Staat selbst direkt oder indirekt als Käufer auftritt und/oder - wie im Falle Chinas - umgekehrt Investitionen im eigenen Land beschränkt sind. Sinnvoll ist hier die Definition von Branchen und Unternehmen, die industriepolitisch bzw. geostrategisch sensibel sind.

In der EU gibt es immer wieder ein gallisches Dorf, das schon aus Prinzip dagegen ist

Ob Europa diese gemeinsame Verteidigung des eigenen Hühnerstalls gelingt, ist allerdings ungewiss. Im Augenblick ist die EU noch nicht einmal fähig, ein Freihandelsabkommen mit Kanada wegen belgischem Nationalgedöns abzuschließen, obwohl dieses Land mit dem Ahornblatt sozial- und umweltpolitisch ähnliche Standards wie die EU vertritt. Dieses sogenannte Ceta hätte eine Handelsnorm festgeschrieben, an der auch das Freihandelsabkommen TTIP mit den USA zum Wohle europäischer Interessen hätte sich orientieren müssen. So eine EU - obwohl es der größte Wirtschaftsraum der Welt ist - ist ein kakophonischer Hühnerhaufen, der es ausländischen Eindringlingen leicht macht, schwarz-rot-goldene Eier der Güteklasse A zu klauen.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: http://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128 Hinzufügen

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