30 Jahre nach dem Nikkei-Crash: An Japans Börsen wächst die Zuversicht

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Langfristig kennen Aktienmärkte nur eine Richtung: nach oben – so lautet zumindest eine altbekannte Börsenregel. Aber wehe dem, der noch Ende der 1980er Jahre auf den Hype um japanische Aktien aufsprang. Diese Anleger haben ihr Geld immer noch nicht wieder rein.

Ein Rückblick: Am 29. Dezember 1989 erreichte der japanische Leitindex Nikkei 225 sein Rekordhoch bei 38.957 Punkten. In nur wenigen Monaten fiel er dann wie ein Stein. Allein 1990 brach er um rund 39 Prozent ein. Und während sich in den folgenden Jahrzehnten viele große Aktienindizes zu immer neuen Höhen aufschwangen, tat sich der Nikkei schwer und sackte im Sommer 1992 auf knapp 14.200 Punkte.

Die vor 30 Jahren herbeigeredete Marke von 40.000 Punkten hat er niemals erreicht. Halt fand er letztlich erst viel später, Ende 2008, bei etwa 7000 Punkten. Gemessen an diesem historisch wohl einzigartigen Crash erscheint der zwischenzeitliche Kursrutsch des Nikkei im Zuge der aktuellen Corona-Krise wie eine Randnotiz.

Dem Platzen der japanischen Aktienmarktblase waren goldene Jahre vorausgegangen. Staat und Wirtschaft waren in den 1980er Jahren derart miteinander verschmolzen, dass das Land zur größten Industrienation Asiens aufstieg. Weltweit sprach man voller Bewunderung von der „Japan AG“. Staatliche Investitionen sowie das sehr billige Geld der Notenbank forcierten den Aufschwung zusätzlich, und der Nikkei vervierfachte sich fast zwischen 1984 und 1989.

Frank Fischer, Portfoliomanager des Frankfurter Aktienfonds für Stiftungen, erinnert sich noch gut an diese wilde Zeit: „Ich habe damals hier in Frankfurt an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität studiert. Dort habe ich einen studentischen Investmentverein mitgegründet und dieser hatte eine Abteilung, in der es ausschließlich um Japan ging. Als der Nikkei Richtung 39.000 Punkte hochlief, stiegen die Optionsscheine an einigen Tagen um 30 bis 50, manchmal sogar 100 Prozent. Einige Mitglieder sind damals vermögend geworden. Einer wurde sogar Millionär und hat rechtzeitig Kasse gemacht, bevor es dann wieder nach unten ging.“

Nur wenige haben ein schlechtes Gefühl gehabt

Ende der 1980er Jahre sahen nur wenige das Unheil kommen. Damals habe es nur einige japanische Experten gegeben, die überhaupt das Wort „Blase“ in den Mund genommen hätten, schrieb die Wirtschaftszeitung „Nikkei“. Einer von ihnen war Volkswirtschafts-Professor Kazuo Ueda; seiner Meinung nach konnten die Fundamentaldaten der Wirtschaft die sehr hohen Aktienkurse nicht erklären.

Wie sich aber schon bald zeigen sollte, überdeckte die Spekulationsblase tatsächlich die Schwächen der japanischen Wirtschaft. Der Immobilienmarkt und der Finanzsektor hatten sich stark aufgebläht, Banken saßen auf faulen Krediten, die zu stark miteinander verflochtenen Firmen entließen Mitarbeiter, um profitabler zu werden, und die Verbraucher hatten weniger Geld in der Tasche. Als dann der Immobilienmarkt in den 1990er Jahren implodierte, lastete die ausufernde Staatsverschuldung bereits schwer auf der Wirtschaft. Das Land fiel in eine Rezession.

Diese wirtschaftlichen Probleme haben das Vertrauen der japanischen Privatanleger nachhaltig geschädigt. Kursgewinne wurden oft genutzt, um Kasse zu machen. Seit 2013 aber begann sich das Blatt langsam zu wenden. Ausländische Profi-Investoren stiegen ein, weil sie dem neuen Premierminister Shinzo Abe umwälzende Veränderungen zutrauten. Und mit dem nach ihm benannten Wirtschaftsprogramm „Abenomics“ schaffte es Abe tatsächlich, das Wachstum anzukurbeln.

Seit einigen Jahren geht es wieder aufwärts

„Abenomics“ umfasst neben der lockeren Geldpolitik und riesigen staatlichen Konjunkturprogrammen auf Pump auch eine Reihe von Reformen. So wurden die aktive Eigentümerschaft der Investoren gestärkt und die Grundsätze guter Unternehmensführung ausgeweitet. „Die Anleger haben nun mächtige Instrumente an der Hand“, sagte Cédric Le Berre, Fondsmanager beim Vermögensverwalter Union Bancaire Privée. Aktuell würden die auf lange Sicht problematischen Überkreuzbeteiligungen der Unternehmen weiter aufgelöst.

Damit scheint der japanische Aktienmarkt aktuell besser aufgestellt als noch vor 30 Jahren. Viele Konzerne des Landes sind stärker mit der Weltwirtschaft verwoben. Die Kehrseite der Medaille: Wenn die Börsen weltweit wie zuletzt in der Corona-Krise einbrechen, purzeln wohl auch in Tokio die Kurse. „Der globale Trend hin zu mehr Protektionismus und die damit verbundenen Maßnahmen wie höhere Kapitalbeschränkungen bei Investments und höhere Handelssteuern wären auch eine Gefahr für den Markt in Japan“, urteilte Mitsuhiro Yuasa, Fondsmanager beim Vermögensverwalter EI Sturdza.

Analysten sehen gute Aussichten

Unter dem Strich aber bleiben Experten wie Portfoliomanager Frank Fischer optimistisch: Sofern sich das Thema Handelskrieg zwischen den USA und China beruhige, könne der japanische Aktienmarkt unter den Industriestaaten der Markt sein, der sich am besten entwickelt: „In einem Umfeld sich wieder erholender Wirtschaftsaktivitäten könnte es sein, dass der Nikkei bis an die 30.000 Punkte läuft.“ Aktuell hat das Börsenbarometer bereits die Marke von 21.000 Punkten überwunden.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: Aleksandra Gigowska / Shutterstock.com

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