AfD-Politiker Gottschalk leitet Wirecard-Untersuchungsausschuss

Reuters · Uhr

- von Christian Krämer

Berlin (Reuters) - Die AfD wird den parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum milliardenschweren Wirecard-Bilanzskandal leiten.

In einer geheimen Wahl stimmten am Donnerstag fünf Mitglieder des Gremiums für den AfD-Finanzpolitiker Kay Gottschalk, vier votierten gegen ihn, wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble im Bundestag sagte. Gottschalk bedankte sich und nahm die Wahl an. "Es geht mir um die Sache", sagte er. Das Gremium billigte zudem einstimmig 137 Beweisanträge, die in den nächsten Monaten zur Aufklärung des Falls beitragen sollen. Mitte 2021 - also wenige Monate vor der nächsten Bundestagswahl - soll ein Abschlussbericht vorliegen.

Der dritte U-Ausschuss der laufenden Wahlperiode soll Versäumnisse der Regierung und ihrer Behörden im Fall Wirecard aufzeigen. Er soll auch Empfehlungen für die Reform der Finanzaufsicht, der Bilanzkontrolle durch Wirtschaftsprüfer und der Geldwäscheaufsicht sowie für die Strafverfolgung von Bilanzbetrug aussprechen. Als Zeugen werden unter anderem Kanzlerin Angela Merkel, Finanzminister Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Peter Altmaier und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder geladen. Das sei ein erster Aufschlag, sagte FDP-Politiker Florian Toncar. "Die Liste wird noch deutlich länger werden." Gottschalk will sie im Einvernehmen mit den anderen Fraktionen ergänzen.

Die konstituierende Sitzung dauerte lediglich rund eine halbe Stunde. Im Vorfeld hatte es Widerstand gegen die Wahl des AfD-Abgeordneten gegeben, obwohl die Partei nach dem üblichen Verfahren dieses Mal an der Reihe ist. Gottschalk sagte der Nachrichtenagentur Reuters, die Abläufe und Systematiken des Bilanzbetrugs müssten aufgedeckt werden, es gehe nicht nur um die Rolle von SPD-Kanzlerkandidat Scholz. Für diesen könnte der Untersuchungsausschuss besonders unangenehm werden.

SCHOLZ WILL ERGEBNISSE VON U-AUSSCHUSS NICHT ABWARTEN

Scholz hatte am Mittwoch angekündigt, in Kürze konkrete Gesetzesentwürfe mit Konsequenzen aus dem Fall Wirecard vorzulegen. Im Mittelpunkt steht dabei die Bonner Finanzaufsicht: "Wir wollen mehr Biss für die BaFin." Kritiker bemängeln, dass Scholz bislang zu unkonkret geblieben sei und von seiner eigenen Verantwortung ablenken wolle.

Der Zahlungsabwickler aus dem Münchner Umland war im Juni nach Bekanntwerden milliardenschwerer Luftbuchungen in die Pleite gerutscht. Die Staatsanwaltschaft ermittelt unter anderem wegen Bilanzfälschung, Betrug, Marktmanipulation und Geldwäsche. Es ist einer der größten Finanzskandale der Nachkriegszeit. Die Opposition will mit dem Untersuchungsausschuss für Aufklärung sorgen. "Er rollt jetzt", sagte Danyal Bayaz von den Grünen. Linken-Politiker Fabio De Masi ergänzte, vor den Zeugen würden zunächst noch Sachverständige angehört.

Die AfD nannte ihn "einen der wichtigsten Untersuchungsausschüsse überhaupt". In dieser Wahlperiode ist es der dritte, nachdem der Anschlag am Breitscheidplatz und das Maut-Desaster bereits thematisiert wurden. In der Nachkriegszeit gab es immer wieder Untersuchungsausschüsse, oft zur Verteidigungspolitik und Korruptionsfällen, aber auch zu Katastrophen und Anschlägen. Finanzthemen sind äußerst selten. 2016 und 2017 gab es aber einen Untersuchungsausschuss zum Cum-Ex-Steuerbetrug.

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