Alibaba plant zweites Mega-IPO in Hongkong – Finanzielle Spritze oder strategischer Zug im Handelsstreit?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Der chinesische Internethändler Alibaba plant Insidern zufolge nach dem größten Börsengang aller Zeiten an der Wall Street nun eine milliardenschwere Zweitnotierung in Hongkong.

Damit könne der Amazon-Rivale seine Kriegskasse um bis zu 20 Milliarden Dollar auffüllen, sagten mit der Angelegenheit vertraute Personen der Nachrichtenagentur Reuters. Das Geld wolle der Konzern in neue Technologien und den Ausbau seines Geschäfts mit herkömmlichen Supermärkten investieren. Alibaba wollte sich zu den Plänen nicht äußern.

Kommt das IPO in der zweiten Jahreshälfte?

Der Technologieriese arbeitet den Insidern zufolge mit Finanzberatern an einem Emissionsangebot, über das die Agentur Bloomberg zuerst berichtet hatte. Bereits in der zweiten Jahreshälfte könne ein Antrag auf Börsennotierung in Hongkong gestellt werden. Viele Details seien allerdings noch ungeklärt, wie etwa die finale Größe des Börsengangs.

Sollten es am Ende tatsächlich 20 Milliarden Dollar werden, wäre es laut Daten des Informationsdienstleisters Refinitiv die weltweit größte Zweitnotierung eines Unternehmens seit sieben Jahren. Der erste Börsengang von Alibaba in den USA im Jahr 2014 hatte ein Volumen von 25 Milliarden Dollar und war mit Abstand der jemals Größte. Facebook kam zwei Jahre früher auf 16 Milliarden Dollar.

Die Gründe für New York als Erstwahl

Ursprünglich wollte Alibaba bereits 2014 in Hongkong an die Börse gehen, entschied sich dann aber doch für New York. Die Hongkonger Börse hat sich zum Ziel gesetzt, der Wall Street mehr Konkurrenz zu machen und attraktiver vor allem für asiatische Firmen zu werden. Seit der Platzierung in New York ist Alibaba extrem schnell gewachsen und ist mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 400 Milliarden Dollar inzwischen das größte börsennotierte chinesische Unternehmen.

Eine Notierung im heimischen Markt bringt viele Vorteile

Mit der stärkeren Marktpräsenz im Heimatmarkt bekommt Alibaba nach Ansicht von Experten mehr Aufmerksamkeit bei Investoren und Banken. „Die meisten Anleger von Alibaba kommen aus China und für sie wird es einfacher zu handeln, alleine schon durch dieselbe Zeitzone“, sagte Analyst Hao Hong vom Brokerhaus BOCOM International. Tendenziell seien Investoren in China auch risikofreudiger. So würden die in Hongkong notierten Aktien des Rivalen Tencent im Vergleich zu den jeweils erwarteten Firmengewinnen mit einem höheren Kurs gehandelt als die Aktien von Alibaba an der Wall Street.

„Ein großer Teil davon ist Politik, vor allem wegen des Timings“, sagte David Dai, ein in Hongkong ansässiger Analyst bei Bernstein gegenüber Bloomberg. „Ein weiterer Aspekt ist die potenziell bessere Bewertung auf dem Hongkonger Markt.“

Die Zweitnotierung soll dem Konzern nun mehr Spielraum geben für Wachstum in China. Unter anderem soll das Geschäft mit der Datenwolke, der sogenannten Cloud, gestärkt werden. Alibaba ist nach Microsoft und Amazon der drittgrößte Cloud-Dienstleister der Welt. Außerdem vertreiben die Chinesen über ihre Online-Plattform Importprodukte wie Mode, Babynahrung, Kosmetik, Nahrungsergänzungsmittel und Schweinefleisch aus Deutschland.

Ist der Handelsstreit der wirkliche Grund?

Die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft will ihre Technologieindustrie angesichts eines eskalierenden Handelskonflikts mit den USA ausbauen. Die chinesische Regierung dürfte daher ebenfalls Interesse an einem Börsengang haben: Alibaba ist neben Tencent Chinas größtes Pendant zu vielen der großen amerikanischen Dienstleister und ein wichtiger Faktor für die heimische Wirtschaft.

Ein zweiter Börsengang noch im Jahr 2019 dürfte somit auch ein politisches Statement im Zuge des Handelsstreits sein. Viele Experten sehen eine Lösung zwischen den beiden verhärteten Fronten China und USA eher Anfang 2020, als noch in diesem Jahr eintreten. Eine strategische Ausrichtung Chinas, wichtige Unternehmen stärker an den heimischen Markt zu koppeln macht daher auch auf Verhandlungsebene Sinn, da Sanktionen besser ausgeglichen werden können.

Zudem wird die Lage für chinesische Unternehmen auf dem amerikanischen Markt immer schwieriger, wie das Vorgehen gegen Huawei zeigt. Es ist nicht auszuschließen, dass US-Präsident Trump noch mehr Konzerne auf die „schwarze Liste“ setzt. US-Unternehmen ist es verboten, mit diesen betroffenen Firmen Geschäfte jeglicher Art zu machen.

Lesen Sie dazu: Huawei-Chef redet im Interview Klartext - Trumps Vorschläge sind ein „großer Witz“ und Apple sollte von China nicht sanktioniert werden

Das macht die Aktie

Auf Jahressicht musste das 400 Milliarden Dollar schwere Unternehmen ein Minus von 21 Prozent hinnehmen. Bereits ein paar Monate vor dem weltweiten Abschwung, der die Börsen im Schlussquartal 2018 belastet hat, geriet die Aktie in eine anhaltende Abwärtsbewegung. Seit Beginn diesen Jahres konnte das Papier zwar wieder einiges aufholen und steht Stand heute noch mit einem Year to Date Plus von 13 Prozent da, musste jedoch zu Mai-Beginn durch die von Trump ausgelöste neue Eskalation des Handelsstreits wieder einiges an Gewicht ablassen.

Alibaba Entwicklung auf Jahressicht (NYSE) mit der Erholung Anfang des Jahres und dem neuen Einbruch im Mai

Seit Anfang des Monats liegt die Aktie wieder gut 20 Prozent im Minus und ist von 195 auf nur noch 155 US-Dollar gefallen.

(onvista/reuters)

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Titelfoto: testing/Shutterstock.com

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