Beiersdorf: Aus der Defensive zum Kursrekord - Aktie schlägt auf Jahressicht den Dax und die Konkurrenz

dpa-AFX · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Beim Konsumgüterkonzern Beiersdorf (Eucerin, Nivea, Tesa) bestimmt seit Anfang des Jahres ein neuer Chef den Kurs - und der ist zumindest etwas forscher als unter seinem Vorgänger. Was los ist beim Unternehmen, was Analysten sagen und was die Aktie macht.

DAS IST LOS BEI BEIERSDORF:

Seit Stefan De Loeckers Antritt an der Spitze des Hamburger Traditionskonzerns hat sich einiges geändert, auch wenn der 52-jährige Manager seit 2014 bei Beiersdorf und zuletzt bereits Nummer zwei hinter dem langjährigen Chef Stefan Heidenreich war. So ist es kein Wunder, dass De Loecker bei seiner Strategie eher auf Evolution statt auf Revolution setzt. Nur in einem Punkt ist er anders als Heidenreich: Er setzt auch auf Übernahmen.

Heidenreich hatte das Unternehmen, dessen Wurzeln bis ins Jahr 1880 reichen, mit seiner "Blue Agenda" verstärkt auf die Kernmarken rund um die Hautpflege wie Nivea konzentriert. Zudem baute er das Geschäft in Schwellenländern aus. Sein Nachfolger will nun mit hohen Investitionen das Wachstum in der wettbewerbsintensiven Branche ankurbeln. Dafür nimmt er vorübergehend auch Einbußen bei der Rendite in Kauf.

"Schneller, effizienter und einfacher" soll Beiersdorf nun werden, hatte De Loecker angekündigt. Außerdem wollen die Hamburger die Digitalisierung vorantreiben. Der Manager will zudem weitere Wachstumsmärkte in Asien erschließen, Beiersdorf noch stärker auf Hautpflege konzentrieren sowie in neue Produkte wie Naturkosmetik investieren. Dabei setzt De Loecker in dem Bereich auch auf Zukäufe, nachdem diese bei Beiersdorf lange kein Thema waren - trotz prall gefüllter Kassen.

Im Mai hatte er seinen Ankündigungen Taten folgen lassen: Beiersdorf schlug für knapp eine halbe Milliarde Euro bei der Bayer-Sonnenschutzmarke Coppertone zu. So viel Geld hatte Beiersdorf zuvor noch nie für eine Übernahme lockergemacht. Die Marke ist vor allem in den USA bekannt. De Loecker will damit das Geschäft in Nordamerika ausbauen. Kritiker halten die Marke allerdings für etwas angestaubt.

Bei den Investoren kam der Kurs dennoch sehr gut an. Finanzchefin Dessi Temperley, die seit Sommer 2018 bei Beiersdorf an Bord ist, befeuerte zudem die Hoffnungen der Anleger auf weitere Zukäufe. "Coppertone ist als ein erster Schritt unseres Plans anzusehen, auch anorganisch zu wachsen", sagte sie im Juni der "Börsen-Zeitung".

Das Portfolio im Kerngeschäft Hautpflege könne man noch verbreitern, sagte sie. Das Engagement in der Naturkosmetik sei "sicher ausbaufähig". Auch im stark wachsenden Markt für medizinische Hautpflege könne man das Portfolio erweitern. Akquisitionen kommen laut Temperley weltweit in Frage.

Gute Zahlen in den ersten sechs Monaten liefern De Loecker und Temperley die nötige Rückendeckung für ihre Strategie, auch wenn die Investitionen im laufenden Jahr erst einmal auf die Renditen drücken und das Management mit einem etwas langsameren Wachstum rechnet. De Loecker hatte 2019 aber ohnehin als "Übergangsjahr" eingestuft - nicht unüblich für einen neuen Konzernlenker.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Bei den Anlegern kommt der Kurs des neuen Chefs nach anfänglicher Skepsis gut an. Nachdem das Papier in den ersten Wochen der Amtszeit bis auf 80,60 Euro abgesackt war, geht es stetig bergauf. In der ersten September-Woche legte bis auf 117,25 Euro zu und war damit so teuer wie noch nie in der langen Börsengeschichte des Unternehmens. Das Papier wurde bereits vor knapp 100 Jahren an der Hamburger Börse gehandelt.

Und auch wenn es seit dem Rekordhoch wieder etwas bergab ging, stieg der Kurs der Aktie im bisherigen Jahresverlauf um 20 Prozent und damit deutlich stärker als der Dax. Zudem konnte Beiersdorf in diesem Zeitraum auch den Konkurrenten Henkel , dessen Aktienkurs in diesem Jahr bisher leicht zurückging, deutlich überflügeln. Im langjährigen Vergleich haben allerdings die Düsseldorfer die Nase noch vorne. Seit dem Dax-Aufstieg Ende 2008 legte der Kurs des Beiersdorf-Papiers um 175 Prozent zu, während die Henkel-Aktie in diesem Zeitraum 320 Prozent gewann. Immerhin schnitt Beiersdorf damit aber etwas besser ab als der Leitindex.

Mit dem jüngsten Kursanstieg kratzt der Konzern zudem beim Börsenwert an der Marke von 30 Milliarden Euro. Aktuell liegt die Marktkapitalisierung mit knapp 28 Milliarden Euro nur knapp darunter. Größter Profiteur des jüngsten Kursanstiegs ist die Familie Herz, die über ihre Investmentgesellschaft etwas mehr als die Hälfte der Anteile besitzt.

Weitere knapp zehn Prozent der Aktien liegen bei Beiersdorf selbst, so dass der neue Chef De Loecker und seine Finanzchefin Temperley neben dem hohen Kassenbestand eine weitere Akquisitionswährung in der Hinterhand haben. Ob und wie sie damit auf dem Übernahmemarkt zuschlagen, hängt vor allem auch vom möglichen Veto von Michael Herz ab.

Das inzwischen 75-jährige Familienoberhaupt hatte mit seiner Familie Anfang des Jahrtausends einen Übernahmevorstoß des US-Konzerns Procter & Gamble abgewehrt, in dem er den Anteil an Beiersdorf von 30 auf 50 Prozent erhöht hatte. Seitdem ist sein Wort in der Firmenzentrale im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel Gesetz. So bleibt auf sein Geheiß auch die Dividende stabil, zum Leidwesen mancher Kleinanleger, die sich aber zuletzt zumindest über deutliche Kurszuwächse freuen durften.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

In wirtschaftlich unsicheren Zeiten sind solide laufende Konsumtitel stärker gefragt als konjunktursensible Papiere. Dennoch sind sich Analysten über Beiersdorf uneins in der Bewertung. So gilt die aktuelle Bewertung von Beiersdorf bereits als "recht ambitioniert", findet NordLB-Analyst Thorsten Strauß, der die Aktie auf "Halten" eingestuft hat. Er erklärt den Lauf ebenfalls damit, dass zur Zeit eher defensive Anlagen gesucht seien. In einem schwierigen Umfeld schneide der Konzern derzeit ordentlich ab.

Auf "Underperform" hat hingegen das Analysehaus Jefferies die Aktie gesetzt. Auch Expertin Molly Wylenzek bemerkte, dass Beiersdorf-Papiere im Branchenvergleich deutlich aufgewertet hätten. Wylenzek sieht zunehmend das Risiko, dass das Umsatzwachstum nicht wie vom Unternehmen angepeilt anzieht, sondern abflaut. Zudem dürften die Margen nicht steigen, um das schwächelnde Erlöswachstum abzufedern.

Zu den Optimisten gehört hingegen die US-Bank JPMorgan, die Beiersdorf auf auf ihre "European Best Equity Ideas"-Liste gesetzt hat und eine Übergewichtung epmfiehlt. Sie rechne mit einer Beschleunigung des Umsatzes in der Konsumsparte des Nivea-Konzerns im zweiten Halbjahr, schrieb Analystin Celine Pannuti. Die Margenziele könnten womöglich angehoben werden.

Nach dem jüngsten Kursanstieg sehen die meisten Analysten kaum mehr Luft nach oben. So empfehlen derzeit nur vier der 20 von dpa-AFX erfassten Experten das Papier zum Kauf. Am optimistischsten dabei ist HSBC-Analyst Jeremy Fialko, der den Aktien einen Anstieg auf 122 Euro zutraut.

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