Bitcoin: Der Stablecoin Tether als möglicher Black Swan für die Krypto-Märkte – und wie man damit umgehen kann

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Nachdem der Krypto-Sektor in den letzten Wochen und Monaten nichts als Euphorie gekannt hat, ist der Bitcoin-Preis derzeit in eine volatile Phase der Konsolidierung eingetreten und ist dabei, auf dem langfristigen Chart ein Head and Shoulder Pattern auszubilden, welches ein Signal für eine Trendumkehr sein könnte.

Quelle: Tradingview.com


Es sind derzeit zwei Dinge, die für Unruhe am Markt sorgen. Zum einen ist angesichts der Euphorie und der erheblichen Kurszuwächse der letzten Zeit wieder das Thema Regulierung in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Zuletzt hat sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde in einem Interview kritisch über Bitcoin geäußert und sich für scharfe Regulierungen ausgesprochen.

Tether - der wichtigste Stablecoin - und nur Betrug?

Ein Thema, welches seit langer Zeit als Gefahr über dem Krypto-Sektor schwebt und jetzt wieder hochkommt, ist jedoch der Stablecoin Tether, dessen herausgebender Firma Tether Ltd. seit Jahren Vorwürfe gemacht werden, unlautere Geschäftspraktiken zu verfolgen. Grob geht es darum, dass nicht alle ausgegebenen Tether-Coins mit Dollar gedeckt sind und die Art und Weise der Auszahlung in einigen Fällen fragwürdig abgewickelt wurde. Der Vorwurf der Marktmanipulation steht hier schon länger im Raum.

In der Vergangenheit haben wir bereits im Detail über diesen Sachverhalt berichtet: https://www.onvista.de/news/bitcoin-wird-der-krypto-markt-mit-dem-stablecoin-tether-manipuliert-247988591

Tether ist ein Stablecoin, der 1:1 mit dem Dollar gedeckt ist (zumindest soll er das) und mit einer Marktkapitalisierung von derzeit 24 Milliarden Dollar ist er der mit Abstand wichtigste Stablecoin im Krypto-Ökosystem. Ein großer Teil der Liquidität im Krypto-Handel wird über Tether abgewickelt (Schätzungsweise bis zu 70 Prozent des täglichen Bitcoin-Volumens). Sollte also etwas an den Vorwürfen dran sein, dass nicht alle Tether mit Dollar hinterlegt sind und das Erzeugen neuer Tether durch das herausgebende Unternehmen dazu genutzt wird, den Markt zu manipulieren, wäre das ein systemisches Risiko für den Krypto-Sektor.

Der Wert der Tether-Coins würde durch diesen Vertrauensverlust einbrechen und viele Investoren würden ihr Kapital, welches sie in dem Coin geparkt haben, verlieren. Zudem würde die Nachfrage, die durch Tether kommt, einbrechen und in Kombination mit diesem Vertrauensverlust das Potenzial für eine extreme Korrektur des Marktes liefern. Ein Preiseinbruch von Bitcoin um 60 Prozent oder mehr wäre hier kein unrealistisches Szenario.

Wie könnte dieses Szenario eintreten?

Seit dem Jahr 2018 ist Tether Ltd. im Visier der New Yorker Staatsanwaltschaft. Tether Ltd. hat iFinex, Betreiberin der Bitcoin-Börse Bitfinex, ohne öffentliche Angaben 850 Millionen US-Dollar geliehen, um einen Liquiditätsengpass zu vertuschen, so der Vorwurf, dass sich die Schwesterunternehmen strafbar gemäß Artikel 23-A des New Yorker Handelsgesetztes gemacht haben sollen. Der Artikel betrifft „Betrügerische Praktiken in Bezug auf Aktien, Anleihen und andere Wertpapiere“. Pikant ist, dass die Geschäftsführer von Tether Limited auch gleichzeitig die von iFinex Inc., der Firma hinter Bitfinex sind.

Ende April wurde dann offiziell der Antrag auf die Erhebung einer öffentlichen Klage gegen iFinex beim New Yorker Supreme Court eingereicht. In einer Pressemitteilung vom 24. April 2019 erklärte die New Yorker Staatsanwaltschaft: „Unsere Untersuchung hat ergeben, dass die Betreiber der „Bitfinex“-Handelsplattform, die auch die virtuelle Währung „Tether“ kontrollieren, sich auf eine Vertuschung eingelassen haben, um den offensichtlichen Verlust von 850 Millionen Dollar an Kunden- und Firmengeldern zu verbergen.“

Zusammen mit der Klage wurde die Aufforderung eingereicht, Zugang zu allen relevanten Dokumenten der beiden Unternehmen zu bekommen, um den Vorwurf zu überprüfen. In den folgenden Monaten konnten Bitfinex und Tether die Frist zur Herausgabe der Dokumente immer wieder verlängern und haben dies somit extrem hinausgezögert. Letzten Endes wurde sich auf eine Frist bis zum 15. Januar 2021, also vergangenen Freitag, geeinigt.

Das bedeutet, dass die Ermittler seit Freitag Einblick in die Dokumente haben und den Vorwurf überprüfen können. Jedoch bedeutet das auch, dass sie Zugriff auf die Finanzströme der Unternehmen haben und somit auch ersichtlich werden kann, ob die Aktivitäten von Tether generell mit rechten Dingen zugehen, oder ob Tether-Coins teilweise ungedeckt auf dem Markt platziert werden und damit Preismanipulation betrieben wird.

Tether im Vergleich mit dem USDC

Es sprechen seit Jahren einige Dinge dafür, dass bei Tether nicht alles ganz rund abläuft. Ein weiteres Indiz für diesen Sachverhalt ist die Art und Weise, wie Tether erzeugt wird und der Vergleich mit einem anderen Stablecoin, USDC.

USDC ist ein weiterer Stablecoin auf den US-Dollar, der von der US-Handelsplattform Coinbase ausgegeben wird. Die großen Unterschiede zwischen USDC und Tether (Kürzel USDT) sind, dass Tether gänzlich unreguliert operiert (der Sitz ist derzeit laut webiste in Hongkong), während Coinbase ein komplett reguliertes US-Unternehmen ist. Während Tether seine Coins initial nur über OTC-Handel (over the counter, privat) ausgibt, erwirbt man den USDC öffentlich über die Handelsplattform Coinbase. Es ist zudem bezeichnend, dass regulierte Plattformen wie Coinbase und Bitstamp, zwei der größten und reguliertesten Krypto-Handelsplätze überhaupt, USDT nicht zum Handel anbieten. Die einzige wirklich große und regulierte Börse, auf der Tether gegen US-Dollar gehandelt werden kann, ist Kraken.

Heißt, dass Tether Ltd die Marktaktivitäten auf dieser Plattform genau beobachten muss, denn sollte das Angebot an Tether auf der Plattform die Nachfrage übersteigen, muss Tether Ltd. gezwungenermaßen Tether mit den bei der Erzeugung der Coins hinterlegten Dollar zurückkaufen, denn sonst würde der Preis fallen und die 1:1 Dollar-Deckung wäre nicht mehr gegeben. Das heißt, wenn Tether Ltd. seine Coins bei Ausgabe nicht 100 % deckt und die Angebotsseite auf öffentlichen Handelsplätzen gegen US-Dollar zu groß wird, könnte auch das den Tether-Coin in der Theorie zu Fall bringen.

Einen Blick wert ist auch die Erzeugung und Ausgabe der beiden Coins, die in dieser Twitter-Diskussion genauer aufgezeigt werden:


Quelle: Twitter

Während Tether gigantische Blöcke an Coins erzeugt und dabei immer glatte Zahlen verwendet, sehen die Bewegungen bei USDC wesentlich natürlicher aus und haben zudem ein geringeres Volumen:


Quelle: Twitter


Was bedeutet das nun aus Investorensicht?

Die Causa Tether ist ohne Zweifel eine der realistischsten Bedrohungen für das Krypto-Ökosystem, da Tether aufgrund seiner Größe und der Höhe des Volumens, welches über USDT abgewickelt wird, systemisch wichtig ist. Es gibt mehrere Optionen, die man als Investor in Betracht ziehen muss:

Option 1: Tether ist gedeckt und es fließt nur „echtes“ Geld über Tether in den Kryptomarkt und auch die Anschuldigungen der New Yorker Staatsanwaltschaft sind unbegründet. In diesem Fall würde wohl nichts passieren und die Causa Tether hätte kein Bedrohungspotenzial mehr. Allerdings scheint das nicht besonders wahrscheinlich zu sein (persönliche Einschätzung).

Option 2: Tether ist gedeckt, sei es komplett mit „Cash-Dollar“, oder teils mit anderen Vermögenswerten, doch die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft stimmen und Tether und Bitfinex haben in der Vergangenheit Geldverschiebungen verschleiert. Das würde das Unternehmen vor Probleme stellen und auch am Markt für einen enormen Vertrauensverlust sorgen. Wahrscheinlich würde Tether weiterhin verwendet werden, doch es würden wohl viele Marktakteure auf andere Stablecoins wie USDC wechseln. Dieses Szenario würde wohl Potenzial für eine Korrektur bieten, doch langfristig keine wirklich große Bedrohung darstellen, da die Liquidität durch Dollar nicht gefährdet wäre.

Option 3: Tether ist Betrug und ein signifikanter Teil der Coins ist nicht gedeckt, sowie als Manipulation der Märkte verwendet worden. Das würde wohl das Ende von Tether bedeuten und sämtliche Tether-Coins würden auf Null fallen, auch wenn selbst ein Teil wirklich mit Dollar erworben wurde. Somit würden Investoren, die Kapital in Tether geparkt haben einen Totalverlust erleiden. Doch es wäre auch ein Schock für das ganze Ökosystem, da wie gesagt ein großer Teil des Volumens über Tether abgewickelt wird.

Diese Szenario hätte wohl das Potenzial, für eine extreme Korrektur von 60 Prozent oder mehr zu sorgen, da kann man im Grunde nur mutmaßen. Langfristig würde dies jedoch nicht den Tod für Bitcoin oder den Krypto-Sektor bedeuten, da sich am fundamentalen Wert von Bitcoin, den anderen validen Projekten und der Blockchain-Technologie an sich nichts ändern würde. Im Gegenteil, sollte Tether wirklich ein Betrugsfall sein, wäre es gut wenn dieses Übel schnellstmöglich aus dem Markt gespült werden würde.

Alternative Vehikel genau dieser Art, die wirklich voll gedeckt, reguliert und transparent sind, existieren bereits um den Platz von Tethers Marktrolle einnehmen zu können, beispielsweise mit dem Stablecoin USDC. Zudem gibt es auch dezentral aufgebaute Stablecoin-Ansätze wie den DAI-Token, der durch Krypto-Assets gedeckt ist. Eine genauere Erklärung hierzu würde an dieser Stelle jedoch den Rahmen sprengen.

Wie soll man sich nun also als Investor verhalten? Wer Angst vor dem Tether-Szenario hat, kann einen Teil seines Bitcoin-Investments auscashen und Gewinne aus den starken letzten Wochen mitnehmen. Andernfalls kann man als investierter Anleger die Sache auch aussitzen und abwarten, wie sich der Tether-Fall entwickelt. Als langfristig orientierter Anleger spielt selbst das schlechteste Szenario eine weniger wichtige Rolle für den Bitcoin-Preis, da der fundamentale Wert durch Tether nicht bedroht wird.

Wer auf ein Einstiegszeitfenster bei Bitcoin wartet, sollte vielleicht jedoch die nächsten Tage und Wochen abwarten, da sich im Falle der Option 3 extrem gute Einstiegspreise bilden könnten. Jedoch liegen die Chancen selbst bei einem Crash gut, dass die Erholung ähnlich wie im Corona-Crash im letzten Jahr sehr schnell und sehr hoch eintreten wird, da das fundamentale Interesse an Bitcoin durch die Institutionellen Investoren durch die Causa Tether nicht wirklich negativ beeinflusst wird. Im Gegenteil, ein möglicher Preis-Crash würde die Nachfrage wahrscheinlich nur noch mehr ankurbeln. Wie wahrscheinlich die jeweiligen Szenarien sind, ist jedoch schwer bis unmöglich zu sagen, da bisher keine Dokumente aus den Bilanzen von Tether veröffentlicht worden sind.

Von Alexander Mayer

Titelfoto: knipsdesign / Shutterstock.com

onvista-Ratgeber: Aktien kaufen für Einsteiger – alles was Sie zum Thema Börse und Aktien wissen müssen!

Meistgelesene Artikel