Boeing: Q3-Zahlen desaströs – Gewinn um die Hälfte eingebrochen – Brisante Mitarbeiter-Chats stürzen Flugzeugbauer tiefer in die Krise

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Das anhaltende Flugverbot für Boeings Mittelstreckenjet 737 Max hat dem US-Flugzeugbauer auch im dritten Quartal einen herben Gewinneinbruch eingebrockt. Unter dem Strich verdiente der Airbus-Rivale mit knapp 1,2 Milliarden US-Dollar (rund 1,1 Mrd Euro) nur knapp halb so viel wie ein Jahr zuvor, wie er am Mittwoch in Chicago mitteilte. Der Umsatz sackte wegen der gestoppten Auslieferung des zuvor meistgefragten Flugzeugtyps um 21 Prozent auf knapp 20 Milliarden Dollar ab.

737 ist nicht das einzige Problemkind

Derweil machen dem Hersteller noch andere Baustellen zu schaffen: So drosselt der Konzern ab Ende 2020 vorläufig die Produktion seines Großraumjets 787 „Dreamliner“. Zudem verschiebt er die erste Auslieferung des modernisierten Großraumjets 777X nach technischen Problemen jetzt auf Anfang des Jahres 2021. „Höchste Priorität hat weiterhin die sichere Rückkehr der 737 Max in den Flugbetrieb“, sagte Boeing-Chef Dennis Muilenburg.

Topmanager verlässt Boeing

Der Chef von Boeings Verkehrsflugzeugsparte, Kevin McAllister, wird nach dem Flugverbot für das Modell 737 MAX den Konzern verlassen. Nachfolger wird Stan Deal, der 1986 zu dem Flugzeugbauer gekommen war und zuvor den für Kundendienstleistungen zuständigen Geschäftsbereich Global Services leitete. „Wir sind Kevin dankbar für seinen engagierten und unermüdlichen Einsatz“, erklärte Vorstandschef Dennis Muilenburg.

Veröffentlichung brisanter Mitarbeiter-Chats setzt Boeing massiv unter Druck

„Ungeheuerlich“ – Boeings technischer Chefpilot Mark Forkner fand bereits im November 2016, Monate vor der Zulassung der 737 Max, klare Worte für das MCAS-Programm. Im Flugsimulator gerate die Automatik geradezu außer Kontrolle, klagte Forkner gegenüber einem Boeing-Kollegen in Textnachrichten, die am Freitag in US-Medien veröffentlicht wurden. MCAS soll eigentlich in kritischen Situationen den Flugwinkel korrigieren. Doch laut Unfallberichten brachte das Programm die Unglücksmaschinen durch falsche Sensordaten zum Absturz.

Für den US-Konzern sind Forkners Nachrichten hochbrisant: Boeing steht ohnehin schon im Verdacht, der US-Flugaufsicht FAA bei der im Nachhinein äußerst kontroversen Zertifizierung der 737 Max wichtige Informationen unterschlagen zu haben. Die Veröffentlichung des Chatverkehrs kommt zur Unzeit. Zumal Forkner darin sogar einräumt, die FAA angelogen zu haben – wenngleich angeblich unwissentlich, da ihm selbst die Wirkung des MCAS-Programms zunächst nicht klar war.

Die FAA reagierte ausgesprochen ungehalten. Behördenchef Steve Dickson forderte in einem Brief an Muilenburg eine „sofortige Erklärung“. Besonders erzürnte Dickson, dass Boeing das „beunruhigende Dokument“ den Aufsehern angeblich erst mit Monaten Verspätung vorlegte. Das Unternehmen ging zunächst auf Tauchstation, veröffentlichte dann ein dürres Statement, wonach Muilenburg den FAA-Chef nun wie in dessen Brief gefordert angerufen habe.

Erst am Sonntag legte Boeing mit einer ausführlicheren Stellungnahme nach und bemühte sich, die Nachrichten in einen nicht ganz so peinlichen Kontext zu setzen. Zwar sind die Ausführungen recht verklausuliert – doch das Unternehmen zitiert Aussagen von Forkners Anwalt, die sich so deuten lassen könnten, dass der Flugsimulator technische Probleme hatte. Boeing bedauere die Textnachrichten und sei selbst noch dabei, ihre genaue Bedeutung zu erforschen.

Streit mit der FAA könnte 737 weiter vom Himmel fernhalten

Dass die Nachrichten von Pilot Forkner den Konzern so arg in die Bredouille bringen, hat auch noch einen weiteren Grund. Boeing gab in der Reaktion auf die Kritik von FAA-Chef Dickson an, den Chatverlauf tatsächlich schon früher in diesem Jahr vorgelegt zu haben, allerdings „Regierungsermittlern“. Nähere Angaben, um wen es sich dabei konkret handelt, wollte Boeing nicht machen. Doch angesichts des erbosten Briefs Dicksons kann es wohl nicht die FAA sein.

Da auch die US-Justizbehörden ermitteln sollen, ob bei der Zulassung der Unglücksflieger alles mit rechten Dingen zuging, dürfte das brisante Dokument zuerst dort gelandet sein. Kein Wunder, dass der FAA das nicht passt: Die Behörde steht selbst massiv in der Kritik, sie soll wesentliche Teile der Zertifizierung Boeing selbst überlassen haben. Sollte Boeing sich nun auch noch mit der Aufsicht überwerfen, würde dies nichts Gutes verheißen und könnte die erhoffte 737-Max-Wiederzulassung womöglich noch weiter ausbremsen.

Kurssturz an der Börse geht weiter

Der Schaden ist allerdings ohnehin schon längst angerichtet. Boeings Aktien fielen am Freitag um fast sieben Prozent. Am Montag ging es um weitere fast vier Prozent abwärts, nachdem Analysten pessimistische Einschätzungen abgaben und einen Verfall des Börsenwerts um mehr als 50 Milliarden Dollar in Aussicht stellten. Damit ist die 737-Max-Krise nun endgültig auch an der Börse angekommen, wo Boeing bislang noch erstaunlich resistent wirkte. Am Mittwoch haben sich die Verluste nach der Bekanntgabe der schwachen Q3-Zahlen weiter ausgeweitet. Bisher liegt die Aktie mit etwa 1,4 Prozent im Minus.

Einige Analysten wenden sich nun gegen Boeing. UBS und Credit Suisse empfehlen Anlegern nicht mehr, Boeing-Aktien zu kaufen. Der Analyst der Credit Suisse, Robert Springarm, sagte am Montag: „Wir können die Aktien angesichts der jüngsten Entdeckungen (die Mitarbeiter-Chats), die das Risikoprofil für Anleger signifikant erhöhen, nicht länger verteidigen.“

Auch die Ratingagentur Standard & Poor’s (S&P) hat den Ausblick für die Kreditwürdigkeit von Boeing von „stabil“ auf „negativ“ gesenkt. Die Experten begründeten die Entscheidung in einer Mitteilung vom Dienstag mit den jüngsten Berichten über die mögliche Täuschung der FAA.

(onvista/dpa-AFX)

Titelfoto: vaalaa/shutterstock

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