Britische Regierung verkündet neue Corona-Hilfen - "Radikale Eingriffe"

Reuters · Uhr

London (Reuters) - Die britische Regierung greift der heimischen Wirtschaft und dem Arbeitsmarkt wegen der schweren Corona-Rezession stärker unter die Arme.

Finanzminister Rishi Sunak kündigte am Donnerstag ein neues Hilfsprogramm an, um Beschäftigte während der Krise in Kurzarbeit halten und Entlassungen vermeiden zu können. Eigentlich auslaufende Steuersenkungen für das besonders stark unter Corona leidende Gastgewerbe sollen zudem verlängert und Kreditrückzahlungen von Unternehmen aufgeschoben werden.

"Dies sind radikale Eingriffe in den britischen Arbeitsmarkt - eine Politik, die wir in diesem Land noch nie versucht haben", sagte Sunak bei der Vorstellung des sogenannten "Wirtschaftswinterplans" im Parlament. "Das Hauptziel unserer Wirtschaftspolitik bleibt unverändert: die Arbeitsplätze der Menschen zu sichern." Die Art und Weise, wie das erreicht werden solle, müsse sich aber weiterentwickeln. Sunak räumte zugleich ein: "Ich kann nicht jedes Unternehmen retten, ich kann nicht jeden Arbeitsplatz retten".

Herzstück der neuen Maßnahmen ist ein Ersatz für das im kommenden Monat auslaufende Programm "Coronavirus Job Retention Scheme", das in seiner Spitze im Mai 8,9 Millionen Jobs in der Privatwirtschaft unterstützte. Diesmal soll nur dann geholfen werden, wenn Arbeitgeber die betroffenen Beschäftigten mindestens ein Drittel ihrer normalen Arbeitszeit tätig werden lässt. Für nicht gearbeitete Stunden sollen Regierung und Arbeitgeber jeweils ein Drittel des normalen Stundensatzes bezahlen, maximal jedoch 698 Pfund (765 Euro) pro Monat. "Die Regierung wird die Löhne und Gehälter der Beschäftigten direkt stützen und Unternehmen, die mit einer schwachen Nachfrage konfrontiert sind, die Möglichkeit geben, Mitarbeiter verkürzt zu beschäftigen anstatt sie zu entlassen", sagte Sunak dem Parlament. Ende Juli wurden Steuerdaten zufolge noch rund fünf Millionen Jobs durch das alte Programm unterstützt. Die Statistikbehörde geht davon aus, dass es Anfang September noch etwa jeder achte Arbeitnehmer war.

Die Pandemie hat fast 42.000 Menschen in Großbritannien getötet - so viele wie in keinem anderen Land Europas. Das Vereinigte Königreich nimmt Rekordsummen auf, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Das Bruttoinlandsprodukt brach im zweiten Quartal um mehr als ein Fünftel ein, während etwa die deutsche Wirtschaftsleistung mit 9,7 Prozent weniger als halb so stark schrumpfte. Auch 2020 insgesamt sieht das Bild ähnlich aus. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sagt der britischen Wirtschaft ein Minus von 10,1 Prozent voraus, der deutschen von 5,4 Prozent.

Sunak kündigte an, die Senkung der Mehrwertsteuer für Hotels, Cafes und Restaurants bis zum 31. März 2021 zu verlängern. Er stellte auch ein neues Programm vor, das den Unternehmen eine flexiblere Rückzahlung der während der Corona-Krise aufgenommenen Kredite ermöglichen soll. Sie haben nun bis zu zehn statt sechs Jahre Zeit, um diese zurückzuzahlen. Die oppositionelle Labour-Partei kritisierte, die neuen Hilfen kämen zu spät.

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