Corona bleibt Wirtschaftsbremse - Export und Tourismus brechen ein

Reuters · Uhr

- von Klaus Lauer und Reinhard Becker

Berlin (Reuters) - Trotz positiver Signale hat die Corona-Krise die deutsche Wirtschaft fest im Griff.

Die Exporte stiegen von April auf Mai zwar um neun Prozent, liegen aber immer noch fast 30 Prozent unter dem Vorjahresniveau, wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte. "Die Krise ist damit bei Weitem nicht überwunden", sagte BDI-Hauptgeschäftsführer Joachim Lang. "Unsere exportorientierte Wirtschaft muss sich auf schwierige Zeiten einstellen." Auch der Tourismus spürt die Pandemie mit voller Wucht. Trotz erster Lockerungen des Beherbergungsverbots sanken die Übernachtungen im Mai um 75 Prozent zum Vorjahr. "Die Folgen der Corona-Pandemie für die Hotels in Deutschland sind weiter dramatisch", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, Ingrid Hartges.

Nach dem Rekordeinbruch der Konjunktur im Frühjahr, gibt es zwar zunehmend Zeichen einer Belebung. Aber bis die deutsche Wirtschaft die Corona-Krise wirklich abschüttelt, dürfte es Fachleuten zufolge noch bis ins nächste Jahr dauern. "Wir sind noch meilenweit entfernt von einer Normalisierung im Außenhandel", sagte die Vizepräsidentin des Exportverbands BGA, Ines Kitzing. Auch Industrie-Lobbyist Lang betonte: "Die Wachstumsaussichten für Europa als Heimatmarkt sind äußerst düster." Vor allem die Ausfuhren in von der Virus-Pandemie stark betroffene Länder und wichtige Handelspartner schrumpften massiv. Die Exporte in die USA fielen um 36,5 Prozent, die Lieferungen nach Großbritannien gar um fast die Hälfte.

"AUCH NACH DER WIEDERERÖFFNUNG NOT IN DER HOTELLERIE GROSS"

Nach den ersten fünf Monaten steht bei den jahrelang erfolgsverwöhnten Exporteuren ein Minus von rund 14 Prozent. Im Gesamtjahr 2020 dürfte es nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags wegen der Pandemie einen Rückgang um 15 Prozent geben. 2021 könnten die Ausfuhren laut DIHK womöglich um sieben Prozent steigen, "wenn es richtig gut läuft". Die gesamte Wirtschaft steht 2020 vor einer tiefen Rezession. Die EU-Kommission sagt für Deutschland einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von 6,3 Prozent voraus und damit den stärksten Einbruch in der Nachkriegszeit.

Der Unions-Mittelstandsexperte Carsten Linnemann bewertet die Lage pessimistischer als Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). "Ich persönlich sehe die Situation kritischer", sagte Linnemann in der ARD. Altmaier hatte von einem Aufschwung spätestens ab Oktober gesprochen. Linnemann sagte, er habe jeden Tag Kontakt "mit der Intensivstation der deutschen Wirtschaft". Dort sei es oft "brutal", etwa im Veranstaltungsbereich, dem stationären Handel, bei den Hoteliers und der Gastronomie. Da werde man leider eine Pleitewelle erleben.

Die Tourismusbranche und die Gastronomie leiden besonders stark unter den Ausgangs- und Kontaktsperren wegen der Pandemie. Nachdem die Zahl der Übernachtungen im April mit fast 90 Prozent so stark sank wie noch nie seit Beginn der Zeitreihe 1992, fiel sie auch im Mai noch drastisch auf 11,2 Millionen. Das Mitte März verhängte Beherbergungsverbot ist zwar inzwischen aufgehoben. "Aber auch nach der Wiedereröffnung ist die Not in der Hotellerie groß", betonte Dehoga-Hauptgeschäftsführerin Hartges. Denn die Firmen meldeten immer noch massive Einbußen beim Umsatz bei gleichzeitig steigenden Kosten - aufgrund Auflagen mit Abstandsgeboten, Kontaktbeschränkungen und Kapazitätsbegrenzungen. Internationale Gäste fehlten. "Die wenigen inländischen Touristen können die Umsatzausfälle derzeit nicht kompensieren."

FIRMEN-PLEITEN KÖNNTEN BALD STEIGEN

Trotz Corona sank die Zahl der Firmenpleiten im April um gut 13 Prozent auf 1465. Ein Grund dafür ist, dass die Antragspflicht für Unternehmen seit dem 1. März bis Ende September ausgesetzt ist. Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe sieht "ernste Konjunkturgefahren" durch Firmen, die wegen geringer Einnahmen schon jetzt Zahlungsprobleme hätten: "Insolvenzen und weitere Arbeitslosigkeit wären wohl die Folge." Dies sorgt auch der Europäischen Zentralbank (EZB): In den kommenden Quartalen seien die Banken der Euro-Zone verstärkt mit Kreditausfällen und mehr Firmenpleiten konfrontiert, warnte jüngst EZB-Vize Luis de Guindos. Deshalb treibt die EZB Insidern zufolge konkrete Pläne für eine Art Bad Bank voran.

Als Zeichen für eine schrittweise Konjunkturerholung legt derweil die Zahl der Lkw auf deutschen Autobahnen zu. Auch die Mehrheit der in der Corona-Krise arg gebeutelten Maschinenbauer wittert wieder etwas Morgenluft. Rund 60 Prozent der Mitglieder im Branchenverband VDMA rechnen für 2021 mit steigenden Umsätzen.

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