Corona lässt Vorstandsgehälter einbrechen - Linde-Chef 2019 Top-Verdiener

Reuters · Uhr

- von Alexander Hübner

München (Reuters) - Europas Top-Manager müssen infolge der Corona-Krise mit herben Gehalts-Einbußen rechnen.

"Insgesamt rechne ich in diesem Jahr mit einem Rückgang der Managergehälter - inklusive der Altersvorsorge - um rund 20 Prozent", sagte Vergütungsexperte Michael Kramarsch der Nachrichtenagentur Reuters am Donnerstag. "Die wenigen Krisengewinner können die Einschläge bei den Verlierern nicht ansatzweise ausgleichen."

Im vergangenen Jahr hatten die Vorstandschefs der Unternehmen in den führenden europäischen Börsenindizes Stoxx Europe 50 und Euro Stoxx 50 die bröckelnden Gewinne noch nicht auf dem Gehaltszettel zu spüren bekommen: Während die Nettogewinne um 16 Prozent nachgaben, stiegen die Direktvergütungen der Top-Manager nach Daten der Frankfurter Vergütungsberatung hkp im Schnitt um 0,5 Prozent auf 6,02 Millionen Euro.

Gehalts-Krösus unter den 61 erfassten Vorstandschefs war Linde-Chef Steve Angel, dessen Grundgehalt, die Erfolgsprämie für 2019 und die für das Jahr gewährten Langfrist-Boni (Direktvergütung) sich laut hkp auf 16,5 Millionen Euro summierten. Auf dem Konto des Amerikaners landeten - inklusive ausgezahlter Boni für die Vorjahre - sogar 40,3 Millionen Euro. Auch er rechnet 2020 mit Einbußen, weil 90 Prozent seines Gehalts erfolgsabhängig seien. "Für dieses Jahr hatten wir uns sehr ehrgeizige Ziele gesetzt", sagte Angel im "Handelsblatt". "Wegen Corona werden wir diese so kaum erreichen können - und als Folge werde ich weniger verdienen, so einfach ist das."

Auf Platz zwei der Europa-Rangliste liegt Roche-Chef Severin Schwan mit 13 Millionen Euro, dem der Pharmakonzern die höchste Festvergütung aller STOXX-Manager zugebilligt hat. Auf ein zweistelliges Millionengehalt kam sonst nur UBS-Chef Sergio Ermotti (11 Millionen). Volkswagen-Steuermann Herbert Diess rangiert mit fast 9,8 Millionen Euro hinter seinem L'Oreal-Kollegen Jean-Paul Agon, ist damit aber Europas Spitzenreiter, wenn man die Barvergütung - also Grundgehalt plus Jahres-Bonus - als Maßstab nimmt.

In diesem Jahr könnte die Rangliste nicht nur an der Spitze durcheinandergewirbelt werden. "Die Vergütungen in der Technologie- und Telekom-Branche waren immer relativ niedrig", sagte Kramarschs hkp-Kollegin Verena Vandervelt. "Das kann sich nun in der Krise komplett drehen, weil sie vom Abschwung viel weniger betroffen sein dürften als andere Branchen."

FAST EIN DRITTEL VERZICHTET IN DER KRISE AUF GEHALT

Vor allem die kurzfristigen variablen Vergütungen sind in Gefahr. Sie machten im vergangenen Jahr im Schnitt knapp ein Viertel der Chef-Gehälter aus, knapp die Hälfte entfällt auf Langfrist-Boni. "Die kurzfristigen Bonuszahlungen können auf Null sinken, die langfristigen dürften sich zumindest deutlich reduzieren", erwartet Kramarsch. Zudem haben viele Unternehmen die Vorstandsgehälter unter dem Eindruck der Krise gekürzt: 31 Prozent der 71 Konzernchefs in den Stoxx-Indizes haben bis Ende Mai auf einen Teil des Fixgehalts oder auf Boni verzichtet oder ihr Gehalt gespendet, die meisten in Frankreich und Deutschland. Teilweise ist der Bonus-Verzicht auch Auflage für Staatshilfen, wie sie etwa der Sportartikelhersteller Adidas genutzt hat.

"Kein Unternehmen wird daran genesen, dass der Vorstand auf Gehalt verzichtet", sagte Vergütungsberater Kramarsch. "Aber das zeigt Glaubwürdigkeit und wahrgenommene Verantwortung", gerade weil sich die Manager anders als in der Finanzkrise nicht schuld an der Misere fühlten.

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