Drei Fragen an Bernecker: Der Fall Lufthansa, die Chancen bei der ProSiebenSat.1-Aktie und rollt bald ein neues Gewitter auf die Aktienmärkte zu?

onvista · Uhr

Heute Fragen wir nach dem Fall Lufthansa, Chancen bei ProSiebenSat.1 und nach einem Ausblick wo der Markt in den nächsten Wochen hin tendiert.

onvista-Redaktion: Die Lufthansa hat nun wegen politischem Druck eine Liste ihrer Steueroasen veröffentlicht. Die Streitfrage ist klar: Sollen Steuerzahler einem Konzern in Not unter die Arme greifen, der sich selbst nicht an die Regeln hält? Ist mit dieser Frage die Büchse der Pandora geöffnet – und wird es in Zukunft eine strengere Handhabe mit Unternehmenssteuern geben? Und was würde das für das Geschäft der Lufthansa bedeuten, auch bei einer Teilverstaatlichung?

Die Lufthansa ist ein internationaler Flugkonzern und fliegt über 100 Länder/Flughäfen an. Aus Logistikgründen gehören dazu vielfache Tochtergesellschaften in den jeweiligen Ländern, um den dortigen Liefer- und Zahlungsbedingungen zu genügen. Das beste Beispiel ist die Vorhaltung der Kerosinlager in Eigenverantwortung (nebst Preisen), die den jeweiligen steuerlichen und sicherheitstechnischen Bedingungen entsprechen müssen. Dazu gehören jeweilige Gesellschaften in dem betroffenen Land. Gewinndrehscheiben sind es auf keinen Fall. Die Transparenz darüber ist in den laufenden Gesprächen sicherlich richtig und nützlich, aber nicht entscheidend. Was heißt Teilverstaatlichung? Paris hält 14 % an Air France. Eine entsprechende Größe des Bundes an der Lufthansa verändert weder deren Unabhängigkeit noch stellt sie in irgendeiner Form eine Beeinträchtigung dar. Es ist eine klar zu vereinbarende Übergangslösung, von der ich ausgehe, wenn dieser Fall eintritt. Die Lufthansa bleibt deshalb immer noch die Lufthansa.

onvista-Redaktion: Bei der Sendergruppe ProSiebenSat.1 ist der US-Finanzinvestor KKR wieder eingestiegen und wurde so neben dem italienischen Konkurrenten Mediaset und dem tschechischen Investor Daniel Kretinsky zum dritten großen Aktionär. Sehen Sie Potenzial in der ProSiebenSat.1 Aktie?

Bei ProSieben läuft der dritte Krimi. Der erste fand zwischen 2003 und 2006 statt und der Kurs stieg von 4 auf 30 Euro. Die zweite Auflage lief von 2009 bis 2011 und nach kurzer Pause bis 2015/16 und der Kurs stieg von 1 Euro auf 24 Euro und anschließend 50 Euro. Der dritte Krimi startete Ende letzten Jahres und läuft von 5,75 bis …. Euro. Darauf wird es nun ankommen. Mit Mediaset und Herrn Kretinsky und nunmehr KKR sind Macher am Werk. Wahrscheinlich ergänzt durch die Familie Bolloré (Frankreich) ab 2022, wenn Bolloré senior an Bolloré junior übergibt. Die Franzosen sind Besitzer des größten Musikverlages der Welt (Universal). Also: Was kann man aus ProSieben machen, wenn man Ideen hat? Alleine darauf kommt es in diesem Geschäft an, nicht auf Gewinn je Aktie und ähnliche Begriffe. In den genannten Fällen schwankte der Marktwert von ProSieben zwischen 525 Mio. € und 5,4 Mrd. €, obwohl der Umsatz sich in all diesen Jahren nur relativ bescheiden zwischen 2,6 und 3,4 Mrd. € bewegte. Bei ProSieben kommt es nun darauf an, aus der bisherigen Eingleisigkeit des TV-Geschäftes die Felder zu nutzen, die in der internationalen Kommunikation möglich sind und dies für den interessantesten und umfangreichsten Zuschauermarkt Europas, nämlich Deutschland. Dazu ist Fantasie gefragt.

onvista-Redaktion: Noch eine Frage zum Gesamtmarkt: In den USA türmen sich die negativen Analystenstimmen und auch hierzulande herrscht nervöse Lauerstellung. Die Prognosen zeichnen sinkende Unternehmensgewinne, Kreditausfälle, sinkende Aktienrückkäufe und die Konjunkturdaten ächzen ebenfalls. Plant der Markt trotzdem eine rosige Zukunft für danach ein, oder wird es nochmal kräftig bergab gehen, wie es ein großer Teil der Marktbeobachter erwartet? Was meinen Sie?

Die amerikanische Situation ist zweifellos etwas undurchsichtig. Fed-Chef Powell verlangt eine Art Konjunkturprogramm. Das ist voraussichtlich notwendig und auch finanzierbar. Alle anderen Kriterien der Aktienbeurteilung werden sich ändern, so die Beurteilung der permanenten Aktienrückkäufe, die einen Fehlgriff darstellen. Die Einbrüche der Unternehmensgewinne sind dagegen nur eine Zeitentscheidung. Etwas bedenklicher: Der größte Vermögensverwalter der Welt, Blackrock, muss sich neu positionieren. Der Gründungsaktionär stellt seine Beteiligung von 20 % zur Disposition. Blackrock ist der größte ETF-Anbieter der Welt und in seinen Fonds liegen die größten Anteile an allen größten Tech-Unternehmen und umgekehrt hängen diese Tech-Aktien von den ETF-Positionen ab. Sonst hätte es sie teilweise nicht gegeben. Eine Entflechtung dieser Überkreuzabhängigkeit enthält ein Risiko. Denn gut 20 - 22 % des gesamten S & P 500 als Marktwert bestehen aus diesen Aktienpositionen. Das zu managen wird eine besonders pikante Herausforderung für die Wall Street. So etwas nennt man Klumpenrisiken.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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