Drei Fragen an Bernecker: Ihre Einschätzung zum bisherigen Verlauf der Berichtssaison, welches Potenzial hat Linde im Bereich Wasserstoff und was würde es bedeuten wenn die US-Tech-Giganten zerschlagen werden?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach einer Einschätzung zur laufenden Berichtssaison, wie die Zukunft für Linde aussehen könnte und was eine Zerschlagung der US-Tech-Giganten bedeuten könnte.

onvista-Redaktion: Die Berichtssaison läuft auf Hochtouren und die Zahlen sind oft besser als von Analysten erwartet – Wie schätzen Sie die Märkte momentan ein? Kommen die Unternehmen doch noch solide durch die Krise?

Die Ergebnisse der Mehrheit aller Firmen sehen besser aus als befürchtet, aber können teilweise schocken. Erkennbar an den Marktreaktionen von teilweise - 5 % an einem Tag.

Zwei Besonderheiten gehören dazu: Zum einen der Einbruch in der Coronakrise, der alle betraf. Zum anderen die Fähigkeit des Managements, dies aufzufangen und einen neuen Ansatz für die Zukunft zu schaffen. Darin liegt der Qualitätstest. Die Börse hat dies mit der ersten Rally von März bis Mai richtig eingepreist. Ab jetzt muss sie nach der Konsolidierungsphase jedes einzelne Unternehmen gesondert beurteilen und darin stecken die Potenziale bis 2021/22. Dieser Weg ergibt keine  Rally, sondern einen Anstieg; Schritt für Schritt, wenn sich die einzelnen Böden in den kommenden zwei Wochen bilden.

onvista-Redaktion:  Linde ist als weltgrößter Gaskonzern ein Industrie-Schwergewicht, will aber auch im Bereich grünen Wasserstoffs führend werden. Sehen Sie Linde in dieser Position oder werden es doch eher frische, agile Unternehmen wie Nel ASA, Ballard Power und Co., die den Markt früher oder später bestimmen werden?

Wasserstoff ist das große Thema nach E-Mobility. Die Einschätzung der Potenziale ist erheblich, wahrscheinlich sogar gewaltig. In der besten Position befinden sich die Unternehmen, die entsprechende Erfahrungen haben, die Techniken der Gaserzeugung und -verwendung kennen und am besten beurteilen können, was daraus zu machen ist. Linde gehört zur ersten Kategorie. Ob Verbindungen zu den Kleineren, wie Nel ASA oder Ballard Power, für Linde sinnvoll sind, lässt sich noch nicht sagen. Für Linde spricht die Expertise in der Gastechnik und das sehr qualifizierte Duo an der Spitze. Ich habe deshalb die Linde-Perspektiven neu erweitert.

onvista-Redaktion:  Die Chefs der Tech-Giganten Google, Apple, Facebook und Amazon müssen sich in den USA einer Anhörung bezüglich ihrer großen Marktmacht unterziehen. Mal weiter gedacht – an sich wäre eine eventuelle Zerschlagung dieser großen Player vielleicht sogar wirtschaftsförderlich, doch ist es angesichts des umfassenden Handelskrieges mit China, der noch viele Jahre dauern wird, überhaupt klug, die besten Pferde im Stall zu schlachten?

Die großen Techs sind zweifellos ein riesiger Erfolg als Unternehmen, aber eine Störung für die Märkte. Das lässt sich nicht vermeiden. Ein sinnvolles Auseinandernehmen wird deshalb sowohl ein politisches als auch ein ökonomisches Thema sein. Zwei Beispiele gibt es dafür: Die Zergliederung von Standard Oil vor über 100 Jahren und das Gleiche für AT&T vor gut 40 Jahren. Damit wurden Monopolpositionen aufgelöst und der Öl- bzw. Telekommarkt deutlich entspannt. Für Unternehmen wie Amazon drängt sich dies relativ leicht auf. Für Apple wahrscheinlich ähnlich in zwei Teilen, aber für Google und Facebook wird dies sehr schwierig. Gleichwohl: Monopolpositionen vertragen sich nicht mit freien Märkten, aber es kommt auf die sinnvolle Art an, wie man dies macht. Mit China hat dies nichts zu tun. Aus der Erinnerung: Sowohl in beiden Verfahren, Standard Oil und AT&T, ergab sich aus der Summe aller Folgefirmen, die jeweils über Spin-off-Konstrukte weitergegeben wurden, ein höherer Wert, als er bei der jeweiligen Ausgangslage an der Börse notierte. Das kann spannend werden.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Titelfoto: Bernecker

www.bernecker.info

Meistgelesene Artikel