Drei Fragen an Bernecker: Ihre Einschätzung zum Wirecard-Drama, wie viel Potenzial hat Bayer und lohnt jetzt mit wachsendem Interesse der institutionellen Investoren ein Blick auf Bitcoin?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Heute fragen wir nach Herrn Berneckers Einschätzung zur Causa Wirecard, wie viel Potenzial er in der Bayer-Aktie sieht, jetzt wo das Thema Glyphosat vom Tisch ist und ob er auf die Bitcoin-Welle springen würde.

onvista-Redaktion: Was für ein Drama um Wirecard! Bilanzfälschungen in Milliardenhöhe, ein historischer Absturz der Aktie, Markus Brauns Abgang und ein elend langer Rattenschwanz an weiteren Problemen. Was sagen Sie zu diesem riesigen Schlamassel? Ist die Aktie nur noch Gift oder könnte man doch noch einsteigen?

Der Fall Wirecard ist gewiss ein seltenes Vorkommnis, aber es gehört zu einem freien und genügend großen Markt, dies zu verkraften. Seit ca. 2 Jahren wird umfangreich darüber spekuliert, welche Zahlen und Fakten richtig oder infrage zu stellen sind. Alle zuständigen Behörden oder Prüfungsinstitutionen saßen also am Tisch. Die Kursziele großer Investmentadressen gingen zeitweise bis 230 € und sogar darüber, denen ich nie gefolgt bin. Erst bei rd. 80 € habe ich eine Anfangsposition für vertretbar gehalten. Selbst das war falsch. Also:

Wirecard ist ein gutes Beispiel dafür, wie man rasant wachsende Unternehmen positiv begleitet, aber sicher sein muss, dass die Prüfungsbehörden dies auch tun.

Aktuell: Wirecard beantragte am Donnerstag, 10.10 Uhr, Insolvenz. Damit ist die Story zu Ende. Wirecard ist ein Beispiel dafür, wie in den modernen Märkten moderne Ideen, Techniken und Geschäftsfelder entwickelt werden, wofür es Kapital benötigt und mithin Aktionäre. Die Amerikaner sind ein Beispiel dafür. Nicht jedes Investment dieser Art geht positiv auf, aber es reicht, bei der Mehrheit dabeizubleiben und die Entwicklung solcher Firmen genau zu verfolgen. Mit kaufen und einfach warten geht es nicht.

onvista-Redaktion: Bayer glänzt mit guten Nachrichten im Glyphosat-Streit. Eine endgültige Lösung ist endlich in Sicht. Wenn die Aktie diesen Ballast endlich abgeworfen hat, wie hoch dürfte dann das Potenzial sein?

Der Bayer-Fall ist erledigt. Der Preis ist hoch, aber vertretbar. In New York rechnet man etwas anders als in Frankfurt: Das Bayer-Stammgeschäft und Monsanto ergeben zusammen einen Konzern für HealthCare und Agrarchemie. Das ergibt nach New Yorker Rechnung eine Bewertung für den Konzern von rd. 90 Mrd. € ex Vergleichszahlung, aktueller Wert rd. Um 70 Mrd. €, so dass eine Bewertungsreserve von rd. 30 % entsteht. Diese lässt sich nicht kurzfristig, sondern nur über einen längeren Zeitraum realistisch darstellen. Damit gibt es für Bayer einen positiven Trend, aber keinen schnellen Lauf.

onvista-Redaktion: Der Hype um Bitcoin ist längst nicht mehr so präsent wie zu der Hochphase 2017/18 – Tot zu kriegen ist die Kryptowährung jedoch auch nicht, im Gegenteil, sie segelt bisher recht solide durch diese stürmischen Zeiten – und in 2020 ist das auch Interesse der institutionellen Investoren immer größer geworden, das Kapital von dieser Seite fließt nun fleißig in das Asset – wie sieht es denn bei Ihnen aus? Spielen Sie mit?

Bitcoin entstand als gedachte zweite Währung. Der Erfinder Satoshi Nakamoto kombinierte genial mathematische Kenntnisse mit Machbarkeit im Computer. Daraus entstand inzwischen eine umfangreiche, aber begrenzte Mitgliedergemeinde inklusive der sog. Bitcoin-Wale als größte Teilnehmer in diesem Markt. So weit, so gut. Worin liegt der ökonomische Nutzen? Bitcoin als Ersatz für das Weltwährungssystem ist schlichte Utopie. Dennoch müssen sich Notenbanken und Banken mit diesem Thema beschäftigen, weil es umfangreiche Querverbindungen geben kann und gibt, die das Währungssystem unterlaufen können. Als Verschiebebahnhof für fragwürdiges Geld ist Bitcoin sehr nützlich. Für seriöse Überlegungen ist es dies nicht.

Immerhin: Analysten verschiedener Art rechnen für Bitcoin mit Zielkursen von 100.000, dann 200.000 und vor ein paar Tagen sogar 300.000 $. Eine Begründung dafür gibt es natürlich nicht, aber offenbar Meinungen. Was soll man damit anfangen? Wer zu viel Geld hat, leistet sich ein Stück für rd. 9.000 $ und hat dann das kribbelnde Gefühl, dabei zu sein. Wenn es weg ist, ist es weg, doch auch das Gegenteil ist immerhin möglich. Bitcoin ist wie ein Jeton auf dem Roulettetisch.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

www.bernecker.info

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