Drei Fragen an Bernecker: Wie dünn ist das Eis für Grenke, was bedeutet der ARM-Kauf für Nvidia und kann die EU einen Deal auf Augenhöhe mit China abschließen?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

In unserer heutigen Ausgabe wollen wir wissen, ob die EU mit China wirtschaftlich einen Vertrag auf Augenhöhe für die Zukunft schließen kann, oder ob China die Hebel in der Hand hat. Dazu fragen wir noch nach einer Einschätzung zur Übernahme von ARM durch Nvidia und natürlich nach dem jüngsten Aufreger um Grenke.

onvista-Redaktion: Das Wirecard-Beben ist noch nicht lange her und schon gibt es wieder neue Fälle von Bilanzbetrugsvorwürfen. Ein Analysehaus namens Viceroy Research hat nun Vorwürfe gegen Grenke vorgetragen und die Aktie geshortet. Wie schätzen Sie die Sache ein?

In Sachen Grenke bewegt sich jeder auf dünnem Eis. Die Vorwürfe des Analysehauses Viceroy Research stehen im Raum. Über die Person von Herrn Grenke und seine anerkannte Seriosität äußerte sich am Donnerstag die FAZ ausführlich. Der Markt reagierte nach dem Wirecard-Beben verständlich überreizt. Worin liegt die Wahrscheinlichkeit? Ein Fall Wirecard ist zumindest unwahrscheinlich. Ganz ohne Grund werden die Amerikaner jedoch nicht handeln. Ein erheblicher Grund liegt unter anderem darin, dass deutsches HGB-Recht und IFRS-Regeln nicht deckungsgleich sind. Daraus entstehen unterschiedliche Interpretationen bestimmter Bilanzpositionen. Wirtschaftsprüfer kennen das Thema. In dieser Situation gibt es keine klare Kauf- und keine klare Verkaufsentscheidung. Echte Spekulanten ziehen ein Lotterielos. Das machte TB-Daily am Donnerstag mit einer Long-Position. Natürlich begrenzt, aber wörtlich wie im Lotto: Alles weg oder alles drei- oder vierfach. Das ist die Wochenendwette.

onvista-Redaktion: Dass Nvidia den Chipzulieferer ARM aufkaufen möchte, könnte aufgrund der einzigartigen Stellung des Unternehmens als neutraler Technologielieferant die ganze Branche nachhaltig verändern. Wie sehen Sie den Deal? Und wird er Ihrer Meinung nach überhaupt durchgewunken?

Nvidia nimmt 40 Mrd. Dollar in die Hand, um einen der wichtigsten Chipdesigner zu kaufen. Damit gewinnt Nvidia offensichtlich eine zentrale Rolle in der weiteren Entwicklung dieser Chips und deren Verwendung als einer der wichtigsten Zulieferer/Ausrüster in der Kommunikationstechnik bis zum Begriff KI. Der Gründer von ARM, Herr Hauser aus Österreich, hat dagegen Bedenken. Nicht ohne Grund: Die Amerikaner gewinnen mit ARM einen wichtigen Marktanteil. Wahrscheinlich die Leaderposition. Der bisherige Besitzer (Softbank) hatte lediglich darauf gewettet, was ARM Holding wert sein kann, ohne selbst die Entwicklung in die Hand zu nehmen. Nvidia beweist mit diesem Deal Sinn für die Zukunft.

onvista-Redaktion: Mit dem derzeit zu verhandelnden Investitionsabkommen versucht die EU mit China wirtschaftlich mehr auf Augenhöhe zu kommen. Ist die Ausarbeitung der Beziehung vielleicht das wichtigste Projekt für die EU überhaupt, wenn man auf die nächsten Jahrzehnte blickt? Und was, wenn es scheitern würde?

China und EU können auf Augenhöhe kaum miteinander sprechen. Die Dynamik von 1,4 Mrd. Menschen ist mit der deutlich geringeren Dynamik der Europäer (zusammen 380 Mio.) schlicht nicht zu vergleichen. Also kann die EU nur versuchen, mit vernünftigen Deals einvernehmliche Lösungen entweder für die Zusammenarbeit oder für Investitionen zu erreichen, um mit dem Tempo der Chinesen mitzuhalten. Was heißt Tempo? Die Chinesen haben es in den letzten 30 Jahren erreicht, in vielen Fällen der Internettechnik als Sammelbegriff mit den Amerikanern fast auf Augenhöhe zu kommen. In keinem einzigen Fall ist den Europäern das Gleiche gelungen. Darin zeigt sich der Unterschied.

Für die Chinesen sind alle Verträge Absichtserklärungen und keine rechtlich bindenden Vereinbarungen mit Klagerecht. Das bedeutet, dass sie jederzeit zu Interpretationen bereit und fähig sind, um einen Vorteil zu erreichen. Das lehrte schon Konfuzius. Zum Trost für die Europäer, was schon Charles de Gaulle schon einmal bezüglich internationaler Verträge formulierte: „Solche Verträge sind wie schöne Rosen oder hübsche Mädchen…. vergänglich.“

Vielen Dank für Ihre Antworten!

Foto: Bernecker

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