Erdogans Währungskrise: Lira beschleunigt Sinkflug – Türkische Aktien im Bärenmarkt-Modus

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Knapp einen Monat vor der anstehenden Präsidentschaftswahl in der Türkei verliert der türkische Aktienindex ISE National 100 immer mehr an Wert. Seit seinem Hoch am 29.01.2018 bei 121.531 Punkten fiel der Index um 15,9 Prozent auf 102.257 Punkte. Um von einem klassischen „Bärenmarkt“, welcher sich durch einen Kursrückgang von mindestens 20 Prozent definiert, zu sprechen, fehlt nicht mehr viel.

Auch die Lira, die Landeswährung der Türkei steht massiv unter Druck. Seit Jahresanfang hat der Euro gegenüber der Lira 18,86 Prozent an Wert gewonnen, aktuell erhält man für einen Euro 5,4010 Türkische Lira – ein neuer Rekord.

Für den Verfall der türkischen Landeswährung gibt es verschiedene Gründe. Fachleute nennen als zentralen Grund steigende Kapitalmarktzinsen in den USA. Aktuell erhalten Anleger für zehnjährige US-Staatsanleihen einen Zinssatz von über drei Prozent. Dies führt dazu, dass die Anleger ihr Kapital aus vielen Schwellenländern abziehen. Zuvor hatten die historisch niedrigen Zinsen in Industrieländern lange Zeit viel Geld internationaler Investoren in Schwellenländer wie die Türkei gelockt. Die schrittweisen Leitzinserhöhungen in den USA und eine potenzielle Abkehr vom Krisenmodus der europäischen Geldpolitik lässt nun umgekehrt wieder Geld aus Schwellenländern abfließen. Die Türkei ist von dieser Entwicklung besonders betroffen.

Bestärkt wurde die Lira-Talfahrt jüngst durch Äußerungen des türkischen Staatspräsidenten. In einem Interview hatte Erdogan bekannt gegeben, dass er nach der Präsidentenwahl seinen Einfluss gegenüber der Zentralbank ausweiten wolle. Erdogan ist strikt gegen höhere Leitzinsen. Fachleute fordern diese jedoch, um die hohe Inflation in der Türkei in den Griff zu bekommen. Für sie ist dies dringend notwendig, da die türkische Inflation laut Statista seit 2017 mit über 11 Prozent sehr hoch ist.

Ein weiterer Faktor, der starken Einfluss auf die Währung nimmt, ist die Handelsbilanz der Türkei. Die schwache Landeswährung verteuert die Importe, was sich besonders in einem Land, dessen Einfuhren die Ausfuhren chronisch übersteigen, bemerkbar macht. Statista zufolge betrug das Handelsbilanzdefizit 2017 76,87 Milliarden Dollar, allein im März 2018 lag es bei 4,8 Milliarden Dollar.

Erdogan bleibt weiterhin der Favorit für den Präsidentschaftsposten. Die zunehmenden wirtschaftlichen Probleme werden jedoch mehr und mehr von der türkischen Bevölkerung wahr- und ernstgenommen. Viele Marktteilnehmer scheinen das Vertrauen in den wirtschaftspolitischen Kurs des Präsidenten zu verlieren und das könnte zum weiteren Abwärtstrend der Lira führen. Es bleibt abzuwarten, wie Erdogan die wirtschaftlichen Herausforderungen aufnimmt und er sein Land aus der Währungskrise herausführen möchte.

CHe/ dpa-AFX

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