Frühere WHO-Chefin kritisiert China und nimmt WHO in Schutz

dpa-AFX · Uhr

HAMBURG/GENF (dpa-AFX) - Das Krisenmanagement Chinas nach dem Ausbruch des Coronavirus war nach Ansicht der früheren Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Gro Harlem Brundtland, mangelhaft. "Die Verantwortlichen dort waren zu langsam, haben zu spät informiert", sagte Brundtland dem "Spiegel". "Am schlimmsten war, dass es lange gedauert hat, bis sie die Ansteckung von Mensch zu Mensch eingeräumt haben." Das sei schon lange vor der offiziellen Mitteilung am 20. Januar erkennbar gewesen.

Solche Vorwürfe hat auch US-Präsident Donald Trump gegen China erhoben. Er wirft dem Land vor, es habe dadurch verhindert, dass die Ausbreitung des Virus rechtzeitig gestoppt werden konnte. Trump attackiert deshalb auch die WHO. Sie habe zu lange auf Angaben aus China vertraut und sei deshalb mit verantwortlich für die Pandemie. Er hat die Zusammenarbeit mit der WHO aufgekündigt.

Brundtland nahm die WHO dagegen in Schutz. Sie sei auf die Zuarbeit der Mitgliedsländer angewiesen. "Die Experten der WHO haben von Anfang an darauf gedrängt, mehr aus China zu erfahren. Wäre es klug gewesen, größeren Druck auf Peking auszuüben? Schwer zu sagen." Trump hatte Brundtland in seinem Beschwerdebrief an die WHO lobend erwähnt. Sie hatte als WHO-Chefin 2003 Druck auf China ausgeübt, weil das Land die Sars-Epidemie "vertuschen" wollte, wie Brundtland es jetzt nannte. "Die Welt hat sich seit 2003 dramatisch verändert", sagte sie dem "Spiegel". "China ist viel stärker geworden. Wer das Land öffentlich kritisiert, so wie ich es damals getan habe, riskiert heute, dass es sich zurückzieht."

Brundtland (81) war Ärztin. Sie war von 1998 bis 2003 WHO-Chefin und in den 80er und 90er Jahren dreimal Ministerpräsidentin von Norwegen./oe/DP/stw

Neueste exklusive Artikel