Grenke-Aktien stürzen erneut ab - "Angst vor zweitem Wirecard-Fall"

Reuters · Uhr

Frankfurt (Reuters) - Die vom britischen Finanzinvestor Fraser Perring angegriffene Leasingfirma Grenke kann ihre Anleger nicht beruhigen.

Die Aktien des in der zweiten Börsenliga MDax notierten Konzerns brachen am Mittwoch erneut ein und verloren rund 40 Prozent an Wert. Innerhalb von zwei Handelstagen wurde rund eine Milliarde Euro an Börsenwert vernichtet. Grenke wies die von Perring gemachten Vorwürfe der Bilanzfälschung und des Betrugs am Dienstagabend "aufs Schärfste" von sich, war am Mittwoch für weitere Stellungnahmen aber nicht erreichbar. Die Finanzaufsicht BaFin und die Bilanzkontrolleure der DPR schauen sich die Vorgänge bei Grenke genauer an.

Anleger trieb nach Meinung von Börsianern vor allem die Sorge vor einem zweiten Fall Wirecard um. "Bei Investoren überwiegt die Angst, nach dem Wirecard-Skandal erneut auf eine kuriose Buchhaltung hereinzufallen", sagte ein Händler. Der Zahlungsabwickler musste im Juni nach Bekanntwerden von milliardenschweren Luftbuchungen Insolvenz anmelden, Anleger verloren Milliarden. Perring war einer der Investoren, die vor einigen Jahren auf Unregelmäßigkeiten in den Bilanzen des ehemaligen Dax-Konzerns hingewiesen haben.

Perring macht Grenke in einem 64-seitigen Analystenreport seiner Firma Viceroy Research schwere Vorwürfe - gleichzeitig wettet er nach eigenen Angaben auf einen Kursverfall der Aktien. Am Dienstag waren die Grenke-Titel mit einem Abschlag von 19 Prozent aus dem Handel gegangen. Die 1978 gegründete Firma mit Sitz in Baden-Baden, die ihr Geld mit der Vermietung von Büroausstattung und IT-Ausrüstung verdient, will gerichtlich gegen Perring vorgehen. Insbesondere sei falsch, dass ein Großteil der ausgewiesenen liquiden Mittel von 1,08 Milliarden Euro nicht existiere, hatte sie erklärt. Fast 80 Prozent davon - 849 Millionen - hätten Ende Juni bei der Deutschen Bundesbank gelegen.

FINANZMINISTERIUM VERTRAUT DER BAFIN

Das Bundesfinanzministerium vertraut bei der Aufklärung der Vorwürfe gegen Grenke der untergeordeten Behörde BaFin, wie ein Sprecher des Ministeriums sagte. Die Finanzaufsicht werde alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, dazu gehöre etwa die Möglichkeit einer aufsichtsrechtlichen Sonderprüfung. Der Präsident der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), Edgar Ernst, sagte zu Reuters, die DPR schaue sich den Fall Grenke an und sei in einger Abstimmung mit der BaFin.

Die DPR war wegen des Bilanzskandals bei Wirecard unter Druck geraten. Die BaFin hatte die DPR im Februar 2019 mit der Prüfung der Wirecard-Bücher beauftragt, bis zur Insolvenz des Zahlungsabwicklers im Juni 2020 lagen aber noch keine Ergebnisse vor. Die DPR durchforstet mit 15 Wirtschaftsprüfern die Bilanzen von rund 550 börsennotierten Unternehmen. Vor allem macht sie Stichproben, sie wird aber auch aktiv, wenn es konkrete Verdachtsfälle oder Prüfaufträge der BaFin gibt.

Perring ist ein sogenannter Short-Seller, ein Leerverkäufer. Diese Art der Aktiengeschäfte sind an der Börse ein gängiges Mittel. Investoren verkaufen Wertpapiere, die sie sich zuvor gegen eine Gebühr von anderen Marktteilnehmern geliehen haben. Sinkt der Aktienkurs bis zum Rückgabe-Datum, können sie sich am Markt billiger mit den Titeln eindecken und streichen die Differenz ein. Steigt der Kurs, droht den Leerverkäufern ein Verlust. Vor zwei Jahren hatte Perring auch gegen den Fernseh-Konzern ProSiebenSat.1 Vorwürfe erhoben und parallel dazu auf einen Kurssturz gewettet. Damals hatte er sich Ärger mit der BaFin eingehandelt und die Staatsanwaltschaft München hatte ermittelt.

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