Hypoport: Ein stiller Gewinner in der Corona-Krise? So sehen Analysten die Aktie

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Krise? Welche Krise? Während Banken, Versicherer und andere Unternehmen wegen der Coronavirus-Pandemie reihenweise ihre Gewinnziele gestrichen haben, steuert der Finanzdienstleister Hypoport 2020 weiter auf mehr Umsatz und Gewinn zu. Im ersten Quartal sprangen die Erlöse sogar auf einen Rekordwert. Was bei dem Unternehmen los ist, was Analysten sagen und was die Aktie macht:

So sieht es aus beim Unternehmen

Große Banken stocken wegen der Pandemie-Folgen die Risikovorsorge für Kreditausfälle auf. Versicherungskonzerne verabschieden sich wegen hoher Schadenforderungen und der Turbulenzen an den Finanzmärkten von ihren Gewinnzielen für 2020. Doch Hypoport – auf ähnlichen Märkten aktiv, aber in einer anderen Rolle als die klassischen Finanzriesen – rechnet derzeit kaum mit Problemen für das eigene Geschäft.

Die Kredit-, Wohnungs- und Versicherungswirtschaft in Deutschland sei „traditionell recht autark gegenüber kurzfristigen Konjunkturentwicklungen“, sagte Vorstandschef Ronald Slabke, als der Konzern vor rund zwei Wochen seine Zahlen für das erste Corona-Krisenquartal vorlegte. Wenn überhaupt, reagierten sie erst spät auf entsprechende Marktentwicklungen. Außerdem könne Hypoport als Technologieunternehmen durch deutliche Effizienzvorteile gegenüber traditionellen Wettbewerbern seine Marktanteile ausbauen.

Bei Hypoport dreht sich alles ums Thema Digitalisierung. Die Holding, die in Lübeck sitzt und aus Berlin operiert, zählt zu den Großen der deutschen Fintech-Branche. Im Firmennetz tummeln sich Unternehmen, die digitale Lösungen für die Kreditwirtschaft, den Wohnungsmarkt und für Versicherungen anbieten – und damit durchaus erfolgreich sind. Der Umsatz stieg im vergangenen Jahr um 27 Prozent auf 337 Millionen Euro, der Überschuss legte um neun Prozent auf mehr als 24 Millionen Euro zu.

Das ertragsstärkste Segment, die Kreditplattform, ist auf die digitale Abwicklung von Kreditgeschäften spezialisiert. Größtes Zugpferd ist der B2B-Kreditmarktplatz Europace. Dort können Finanzberater aus einer Vielzahl von Bausparverträgen und anderen Finanzierungsprodukten auswählen, die Banken und Versicherungen dort feilbieten. Dazu gehören auch Teilmarktplätze für Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Weil klassische Kreditinstitute ihr Filialnetz immer weiter eindampfen, entsteht ein Vakuum im Vertrieb, das Europace als B2B-Plattform nutzt.

Im zweitstärksten Segment Privatkunden unterhält Hypoport unter dem Namen Dr. Klein einen Finanzvertrieb mit mehr als 600 Beratern. Sie vermitteln Baufinanzierungen, Versicherungen und Ratenkredite an Verbraucher – und schließen Geschäfte auch über Europace ab. Die Hypoport-Sparten Immobilienplattform und Versicherungsplattform sind zwar deutlich kleiner als die beiden Hauptbereiche, wuchsen prozentual zuletzt aber umso stärker.

Mit Blick auf 2020 sieht die Hypoport-Führung bisher keinen Grund, an ihren Finanzzielen zu zweifeln. So soll der Umsatz auf 400 Millionen bis 440 Millionen Euro zulegen – ein Wachstum zwischen rund 19 und knapp 31 Prozent. Beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) wird mit einem Anstieg von 33 Millionen auf 35 bis 40 Millionen Euro gerechnet. Im ersten Quartal legte der Umsatz bereits um 28 Prozent zu.

Unterdessen investiert das Unternehmen kräftig. Im März übernahm Hypoport knapp die Hälfte an AMEXPool, eine Gruppe von Versicherungsmaklern – samt der Option, die Freiburger Gesellschaft in einigen Jahren komplett zu schlucken. Schon vor der Corona-Krise gab es unter Beobachtern jedoch Zweifel, ob Hypoport den steilen Wachstumskurs auf Dauer durchhält. So dürften sich die Rekordgeschäfte am deutschen Immobilienmarkt von 2019 aller Voraussicht nach so schnell nicht wiederholen. Schon gar nicht im Corona-Krisenjahr 2020.

So läuft die Aktie

Der Kurs der Aktie kennt seit Jahren im Grunde nur eine Richtung – die nach oben. Einzige größere Ausnahme war der Corona-Crash zu Beginn dieses Jahres, aber selbst diese Delle konnte das Papier inzwischen mehr als ausbügeln. Seit Mitte März ging es wieder kräftig nach oben, und Anfang dieser Woche erreichte die Aktie mit 394 Euro abermals ein Rekordhoch. Mittlerweile steht die Aktie somit gut 7 Prozent höher als vor dem Crash im März.

Seit Ende 2019 hat die Hypoport-Aktie um rund ein Viertel zugelegt und war damit einer der stärksten Werte im SDax. Noch besser sieht es bei der längerfristigen Entwicklung aus. So hat sich der Kurs seit Mai vergangenen Jahres verdoppelt. Binnen fünf Jahren ist der Wert der Aktie sogar auf das 15-Fache gestiegen.

2015 war das Jahr, in dem der 2007 an die Börse gebrachte Finanzdienstleister aus dem Schattendasein heraustrat, das er bis es dahin am Kapitalmarkt gefristet hatte. Für den Aktienkurs ging es in dem Jahr von etwas mehr als zehn Euro auf 80 Euro nach oben – Lohn dafür war der Aufstieg in den SDax.

Seitdem zog der Kurs weiter kräftig an. Inzwischen ist das Unternehmen, das aus der Fusion der 1954 gegründeten Dr. Klein & Co. AG und der Europace AG entstanden ist, an der Börse rund 2,5 Milliarden Euro wert und gehört damit im SDax fast schon zu den Top Ten. Damit ist der Finanzdienstleister an der Börse mehr wert als Aareal Bank und Deutsche Pfandbriefbank zusammen.

Die beiden im MDax notierten Finanzierer von gewerblichen Immobilien kommen nach dem jüngsten Kursrutsch ihrer Papiere zusammen gerade noch auf einen Börsenwert von knapp 1,8 Milliarden Euro. Die seit der Finanzkrise teilverstaatlichte Commerzbank ist mit rund vier Milliarden Euro hingegen deutlich höher bewertet als Hypoport.

Größter Nutznießer des kräftigen Kursanstiegs ist Unternehmenschef Slabke, der knapp 35 Prozent der Hypoport-Anteile hält. Sein Paket kommt derzeit auf einen Wert von fast 900 Millionen Euro. Slabke hatte als Geschäftsführer bei Dr. Klein angefangen und Hypoport 1999 in einem von ihm organisierten sogenannten Management-Buyout übernommen.

Das sagen die Analysten

Bisher steht Hypoport nur bei wenigen Branchenexperten im Fokus. Und nach der jüngsten Kursrally trauen die sechs von Bloomberg erfassten Analysten, die sich in jüngster Zeit mit der Aktie beschäftigt haben, keine großen Sprünge mehr zu. Ihr durchschnittliches Kursziel liegt bei 335 Euro und damit deutlich unter dem aktuellen Niveau. Doch der Durchschnitt täuscht darüber hinweg, wie unterschiedlich Experten die Aussichten einschätzen.

So setzte Analyst Gerhard Orgonas von der Privatbank Berenberg sein Kursziel für die Hypoport-Aktie vor wenigen Tagen von 340 auf 390 Euro nach oben und rät weiterhin zum Kauf der Papiere. Die guten Quartalszahlen seien ein Beleg für die Widerstandsfähigkeit von Hypoports Geschäftsmodell, begründete er den Schritt.

Sein Kollege Marius Fuhrberg von Warburg Research geht von einem Kurs von 395 Euro aus, und Pareto-Analyst Philipp Häßler setzte sein Ziel in einem Schritt von 300 auf 400 Euro herauf – wegen der aus seiner Sicht intakten, guten Wachstumsaussichten. Etwas verhaltener sind die Analysten von Commerzbank und Metzler, die die Aktie derzeit jeweils mit „Halten“ einstufen.

Ganz anders schätzt Simon Bentlage von der Investmentbank Hauck & Aufhäuser die Lage ein. Mit seinem Kursziel von 160 Euro liegt er rund 60 Prozent unter dem aktuellen Börsenkurs der Hypoport-Aktie. Er sieht in dem Quartalsbericht den nachrichtlichen Höhepunkt für den Finanzdienstleister und dessen Aktien.

Bentlage erwartet, dass der Markt für Immobilienkredite nicht mehr so stark wächst wie zuletzt. Im umkämpften Versicherungssegment könne sich das Unternehmen zudem zu wenig von anderen abheben. Folgerichtig rät er dazu, die Hypoport-Aktie abzustoßen.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: everything possible / Shutterstock.com

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