Italien: Die Aussichten werden immer düsterer – Nächste Krise für die EU vorprogrammiert?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Zwischen Handelskrieg und Brexit hat sich die italienische Regierung mit der EU auf einen sehr wackeligen Haushaltsplan geeinigt. Damit war das Thema für die meisten abgehakt. Aus den Medien, aus dem Sinn. Doch der abgesegnete Haushalt der Italiener steht schon nicht mehr auf wackeligen Beinen, sondern viele Experten gehen davon aus, dass ihm schon der Boden unter den Füßen weggerissen wurde. Die Aussichten für Italien sind mittlerweile weit entfernt von den ursprünglichen Planungen der Regierung.

Das Unheil könnte seinen Lauf nehmen

Bei den Südländern braut sich ein düsteres wirtschaftliches und politisches Gebräu zusammen. Die Einigung mit der EU-Kommission im Haushaltsstreit im Dezember hat nur für eine kurzzeitige Erleichterung gesorgt. Das Wachstumsproblem, unsolide Staatsfinanzen und die europakritische Regierung rufen bei Beobachtern Sorgenfalten hervor. Ökonomen sehen zumindest auf mittlere Sicht die Gefahr einer schweren Schuldenkrise in der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone.

So wurde in Rom geplant

Die Regierung hatte für das laufende Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent in Aussicht gestellt. Dies klingt angesichts einer sich in Europa und der Welt merklich abschwächenden Konjunktur traumhaft gut. Tatsächlich ist die italienische Wirtschaft aber im dritten und vierten Quartal 2018 in eine Rezession gerutscht. Das geplante Wirtschaftswachstum der Regierung in Rom ist daher eher utopisch.

Keiner rechnet mehr mit den italienischen Zahlen

An die Voraussagen der Regierung glaubt mittlerweile niemand mehr. Laut den Prognosen der EU-Kommission wird Italien mit einem Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes (BIP) von 0,2 Prozent in diesem Jahr das Schlusslicht beim Wachstum in der Eurozone sein. Die Wirtschaftspolitik der Regierung und der Haushaltsstreit mit der EU haben Zweifel an der wirtschaftlichen Zukunft des Landes genährt. Zudem dürften die Haushaltsversprechen gegenüber der EU nicht zu halten sein, falls die Regierung an ihrem wirtschaftspolitischen Kurs festhält und die Konjunkturschwäche anhält.

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Die Umsetzung der teuren Wahlversprechen der Regierung hat das Wachstum nicht angekurbelt, sondern die Verunsicherung erhöht. Belastend wirkt sich zudem die Abschwächung der Weltwirtschaft aus. Italien hat mit einem Schuldenstand von 130 Prozent im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt den höchsten Wert in der Eurozone nach Griechenland.

Wirtschaft und Regierung wackelt

Neben den wirtschaftlichen Problemen dominieren politische Turbulenzen das Geschehen. Die beiden Regierungsparteien Lega und die Fünf-Sterne-Beweguung streiten sich in vielen wichtigen Fragen. Während die Zustimmung für Lega-Chef Matteo Salvini immer mehr steigt, gerät die Fünf-Sterne-Bewegung in Umfragen unter Druck. Die jüngsten Regionalwahlen haben diesen Trend bestätigt. Die Lega profitiert von der harten Flüchtlingspolitik. Luigi di Maio, Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, versucht jetzt mit heftigen und undiplomatischen Angriffen auf Frankreich Boden gut zu machen. Viele Ökonomen erwarten ein Auseinanderbrechen der Regierung nach den Europawahlen im Frühjahr.

Regierung geht auf fast alles los

Da äußere Feinde offenbar nicht reichen, wurde jetzt auch noch ein Konflikt mit der italienischen Notenbank geschürt. So will die Regierung die Führungsriege der italienischen Notenbank austauschen. Zudem sollen möglicherweise die bei der Notenbank liegenden Goldreserven dem Parlament unterstellt werden. Dies würde nicht nur die Unabhängigkeit der Notenbank in Frage stellen, sondern könnte auch einen Konflikt mit der Europäischen Zentralbank (EZB) auslösen.

Werden jetzt die Goldbestände versilbert?

Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini hat Anfang der vergangenen Woche den Verkauf der Goldreserven zum Stopfen von Haushaltslöchern ins Spiel. „Das ist keine Angelegenheit, die ich verfolge, aber es könnte eine interessante Idee sein“, sagte der Politiker von der rechten Lega am Montag zu Reportern in Rom. Zuvor hatte die Zeitung „La Stampa“ berichtet, dass die Regierung den Verkauf eines Teils der von der Notenbank gehaltenen Goldreserven erwäge, um eine Korrektur der Haushaltspläne für das laufende Jahr und eine Mehrwertsteuererhöhung 2020 zu vermeiden.

Die Lage wird immer verzwickter

Italien ist ein bevorstehender Unfall“, so Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank. Das Land könne sich zwar noch einige Jahre durchwursteln, ohne dass es zu einer größeren Schuldenkrise komme. Die Gefahr steige jedoch, falls es im Jahr 2019 zu einer unerwarteten harten Rezession komme oder zu größeren Regierungsfehlentscheidungen.“ Italien werde entweder zu einer reformorientierten Politik zurückkehren, oder es stehe eine schwere Krise wie in Griechenland bevor.

Märkte bleiben noch gelassen

Zuletzt sind die Risikoaufschläge für italienische Anleihen sogar etwas gesunken. Marktteilnehmer spekulieren nach den jüngsten Regionalwahlen offenbar auf ein Ende der Koalition und bei Neuwahlen auf einen Wahlsieg der Lega. Der vor allem in ökonomisch starken Norditalien beheimatete Lega wird offenbar eine größere Wirtschaftskompetenz zugetraut. Experten schließen jedoch einen erneuten starken Anstieg der Renditen für italienische Staatsanleihen nicht aus, wie dieser auch schon während dem Haushaltsstreit mit der EU-Kommission zu beobachten war.

Ende offen

Ob die Koalition zerbricht oder einlenkt ist aktuell noch offen. Allerdings gilt für Italien ähnliches wie für den Brexit. Das Problem ist bekannt, aber niemand rechnet aktuell mit einem Unfall. Der Dax ist in der vergangenen Woche über 2 Prozent ins Plus marschiert. Das gab es schon etwas länger nicht mehr. Das zeigt, dass eigentlich keiner davon ausgeht, dass Italien in eine ernsthafte Krise schlittern könnte. Ein ähnliches Szeanario wie beim Brexit. Der 29. März kommt unaufhaltsam näher, doch ein harter Brexit ist für die Makrtteilnehmer genauso weit entfernt wie der Pluto von der Erde.

Von Markus Weingran/dpa-AFX

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Bild: ESB Professional / Shutterstock.com

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