Kommt doch noch die „Big Rotation“?

Stefan Riße · Uhr (aktualisiert: Uhr)

„Big Rotation“ war eines der Schlagwörter vor rund vier Jahren an den Börsen. Allgemein stellten sich die Marktteilnehmer und Kommentatoren die Frage, ob aufgrund der ja damals schon bei null liegenden Leitzinsen nicht riesige Anlagebeträge aus den festverzinslichen Anlagen und Wertpapieren in Aktien fließen würden. Schließlich brachten Aktien zum Beispiel gemessen am DAX eine durchschnittliche Dividendenrendite von drei Prozent. Selbst zehnjährige deutsche Staatsanleihen rentierten damals nur noch zwischen null und 0,5 %.

Auch bei einem 50-prozentigen DAX-Anstieg wären Aktien billig

Die Überlegung war eine einfache. Würde der DAX noch einmal um 50 % klettern, läge die durchschnittliche Dividendenrendite immer noch bei zwei Prozent, was immer noch weitaus attraktiver als jede sichere festverzinsliche Anlage gewesen wäre. Gemessen am Kurs/Gewinn-Verhältnis waren Aktien historisch betrachtet wie auch heute in Europa fair und in den USA leicht überbewertet. Schaute man sich allerdings Bewertungsmodelle an, die den Zins mit einbezogen, drehte sich das Bild sofort und Aktien waren spottbillig.

Die Big Rotation blieb aus

Die große Rotation heraus aus Anleihen und hinein in Aktien blieb jedoch aus. Das Schlagwort „Dividende ist der neue Zins“ bewahrheitete sich insofern nicht, als dass die Anleger nicht bereit waren, der Aktie eine höhere als ihre historische Bewertung zuzugestehen, eben weil Anlagealternativen fehlten. Im Vergleich zum Jahr 2000 auf dem Höhepunkt der Internet-Blase hatte der DAX nur eine Dividendenrendite von 1,5 % zu bieten, während zehnjährige Staatsanleihen der Bundesrepublik Deutschland noch fünf Prozent abwarfen. Damals jedoch wollten alle Aktien und fünf Prozent war ihnen nicht genug. 15 Jahre später waren Aktien in Bezug auf die Ausschüttung dann doppelt so attraktiv, während Anleihen ihren Zins nicht nur real, sondern auch nominal quasi verloren hatten. Dennoch wurde das Risiko der Aktien 2015 mehr gefürchtet als im Jahr 2000. Im Grunde absurd.

Die Überlegung war nicht falsch, vielleicht kam sie zu früh

Was war also der Denkfehler an der Theorie der bevorstehenden großen Rotation? Oder gab es womöglich keinen und die Idee wurde nur zu früh herum gereicht, weil das Null-Zinsumfeld in den Köpfen noch nicht tradiert genug war, so wie es heute der Fall ist. Wenn dem so wäre, dann steht die große Rotation möglicherweise jetzt bevor, zumal in 2019 die Anleger zunächst in Scharen in unverzinsliche Anleihen geflüchtet sind. Fließt dieses Geld zurück in Aktien und darüber hinaus auf der Suche nach regelmäßiger Ausschüttung womöglich noch viel mehr, dann könnte den Aktien womöglich doch noch ein Aufschwung bevorstehen, der selbst die größten Optimisten ins Staunen versetzen würde. Denn noch immer ist es so, dass eine 50-prozentige Aufwertung der Aktien sie weiterhin viel attraktiver erscheinen lassen würde als eine Staatsanleihe mit Minuszins. Die Situation ist heute noch extremer als vor vier Jahren.

Eine solche Prognose ist immer gewagt. Doch egal, ob die große Rotation noch kommt oder der Aktienmarkt weiter in historischen Bahnen verläuft, die lockere Geldpolitik schiebt die Aktienmärkte bereits wieder an und die Wahrscheinlichkeit auf generell steigende Kurse ist groß. Der Aktien- Investor würde also mit hoher Wahrscheinlichkeit so oder so belohnt. Erst recht, wenn es dann doch zu noch viel größeren Gewinn-Überraschungen kommt. Und wen sollte es schon stören außer diejenigen, die immer noch Angst vor der Aktienanlage haben und ihr fernbleiben.

Meistgelesene Artikel