Konjunktur: „Die guten Zeiten der deutschen Exportindustrie sind erst mal vorbei“ ++ Italien: Salvini fordert Neuwahl ++ UBER: Schwache Quartalszahlen

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Stimmung in der deutschen Exportwirtschaft wird schlechter, der Außenhandel verliert an Tempo. Die Eskalation des Handelskonflikts zwischen den USA und China, die Abkühlung der Weltkonjunktur und das Risiko eines ungeordneten Brexits sorgen für Verunsicherung. „Die guten Zeiten der deutschen Exportindustrie sind erst einmal vorbei“, beschrieb Ifo-Chef Clemens Fuest jüngst die Lage. Die Ausfuhren deutscher Güter sanken im Vergleich zum Vormonat um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mitteilte. Analysten hatten im Mittel eine Stagnation erwartet. Im Mai waren die deutschen Ausfuhren noch um revidierte 1,3 Prozent (zunächst +1,1 Prozent) gestiegen.

Die Einfuhren ausländischer Waren legten überraschend deutlich zu. Sie stiegen um 0,5 Prozent. Analysten hatten lediglich einen Zuwachs um 0,3 Prozent erwartet. Der deutsche Handelsbilanzüberschuss fiel von 20,6 Milliarden Euro im Vormonat auf 16,8 Milliarden Euro im Juni. Es war ein Überschuss von 19,5 Milliarden Euro erwartet worden.

Von Januar bis einschließlich Mai summierten sich die Warenausfuhren „Made in Germany“ auf 560,1 Milliarden Euro – das waren 2,4 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Allerdings verlangsamt sich das Tempo zunehmend. So rechnet der Außenhandelsverband BGA für 2019 nur noch mit einem Wachstum des Exportvolumens von 1,5 Prozent. Im vergangenen Jahr waren es noch 3 Prozent. „Die Verunsicherung wächst durch die von einigen politischen Protagonisten verursachte Unruhe“, sagte BGA-Präsident Holger Bingmann jüngst der Deutschen Presse-Agentur. Die Folge: Firmen halten sich mit Investitionen zurück, bei Unternehmen gehen weniger Bestellungen ein.

Der Konflikt zwischen Peking und Washington sowie andere von US-Präsident Trump angeheizte Streitigkeiten bremsen das Wachstum des globalen Handels. Die Weltbank sagte zuletzt ein Plus von nur noch 2,6 Prozent für dieses Jahr voraus. Das wäre der schwächste Anstieg seit der Finanzkrise. Für die exportorientierte deutsche Wirtschaft sind das keine guten Nachrichten. „Durch den großen Exportsektor und die Offenheit beim Handel spürt Deutschland globale Entwicklungen meist schneller als viele andere Nationen“, erläuterte der Chef des Kreditversicherers Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Ron van het Hof.

Auch in Italien brodelt es

Nach nur 14 Monaten an der Macht ist die Populisten-Allianz aus rechter Lega und Fünf-Sterne-Bewegung in Italien gescheitert. Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini sieht keine Zukunft mehr für das Regierungsbündnis und forderte am Donnerstag eine Neuwahl. Regierungschef Giuseppe Conte warf dem Anführer der rechten Lega am Donnerstagabend in Rom vor, dass dieser aus der Zustimmung, die seine Partei gerade genießt, Kapital schlagen wolle. Italien ist die drittgrößte Volkswirtschaft der Eurozone und leidet unter einer schwächelnden Wirtschaft und einem hohen Schuldenstand. Ein unkontrolliertes Chaos in Italien ist auch eine Bedrohung für den europäischen Wirtschaftsraum.

Uber enttäuscht mit Quartalsbericht stark

Der Fahrdienst-Vermittler Uber  hat in seinem ersten Quartal an der Börse einen Verlust von 5,2 Milliarden Dollar erlitten. Den Löwenanteil dazu trug die Start-up-Praxis bei, Mitarbeiter mit Aktien zu bezahlen. Allein auf diese mit dem Börsengang verbuchte Aktienvergütung entfielen 3,9 Milliarden Dollar der roten Zahlen.

Analysten hatten mit einem Verlust in dieser Größenordnung gerechnet. Zugleich gab es aber auch ein Alarmsignal aus dem Kerngeschäft: Der Umsatz mit Fahrdiensten wuchs im Jahresvergleich lediglich um zwei Prozent auf rund 2,35 Milliarden Dollar, vor Abzug einiger Zahlungen an Fahrer. Das war mit ein Grund für eine ziemlich negative Reaktion an der Börse. Die Uber-Aktie verlor im nachbörslichen Handel am Donnerstag zunächst mehr als zwölf Prozent, mit der Zeit schmolzen die Kursverluste auf ein Minus von gut sechs Prozent ab. Uber-Chef Dara Khosrowshahi versprach in einer Telefonkonferenz mit Analysten nach der Zahlenvorlage einen „guten altmodischen Fokus“ auf das Ergebnis.

Die Enttäuschung der Börsianer war umso größer, da am Vortag der kleinere Uber-Konkurrent Lyft sie mit besser als erwartet ausgefallenen Zahlen überrascht hatte. Im zweiten Quartal steigerte Lyft den Umsatz im Jahresvergleich um 72 Prozent auf 876 Millionen Dollar (774 Mio Euro). Ein kräftiger Kostenanstieg – ebenfalls zum Teil wegen der Vergütung mit Aktien im Zuge des Börsengangs im März – ließ den Quartalsverlust allerdings von 178,9 Millionen auf 644,2 Millionen Dollar ansteigen.

Zugleich sah Lyft aber eine deutliche Verbesserung des Geschäfts, unter anderem weil der Preiskampf mit Uber nachlasse. Deswegen rechnet Lyft nun mit einem Jahresumsatz von bis zu 3,5 Milliarden Dollar – 200 Millionen mehr als zuvor maximal anvisiert. Auch der Verlust soll geringer ausfallen als zuvor in Aussicht gestellt. Bei Uber stieg die Zahl der Nutzer binnen drei Monaten von 93 auf 99 Millionen. Bei Lyft legte sie von 20,5 auf 21,8 Millionen zu. Lyft ist bisher nur in den USA und Kanada aktiv, während Uber frühzeitig auf eine weltweite Expansion setzte.

Kurz und knapp:

Hella: Der Licht- und Elektronikspezialist hat im abgelaufenen Geschäftsjahr (Ende Mai) trotz einer im zweiten Halbjahr nachlassenden Wachstumsdynamik deutlich mehr verdient als im Vorjahr. Unter dem Strich kletterte der auf die Aktionäre entfallende Gewinn um 62 Prozent auf 630 Millionen Euro. Hella profitierte dabei vom Verkauf des Großhandelsgeschäfts. Der anhaltenden Schwäche der Autoindustrie kann sich der Zulieferer dennoch nicht länger entziehen. Konzernchef Rolf Breidenbach räumte ein, dass sich die Rahmenbedingungen für Hella im zurückliegenden Geschäftsjahr spürbar verschlechtert hätten. Dennoch geht er davon aus, dass Hella auch künftig stärker als der Markt wachsen werde. Breidenbach verweist dabei unter anderem auf die strategische Ausrichtung des Konzerns auf Zukunftsfelder wie Autonomes Fahren und Elektromobilität.

Bechtle: Der IT-Dienstleister Bechtle hat im zweiten Quartal an seinen starken Jahresstart angeknüpft. Von April bis Juni stieg der Umsatz um 30,7 Prozent auf 1,26 Milliarden Euro, wie das Unternehmen am Freitag in Neckarsulm mitteilte. Der Gewinn vor Steuern legte um knapp 28 Prozent auf 55,7 Millionen Euro zu. Damit lag Bechtle über den Erwartungen der Analysten. Unter dem Strich verdiente das Unternehmen 39,2 Millionen Euro und damit ebenfalls rund 28 Prozent mehr als vor einem Jahr. Nach der im Juni gekappten Prognose bestätigte Vorstandschef Thomas Olemotz den Ausblick für das laufende Jahr. „Gestützt durch ein sehr starkes erstes Halbjahr gehen wir davon aus, dass unser Umsatz und Ergebnis sehr deutlich über dem Vorjahr liegen werden“, sagte er. Ungeachtet der gesamtwirtschaftlichen konjunkturellen Eintrübung wolle der Konzern die für das Gesamtjahr gesteckten Ziele erreichen.

Carl Zeiss Meditec: Der Jenaer Medizintechnik-Konzern ist mit Blick auf seine Umsatzentwicklung noch ein bisschen optimistischer als zuletzt. Der Konzern hält nun auch einen Jahresumsatz leicht oberhalb der angepeilten Spanne von 1,35 bis 1,42 Milliarden Euro für möglich, wie er bei der Vorlage endgültiger Neunmonats-Zahlen am Freitag in Jena mitteilte. Mitte Juli bei den vorläufigen Zahlen hieß es noch, ein Erreichen des oberen Endes sei möglich. Die Prognose für die Ebit-Marge blieb dagegen unverändert: Diese dürfte den im April 2019 gesetzten Korridor von 15,0 bis 17,5 Prozent im laufenden Jahr übertreffen. Auch die Erwartungen für das neue Geschäftsjahr 2019/20 wurden bestätigt: Es werde nicht mit einer weiteren Margensteigerung gerechnet. Grund seien die geplanten strategischen Investitionen in Forschung und Entwicklung.

LEG Immobilien: Steigende Mieten treiben den Immobilienkonzern LEG voran. Der operative Gewinn aus dem laufenden Geschäft (FFO 1) legte in den ersten sechs Monaten im Jahresvergleich um 9,3 Prozent auf 171,0 Millionen Euro zu, wie das im MDax notierte Unternehmen am Freitag in Düsseldorf mitteilte. Die Miete auf vergleichbarer Fläche stieg um 2,9 Prozent auf durchschnittlich 5,77 Euro pro Quadratmeter. Der Konzern bestätigte die Finanzziele: Im laufenden Jahr will der Vorstand den operativen Gewinn (FFO 1) weiterhin auf 338 bis 344 Millionen Euro nach oben treiben. 2020 soll das FFO 1 auf 356 bis 364 Millionen Euro steigen.

Innogy: Der Energiekonzern hat im ersten Halbjahr weniger Gewinn gemacht. Gründe dafür waren die Entwicklung des britischen Vertriebsgeschäfts sowie der Verkauf des tschechischen Gasnetzgeschäfts. Wie das Unternehmen am Freitag mitteilte, lag das bereinigte Nettoergebnis in den ersten sechs Monaten bei 488 Millionen Euro und damit rund 26 Prozent unter dem Vorjahreswert. Die Situation im Vertriebsgeschäft sei weiterhin sehr wettbewerbsintensiv. Während allerdings in Großbritannien die Zahl der Kunden sinkt, konnte Innogy in Deutschland zulegen. Auch das operative Ergebnis sank wie erwartet und erreichte 1,3 Milliarden Euro – 16 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Den Ausblick für das laufende Geschäftsjahr bestätigte der vor einer Übernahme durch den Wettbewerber Eon stehende Konzern.

(onvista/dpa-AFX)

Titelfoto: immodium/shutterstock.com

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