Marktausblick Woche 22: Chinas Plan für die Welt nach Corona

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Das Update zur Woche mit Dr. Martin Lück






BlackRock Marktausblick 26. Mai 2020


Eigentlich war sie für Mitte März geplant, Chinas große jährliche Propagandashow genannt Volkskongress. Üblicherweise beklatschen sich die knapp 3.000 handverlesenen Delegierten aus den Provinzen gegenseitig und applaudieren artig den vorab feststehenden Beschlüssen der Parteiführung. Diesmal musste der Kongress wegen der Coronakrise verschoben werden. Wegen der starken Unsicherheiten um die während des Lockdowns entstandenen wirtschaftlichen Schäden und des bisher enttäuschend zähen Wiederanlaufens verzichtete Ministerpräsident Li Keqiang auf die ansonsten übliche Verkündung eines Wachstumsziels für 2020. Zu wenig absehbar erscheinen die Aussichten, zu groß die Gefahr, an den selbst gesetzten Maßstäben zu scheitern. Was Li stattdessen ankündigte, waren wachstumsfördernde Initiativen wie Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie Steuererleichterungen und subventionierte Kredite für die Privatwirtschaft, die inzwischen für ca. 60% des chinesischen Wachstums steht. Insgesamt entsprechen die Maßnahmen rund 3,5% der Wirtschaftsleistung, eine im Vergleich mit den USA und Europa eher zurückhaltende Größenordnung.

Kaum verborgen bleibt auf den Volkskongress aber auch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP), Chinas Aufstieg zur Weltmacht weiter voranzutreiben. Die Corona-Krise, die man erst verursachte, aus der man dann aber eher wieder herauskam als der Rest der Welt, dient hier genauso als willkommene Gelegenheit wie die Führungsschwäche Amerikas. So kündigte die KP-Führung auf dem Volkskongress eine Steigerung der Militärausgaben um 6,6% im Jahr 2020 an. Unausgesprochenes aber klar sichtbares Ziel ist es, auf Sicht eine den USA ebenbürtige Schlagkraft zu erreichen. Niemand soll China künftig noch von der Wahrung seiner Interessen abhalten können, vor allem in Ostasien, aber auch in Afrika und im Mittleren Osten. Darüber hinaus zeigt die Kommunistische Partei auf dem Volkskongress sehr deutlich, wie sie sich die Einflussnahme vor der eigenen Haustür vorstellt. So wurde ein neues „Sicherheitsgesetz“ für Hongkong vorgestellt. Unter Sicherheit verstehen Präsident Xi Jinping und seine Mitstreiter in erster Linie, dass Peking in Zukunft Demonstrationen in der ehemaligen Kronkolonie niederschlagen kann, ohne den lästigen Umweg über die Hongkonger Behörden gehen zu müssen. Das ist zwar ein ziemlich eindeutiger Verstoß gegen die bei Übergabe Hongkongs im Jahr 1997 vereinbarte Zusicherung, das gesellschaftliche System der Hafenmetropole noch 50 Jahre lang unabhängig zu belassen (Stichwort „Ein Land, zwei Systeme“), es kann aber kaum Zweifel geben, dass Peking mit diesem erneuten Rechtsbruch durchkommen wird. Der Abverkauf Hongkong-basierter Assets zeigt die desillusionierte Reaktion der Märkte. Gut möglich, dass wir uns auf Sicht vom Hongkong, wie wir es kannten, verabschieden müssen.

Was das für Anleger bedeutet

Großen Einfluss darauf, mit welcher Autorität die Kommunistische Partei in der post-Corona-Welt ihre Machtinteressen wird durchsetzen können, hat ihr wirtschaftlicher Erfolg. Nur wenn es weiterhin gelingt, den chinesischen Bürgern gegenüber das Versprechen wachsenden Wohlstandes einzulösen, werden diese auch weiter bereit sein, ihrer Führung so bedingungslos zu folgen wie bisher. Allein im Zuge des Corona-Lockdowns dürften aber mindestens 80 Millionen Chinesen ihre Jobs verloren haben, manche schätzen sogar mehr als 100 Millionen. Das ist eine veritable Bedrohung für den sozialen Frieden und damit für das, was die KP-Führung über alles stellt: Stabilität. Nur so ist zu erklären, dass trotz selbst auferlegter Sparzwänge und des Versuchs, die Schuldenstände zu reduzieren, dennoch das oben angesprochene umfangreiche Konjunkturprogramm auf den Weg gebracht werden konnte. Keineswegs sicher ist aber, ob die wirtschaftliche Dynamik im Anschluss an die Öffnung des Lockdown, die nach den ersten Daten nicht den eigenen Ansprüchen genügt, in den nächsten Monaten sozusagen auf Knopfdruck erheblich gesteigert werden kann. So zeigt sich etwa, dass die Konsumenten zurückhaltend bleiben, entweder weil sie ihr Erspartes mit Blick auf anstehende Unsicherheiten trocken halten wollen oder weil sie aus Angst vor Ansteckung mit dem Virus den öffentlichen Raum bevorzugt meiden. Die Aprildaten lassen genau dies vermuten, und wenn sich diese Tendenz fortsetzt, könnte dies darauf hindeuten, dass noch nicht einmal eine autoritäre Kommandowirtschaft es vermag, die Wirtschaft nach Belieben wieder auf das alte Niveau hochzufahren. Für uns im Westen wäre das eine ernüchternde Erkenntnis. Sie würde bedeuten, dass es zu der Normalität, welche optimistische Aktienanleger dieser Tage bereits wieder einpreisen, noch ein sehr weiter Weg ist.





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