Mietendeckel Berlin: Deutsche Wohnen hält Enteignung für „mediales Getöse“ – UBS zweifelt Verfassungsmäßigkeit an

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Die deutschen Wohnimmobilien-Aktien haben am Dienstag ihre anfänglich deutlichen Gewinne im Verlauf komplett eingebüßt. Auslöser der abrupten Talfahrt war die Nachricht, dass sich der rot-rot-grüne Senat in Berlin auf das Eckpunktepapier für einen Mietendeckel in der Hauptstadt geeinigt hat.

Demnach soll ein fünfjähriger Mietenstopp in der Hauptstadt eingeführt werden. Wie Bausenatorin Katrin Lompscher nach der Senatssitzung sagte, sollen die Eckpunkte den Rahmen für einen Gesetzentwurf bilden, der Mitte Oktober beschlossen werden soll. Das Gesetz soll – so der Plan – spätestens im Januar 2020 in Kraft treten.

Die Papiere der Deutsche Wohnen , die das größte Wohnungsportfolio in der Region Berlin besitzt, schlossen mit einem Minus von 1,2 Prozent. Gegen Mittag hatten sie in der Hoffnung auf eine Leitzinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) noch ein Kursplus von knapp 3 Prozent verzeichnet. Seit dem Beginn des Kursrutsches Anfang Juni war es für Deutsche Wohnen zunächst um rund 19 Prozent abwärts gegangen. Seit der Vorwoche hatten sich die Papiere dann jedoch wieder deutlich erholt.

Die Anteilsscheine von Ado Properties als reinem Berlin-Player endeten am Dienstag mit einem Verlust von 0,6 Prozent, nachdem sie zuvor in der Spitze 2,1 Prozent fester notiert hatten. Seit Anfang Juni haben die Ado-Aktien rund 17 Prozent an Wert verloren.

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Deutsche Wohnen bezweifelt Enteignung

Der Finanzvorstand von Deutsche Wohnen hat die Forderung nach Enteignung von Immobilienkonzernen in Berlin als „mediales Getöse“ bezeichnet. „In dieser Form wird sie ohnehin nicht kommen“, sagte Finanzchef Philip Grosse am Dienstag auf der Hauptversammlung in Frankfurt mit Blick auf eine Bürgerinitiative.

Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn verteidigte das Unternehmen. Der Konzern vermiete keine Luxuswohnungen. „Wir fokussieren uns auf die mittlere Schicht, wir bieten Wohnungen in mittlerer Qualität an, die bezahlbar sind.“ Deutsche Wohnen werde nächstes Jahr mit dem Bau von 2500 neuen Mietwohnungen in Berlin, Potsdam und Dresden beginnen.

Er habe Verständnis für Sorgen von Menschen, die sich die Marktmieten nicht leisten könnten. Deutsche Wohnen sei ein langfristiger Investor und kein Spekulant. Der Konzern habe die Ausgaben für Sanierungen gesteigert und schütte weniger Dividende aus als Konkurrenten.

Immobilienkonzerne stehen wegen rasant steigender Mieten in Städten in der Kritik – bis zur Forderung nach Enteignung wie in Berlin. Dort hat die Bürgerinitiative „Deutsche Wohnen und Co enteignen“ gut 77 000 Unterschriften gesammelt. Nun wird geprüft, ob die Unterschriften gültig sind und ein Volksbegehren eingeleitet wird. Am Ende könnte möglicherweise ein Volksentscheid stehen. Die rot-rot-grüne Koalition in der Hauptstadt berät zudem am Dienstag über Pläne, um die Mieten für bestimmte Wohnungen über fünf Jahre zu deckeln.

UBS hat Zweifel an der Rechmäßigkeit und favorisiert Vonovia

Der in Berlin drohende fünfjährige Mietendeckel könnte laut Expertenmeinung verfassungswidrig sein. Angesichts der Beratungen des Berliner Senats über ein solches Einfrieren der Mieten baten Analysten der Schweizer Bank UBS um Charles Boissier um die Einschätzung „eines führenden deutschen Mietrechtsanwalts“.

Der Rechtsexperte stützt sich nach Angaben der UBS auf mehrere Argumente. So seien Mietverträge auf Bundesebene über das Bürgerliche Gesetzbuch bereits ausführlich geregelt, so dass den Ländern keine legislative Kompetenz in dieser Hinsicht zukomme. Das Vorhaben des Berliner Senats würde das vertragliche Verhältnis von Mieter zu Vermieter regulieren, was in den Aufgabenbereich des Bundes falle. Bevor ein Bundesland eine Maßnahme ergreife, die staatlich verbürgte Rechte tangiere, müsse es darüber hinaus nachweisen, andere ihm zustehende Möglichkeiten wie etwa Neubau oder finanzielle Unterstützung von Mietern ausgeschöpft zu haben.

Trotz dieser Einschätzung weisen die UBS-Analysten auf eine Reihe von Unsicherheiten hin. Sollte der Senat das Vorhaben beschließen, könnte es Monate oder sogar Jahre dauern, bis es wieder gekippt werde. Bis dahin sei die Maßnahme gegebenenfalls in Kraft. Nicht einfach zu beantworten sei auch die Frage, welche Entschädigung den Vermietern letztlich eingeräumt werden könne.

Ungeachtet dessen bleiben die Analysten der UBS zuversichtlich für den Immobiliensektor gestimmt. Die Aktien deutscher Anbieter von Wohnimmobilien wiesen derzeit im Durchschnitt einen Abschlag von elf Prozent zum Nettovermögenswert auf. Favorit der UBS ist Vonovia.

onvista/dpa-AFX

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Foto: immodium/shutterstock.com

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