Mobilität der Zukunft – Werden Sixt, Lyft und Uber die deutschen Auto-Riesen Daimler, VW und Co. vom Thron stoßen?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die alteingesessenen Autobauer wissen es und die Carsharing- und Mobilitätsdienstleister wissen es auch: Die Zukunft der Verkehrsbranche liegt in „Mobility as a Service“ Konzepten und nicht mehr im traditionellen Autoverkauf. Daimler, VW und BMW arbeiten fieberhaft an der Umrüstung ihrer Geschäftsmodelle und bereiten sich mit Milliardeninvestitionen auf die Zukunft vor, aber auf der anderen Seite stehen Unternehmen, deren Kernkonzept von Beginn an in diesem Segment gelegen hat. Anbieter wie Uber, Sixt oder Lyft heben gerade ihre eigenen Fundamente für eine baldige Übernahme des Mobilitätsmarktes aus. Die spannende Frage ist: Wer wird am Ende das Rennen machen? Die Schwergewichte der Autoindustrie oder die jüngere Konkurrenz?

Sixt – Alle guten Dinge sind eine App

Der in Bayern ansässige Autovermieter rüstet sein Geschäft um und legt seine drei Hauptgeschäftsfelder Sixt Rent, Sixt Ride und Sixt Share in Form einer einzigen App zusammen. Kunden bekommen somit über einen Kanal Zugriff auf alle Angebote des Unternehmens: Sie können über die App Autos mieten (bis zu 27 Tage am Stück, oder auch nur wenige Minuten), Carsharing-Funktionen nutzen, oder sich ein Taxi rufen.

Laut Geschäftsführer Alexander Sixt ist Carsharing allein nur Stückwerk und ein Nischenmarkt, die Autovermietung dagegen hat ein Marktvolumen von 58 Milliarden Dollar, Taxi und private Mitfahrgelegenheiten sogar von 285 Milliarden Dollar.

Durch ihre Infrastruktur und Erfahrung sieht sich Sixt gegenüber der Konkurrenz klar im Vorteil: „Als Marktführer mit weltweit 240.000 Fahrzeugen haben wir eine starke Kundenbasis aufgebaut. Carsharing kostet uns praktisch nichts.“ Das Unternehmen habe die Software und das Know-How dafür bereits, und „zu sehr überschaubaren Kosten können wir jedes Mietauto mit Telematik ausstatten. Wir werden einen sehr großen Teil unserer Flotte damit ausrüsten“, so Alexander Sixt und Vorstandschef Erich Sixt.

Lyft – Börsengang auf dem Weg

Das im Jahr 2012 gegründete US-Startup will ebenfalls massiv in den Markt vordringen. Das Geschäftmodell ist ganz ähnlich wie das des Konkurrenten Uber ein On-Demand-Dienstleister, über den sich Teilnehmer per GPS den am nächsten gelegenen Fahrer zu sich bestellen können. Bisher ist Lyft nur in Nordamerika aktiv.

Im vergangenen Jahr konnte das Unternehmen seinen Umsatz von 1,9 Milliarden auf 2,16 Milliarden Dollar erhöhen, unterm Strich ist aber auch der Verlust von 688 Millionen auf 911 Millionen US-Dollar gestiegen. Dennoch plant das Unternehmen noch in der ersten Hälfte 2019 einen Börsengang und ist in einer Finanzierungsrunde im Juni 2018 auf einen Wert von 25 Milliarden Dollar geschätzt worden.

„Wir glauben, dass die Welt am Beginn einer Wende weg vom Autobesitz hin zu Transport-als-Service steht. Lyft steht dabei an der Front dieses massiven sozialen Umbruchs“, heißt es seitens des Vorstands in ihrem Börsenpapier.

Uber – Wettrennen an die Börse ist gestartet

Der US-Konzern vermittelt sowohl Fahrgäste an Mietwagen mit Fahrer, als auch an private Fahrer, sowie über Uber Taxi auch an reguläre Taxis. Uber ist mittlerweile in vielen Städten auf der ganzen Welt präsent.

Die letzten veröffentlichten Unternehmenszahlen sind aus dem zweiten Quartal 2018, in dem das Unternehmen seinen Umsatz im Vorjahreszeitraum um 51 Prozent auf 2,7 Milliarden Dollar steigern konnte. Im Gesamtjahr 2017 hatte der Konzern 7,4 Milliarden Dollar umgesetzt.

Den Gang an die Börse plant Uber laut letzten Berichten erst für Mitte bis Ende des Jahres 2019 und somit erst etwas später als der direkte Konkurrent Lyft. Es wird geschätzt, dass Uber eine Marktkapitalisierung von bis zu 120 Milliarden Dollar erreichen könnte.

BMW und Daimler halte mit ShareNow dagegen

BMW und Daimler haben ihre beiden Carsharing-Angebote Car2go und DriveNow zu einem einzigen Angebot zusammengelegt. In den gemeinsamen Dienst ShareNow investieren die beiden Konzerne mehr als eine Milliarde Euro, um die bestehenden Angebote auszubauen und zu verzahnen.

In einem Verbund sind fünf Joint Ventures zusammengefasst - der Hauptsitz wird in Berlin sein. Die Bereiche teilen sich auf in Carsharing, Parken, Ladestationen für Elektrofahrzeuge, Reiseplanung über eine Mobilitätsplattform und Mitfahrdienste. Insgesamt 14 Marken werden demnach gebündelt, darunter die beiden großen Carsharing-Anbieter DriveNow und Car2Go. Durch den Zusammenschluss sollen in den kommenden Jahren weltweit bis zu 1000 neue Jobs geschaffen werden, darunter auch in Deutschland.

BMW-Chef Harald Krüger und Daimler-Chef Dieter Zetsche riefen das Ziel aus, einen weltweit führenden Anbieter zu schaffen. „Denkbar sind dabei auch Kooperationen mit anderen Anbietern sowie Akquisitionen von Startups oder etablierten Playern“, hieß es.

VW – Wolfsburg ist auf sich alleine gestellt

Volkswagen hinkt nach einem gescheiterten Versuch mit dem Projekt Quicar als Feldversuch in Hannover in Sachen Carsharing noch hinterher, will aber mit einem neuen Angebot unter dem Namen „We“ auch in dieser Sparte angreifen. Das Besondere: Die Flotte soll ausschließlich aus Elektroautos bestehen.

Dies gliedert sich in die große Elektroauto-Offensive von VW ein. Der Konzern hat das Ziel ausgerufen, bis zum Jahr 2025 zum größten Mobilitätsanbieter aufgestiegen zu sein und will, dass bis dahin ein Viertel der Produktion aus Elektrofahrzeugen bestehen soll.

Der Stand der Dinge

Der Wandel der Branche ist bereits messbar. Die Autoindustrie in Deutschland ist 2018 kaum noch gewachsen. Insgesamt erwirtschaftete die Branche hierzulande 2018 einen Umsatz von knapp 425 Milliarden Euro. Das war - nach einem deutlichen Sprung im Jahr zuvor - nur noch ein Plus von 0,4 Prozent. Insgesamt gingen die Ausfuhren der deutschen Hersteller und Zulieferer sogar um 2,3 Prozent zurück – das war das erste Exportminus seit 2013 und der stärkste Rückgang seit dem Krisenjahr 2009.

Weltweit gesehen sinken die Verkaufszahlen von Autos. Im Januar wurden etwa in Deutschland rund 8,4 Prozent weniger Pkw neu zugelassen als noch im Januar 2018. In den USA ging es um etwa zehn Prozent nach unten, in Großbritannien um 18,2 Prozent.

Wie wird die Mobilität der Zukunft aussehen?

Eine Studie des Strategieberatungsunternehmens Strategy& von PwC aus dem Jahr 2017 prognostiziert, dass im Jahr 2025 bereits 470 Millionen vernetzte Fahrzeuge auf den Straßen Europas, den USA und China unterwegs sein werden. Damit sind elektrische und in Teilen autonom fahrende Fahrzeuge gemeint. Die ersten reinen „Roboterautos“ werden ab 2023 erwartet und bis 2030 sollen rund 80 Millionen Fahrzeuge dieser Art im Verkehr aktiv sein.

Die dadurch entstehenden Mobilitätsangebote werden sich laut Studie weg von dem Privatbesitz einzelner Fahrzeuge und hin zu einer „Shared Mobility“ orientieren. Damit wird sich die Wertschöpfungskette der Automobilbranche und auch das Mobilitätsverhalten der Kunden massiv ändern. Bis 2030 soll knapp 20% des Profits im Mobilitätsmarkt von „Mobility as a Service“-Dienstleistungen erzielt werden, also mit eben jenen Carsharing-Angeboten wie Car2Go oder DriveNow.

Hersteller wie Daimler und BMW werden sich in Zukunft somit viel mehr auf Flottenmanagement und Digitale Services und weniger auf die reine Produktion von Fahrzeugen konzentrieren. Bis 2030 sollen auf Europas Straßen bereits 36% aller gefahrenen Kilometer in geteilten und 42% in autonom fahrenden Autos zurückgelegt werden.

Das Marktvolumen der geteilten Mobilität soll in Europa, den USA und China allein zwischen 2017 und 2030 jährlich um 24% auf 1,3 Milliarden Euro ansteigen. Bis 2030 werden laut Studie ca. 33% aller Neufahrzeuge für geteilte Mobilität eingesetzt werden.

Von Alexander Mayer

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Titelfoto: Zapp2Photo / Shutterstock.com

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