ROUNDUP 2: SAP will US-Tochter an die Börse bringen und macht mehr Gewinn

dpa-AFX · Uhr

(neu: Aktienkurs aktualisiert, Aussagen aus Analystencall, weitere Analystenstimme.)

WALLDORF (dpa-AFX) - Europas größter Softwarehersteller SAP hat mitten in der Corona-Krise mehr Gewinn gemacht und will die Gunst der Stunde für den Teilbörsengang einer Tochter nutzen. Dass es im zweiten Quartal überraschend gut gelaufen war für die Walldorfer, hatte das Dax-Schwergewicht schon vor zweieinhalb Wochen mit Zahlen zu Umsatz und operativem Gewinn gezeigt. Aber auch unter dem Strich blieb nach Angaben vom Montag deutlich mehr übrig als vor einem Jahr. Am Vorabend hatte SAP die Anleger bereits erneut überrascht: Der seit Anfang 2019 zum Konzern gehörende US-Milliardenzukauf Qualtrics soll an die Börse gebracht werden.

Die SAP-Aktie stieg am Nachmittag um 2,46 Prozent auf 138,98 Euro. Der Kurs hatte sich nach dem Corona-Crash an den Märkten im Februar und März deutlich erholt und vergangene Woche bei über 143,20 Euro ein Rekordhoch erreicht. Mit dem Kursverfall an den Börsen war die Aktie zwischenzeitlich bis auf 82 Euro eingebrochen. SAP ist mit rund 170 Milliarden Euro Deutschlands mit Abstand wertvollster börsennotierter Konzern.

Die Ankündigung des Börsengangs sei eine überraschende Wendung, schrieb Jefferies-Analyst Julian Serafini in einer ersten Reaktion. Gemessen an der Börsenbewertung direkter und ähnlich schnell wachsender Rivalen könne Qualtrics auf einen Unternehmenswert von rund 14 Milliarden Euro kommen, rechnete der Experte vor, sprach aber auch von einer möglicherweise breiten Bewertungsspanne. Mark Moerdler von Bernstein Research rechnet damit, dass SAP rund 20 Prozent oder weniger von Qualtrics verkaufen könnte.

SAP-Finanzchef Luka Mucic wollte keine Angaben über eine mögliche Bewertung von Qualtrics machen. Details zum Zeitplan und zum genauen Umfang des möglichen Angebots soll es ebenfalls später geben. SAP will aber auf jeden Fall Mehrheitsaktionär von Qualtrics bleiben und weiter vom starken Wachstum der noch kleinen Sparte profitieren - im zweiten Quartal lag es bei rund einem Drittel auf 168 Millionen Euro Umsatz.

Im November 2018 hatte Ex-Chef Bill McDermott die Gelegenheit genutzt und die Übernahme des auf Marktforschungs- und Umfragedaten spezialisierten Anbieters kurz vor dessen damals geplantem Börsengang angekündigt. SAP zahlte 8 Milliarden US-Dollar (heute rund 6,9 Mrd Euro), Qualtrics sollte ein neuer Baustein in der Cloudstrategie des Unternehmens werden.

Nun will der neue Vorstandschef Christian Klein das gute Marktumfeld für Tech- und Cloudwerte insbesondere an den US-Börsen nutzen, Qualtrics soll folgerichtig in New York gelistet werden. Technologieaktien haben in den vergangenen Wochen eine Rally hingelegt, auch weil Investoren im Zuge der Corona-Krise händeringend nach Anlagemöglichkeiten mit Zukunftsperspektive suchen.

Das Cloudgeschäft gilt gerade in der Krise als relativ wetterfest. Während auch bei SAP die Lizenzerlöse absackten, also die Softwareverträge gegen große Einmalzahlung, fließen die Abonnementzahlungen weiter - wenn Kunden kündigen, verlieren sie hier nämlich in aller Regel den Zugang zur genutzten Software. Zwar leiden auch die Cloudangebote, beim Reisekostenabwickler Concur etwa stürzten die nutzungsabhängigen Erlöse laut Mucic um 80 Prozent ab, weil kaum noch Geschäftsreisen stattfanden. Auch bei der Beschaffungsplattform Ariba schwächelte das Geschäft.

Dennoch konnte SAP dank der weiter boomenden Geschäfte mit Software zur Nutzung über das Internet den Umsatz im vergangenen Quartal insgesamt um 2 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro steigern.

Klein und Qualtrics-Chef Ryan Smith sagten in einer Telefonkonferenz, der Teilbörsengang sei der beste Weg, Qualtrics weiter zu stärken. Die Tochter soll mit mehr Kapital ausgestattet werden, auch um eigene Zukäufe stemmen zu können, wie Smith sagte. Aber auch beim Mutterkonzern soll noch Geld landen, mit dem Wachstum finanziert und Ergänzungszukäufe gemacht werden könnten, sagte Mucic.

Das Management wollte die Sorge von Analysten zerstreuen, SAP könne die den Anlegern bis 2023 versprochene Margenerhöhung durch mögliche Zukäufe wieder einem Wachstumsmantra unterordnen. Man werde auch die Gewinnentwicklung nicht vernachlässigen und die Anstrengungen noch verstärken, sagte Klein. Auf einer Kapitalmarktveranstaltung im vierten Quartal will das Unternehmen über den Stand der Dinge beim mittelfristigen Ausblick informieren.

Qualtrics sammelt Daten etwa auf Webseiten von Internethändlern oder über Umfragen - das Angebot soll Händlern ein genaueres Steuern von Werbung und Marketing ermöglichen. Mit Qualtrics will SAP auch den US-Rivalen Salesforce attackieren, der bei Software für den Vertrieb und das Kundenmanagement die Nase vorn hat.

Zuletzt hatte es in Walldorf Knatsch gegeben, wie mit den selbstbewussten US-Zukäufen der vergangenen Jahre umgegangen werden soll - Aufsichtsratschef und Mitgründer Hasso Plattner hatte dem seit April allein an der Vorstandsspitze stehenden Klein mit auf den Weg gegeben, die Cloudfirmen besser in den Konzern zu integrieren.

Qualtrics bekommt nun jedoch mehr Freiheiten. Gründer Smith will mit dem Börsengang zum größten Privataktionär der Firma werden. Das werfe Fragen hinsichtlich der angekündigten breiten Integration von Qualtrics in das SAP-Produktportfolio auf, meinte Jefferies-Experte Serafini.

In der Corona-Pandemie war SAP auf die Kostenbremse getreten. Zwischen April und Ende Juni bremste der Konzern die Neueinstellungen, Geschäftsreisen wurden eingeschränkt - und die teure jährliche Kundenmesse Sapphire fand nur online statt.

Das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis kletterte wie bereits bekannt um acht Prozent auf 1,96 Milliarden Euro. Unter dem Strich stieg der Gewinn um 52 Prozent auf 885 Millionen Euro. Das lag auch daran, dass ein Programm zum Abbau von Stellen vor einem Jahr knapp 200 Millionen Euro gekostet hatte.

Die im April gesenkten Jahresprognosen zu Umsatz und operativem Ergebnis bestätigte das Unternehmen. Finanzchef Mucic warb für Vorsicht und Realismus: Es sei trotz des guten zweiten Quartals noch nicht die Zeit, herumzujuxen und den Champagner zu öffnen. Den Mittelzufluss schätzt er nun aber etwas optimistischer ein, statt der bisher angepeilten rund 3,5 Milliarden Euro dürften es 2020 nun rund 4 Milliarden Euro werden.

Ein jüngst aufgekommenes Problem konnte SAP zudem ausräumen. Anfang Mai hatte der Softwarehersteller einräumen müssen, dass nicht alle vertraglich versprochenen Sicherheitsstandards bei Cloudprodukten tatsächlich wie angepriesen funktionierten. Betroffen war knapp ein Zehntel der damals 440 000 Kunden. Im Halbjahresbericht hieß es nun, die identifizierten Maßnahmen zur Problembehebung seien abgeschlossen./men/mne/he

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