ROUNDUP 2: USA und Russland wollen Abrüstungsvertrag um fünf Jahre verlängern

dpa-AFX · Uhr

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WASHINGTON/MOSKAU/BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der neue US-Präsident Joe Biden will den letzten noch bestehenden großen atomaren Abrüstungsvertrag mit Russland verlängern. Moskau begrüßte das Signal aus Washington am Freitag. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, hatte in Washington am Donnerstag gesagt, sie könne bestätigen, dass die USA eine Verlängerung der Vereinbarung um fünf Jahre anstrebten. Am Mittwoch - unmittelbar nach Bidens Vereidigung - hatte Russland seinerseits bereits eine Verlängerung um fünf Jahre angeboten.

Eine konkrete Einigung ließ aber weiter auf sich warten. Viel Zeit ist nicht mehr. Der Vertrag läuft Anfang Februar aus.

Russland und die USA besitzen zusammen rund 90 Prozent der weltweiten Atomwaffen. Der New-Start-Vertrag über die Begrenzung der Massenvernichtungswaffen war am 5. Februar 2011 in Kraft getreten - mit einer Laufzeit von zehn Jahren und der Möglichkeit einer Verlängerung. Er begrenzt die Nukleararsenale Russlands und der USA auf je 800 Trägersysteme und 1550 einsatzbereite Atomsprengköpfe. Würde der Vertrag auslaufen, gäbe es erstmals kein Abkommen mehr, das dem Bestand an strategischen Atomwaffen Grenzen setzt. Russland hatte immer wieder vor einem neuen Wettrüsten gewarnt.

Russland sei bereit, keine Zeit zu verlieren, da der Vertrag in zwei Wochen auslaufe, teilte das Außenministerium in Moskau mit. "Das ist ein ermutigender Schritt", meinte der russische Diplomat Michail Uljanow bei Twitter. "Die Verlängerung wird beiden Seiten mehr Zeit geben, um mögliche zusätzliche Maßnahmen für eine Festigung der strategischen Stabilität und globalen Sicherheit in Betracht zu ziehen", erklärte der Ständige Vertreter Russlands bei den internationalen Organisationen in Wien.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte der Agentur Interfax zufolge, dass Moskau den politischen Willen begrüße, aber nun alles von den Details des Vorschlags abhänge. "Ich bin im Moment nicht bereit, das zu kommentieren, sie müssen noch analysiert werden", sagte er.

Russland hatte immer wieder für eine Verlängerung geworben - allerdings in der bereits vorliegenden Form und ohne Vorbedingungen. Die Äußerungen der Vertreter von Bidens Administration riefen "Optimismus" hervor, sagte der Chef des Auswärtigen Ausschusses der Staatsduma in Moskau, Leonid Sluzki. "Wir sind bereit zum Dialog", sagte er. "Wir erwarten konkrete Vorschläge."

Das Pentagon teilte am Donnerstagabend (Ortszeit) mit, Bidens Entscheidung, sich um eine Verlängerung zu bemühen, diene der Verteidigung des Landes. Die Amerikaner seien deutlich sicherer, wenn der Vertrag intakt sei und verlängert werde. Man könne es sich nicht leisten, die darin vorgesehenen Instrumente für Inspektionen und Meldepflichten zu verlieren. Eine Verlängerung bis 2026 gäbe beiden Seiten auch genug Zeit, neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle zu sondieren, hieß es weiter aus dem US-Verteidigungsministerium.

Die Regierung von Bidens Vorgänger Donald Trump hatte sich mit Moskau in zähen monatelangen Verhandlungen nicht auf eine Verlängerung einigen können. Unmittelbar nach Bidens Vereidigung schlug das russische Außenministerium am Mittwoch eine Verlängerung des Vertrags um fünf Jahre ohne Vorbedingungen vor. Die Verhandlungslinie von Trump sei aggressiv und kontraproduktiv gewesen, hieß es.

Knackpunkt der Gespräche zwischen Moskau und der Trump-Regierung war nach US-Medien das "Einfrieren" der Zahl aller Atomsprengköpfe beider Länder, auf das die USA bestanden hatten. Der derzeit gültige Vertrag legt nur die Begrenzung der Zahl der einsatzbereiten Atomsprengköpfe fest. Zudem hatte die US-Vorgängerregierung ein multilaterales Abkommen mit Beteiligung Chinas angestrebt. Peking weigert sich bisher aber, über sein relativ kleines, aber wachsendes Atomwaffenarsenal zu verhandeln.

Biden hatte vor seinem Amtsantritt erklärt, dass der Vertrag ein "Anker der strategischen Stabilität" zwischen den USA und Russland sei und Grundlage für neue Vereinbarungen zur Rüstungskontrolle sein könne. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Freitag: "Ich habe immer wieder erklärt, dass wir nicht in eine Situation geraten sollten, in der wir für Atomsprengköpfe keinerlei Begrenzungen mehr haben." Auch Bündnispartner hätten deutlich gemacht, dass der Erhalt des Vertrags von großer Bedeutung sei.

Stoltenberg betonte zudem, dass die Vertragsverlängerung für ihn nicht das Ende, sondern der Beginn einer weiteren Stärkung der internationalen nuklearen Rüstungskontrolle sei. "Vereinbarungen, die mehr Waffen abdecken und auch mehr Staaten wie China einbeziehen, sollten in Zukunft auf die Agenda kommen."

Die Gefahr eines auch mit Atomwaffen geführten Krieges galt während Trumps Amtszeit als deutlich höher als in den drei Jahrzehnten zuvor. Grund war unter anderem das Ende des INF-Vertrags zum Verzicht auf landgestützte atomwaffenfähige Mittelstreckensysteme.

Die USA hatten das Abkommen im Sommer 2019 mit Rückendeckung der Nato-Partner aufgelöst und dies damit begründet, dass Russland es mit seinem Mittelstreckensystem 9M729 (Nato-Code: SSC-8) verletze. Der INF-Vertrag untersagte beiden Seiten Produktion, Tests und Besitz von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5500 Kilometern. Aufgekündigt hatten erst die USA und zuletzt auch Russland zudem das Open-Skies-Abkommen über militärische Beobachtungsflüge./aha/lkl/jac/DP/nas

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