ROUNDUP: Betreiber und Prostituierte fordern Öffnung von Bordellen

dpa-AFX · Uhr

HAMBURG (dpa-AFX) - Komplett zu, kein Betrieb, die Zimmer leer - so wie im "Pink Palace" auf der Hamburger Reeperbahn dürfte es in vielen Bordellen Deutschlands gerade aussehen. Prostitution ist auf Grund des Coronavirus untersagt - und während in anderen Bereichen gelockert wird, haben Sexarbeiterinnen, Sexarbeiter und Bordellbesitzer das Nachsehen.

Dagegen wehrt sich die Branche: Der Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen verlangt in einem offenen Brief vom Dienstag, die in der Corona-Krise verfügten Schließungen aller Prostitutionsstätten wieder aufzuheben. Eine weitere Schließung der Bordelle und ein Verbot der Prostitution seien durch nichts gerechtfertigt.

"Wenn Tantra-Studios, wenn Massage, wenn Kosmetik und wenn Friseure geöffnet werden, unter Auflagen, sind wir mit diesen Branchen sehr vergleichbar", sagt Stephanie Klee vom Vorstand des Verbandes. "Offensichtlich glauben die Menschen, wenn sie Prostitution hören, dass es Orgien sind." Die Realität sei doch eher, dass eine Sexarbeiterin und ein Kunde für eine kurze Zeit zusammenträfen.

"Wir warten hier auch darauf, dass es hier irgendwann weiter geht", sagt Thorsten Eitner, Geschäftsführer des "Pink Palace" mit seinen 55 Zimmern. An Wochenenden hätten hier etwa 40 selbstständige Sexarbeiterinnen gearbeitet. Hinzu kommen 18 feste Mitarbeiter für den Betrieb des Hauses, die er in Kurzarbeit geschickt habe. "Ich habe immer die Hoffnung gehabt, dass wir, wenn die Tattoo-Studios aufmachen, die Massage-Praxen, dass wir da gleichgestellt sind." Mittlerweile habe er mit dem Thema abgeschlossen. Letztendlich müsse man auf die Entscheidung der Politik warten. Ihn riefen regelmäßig Freier und Prostituierte an und fragten, wann es weitergehe.

Eitner fürchtet nicht nur den wirtschaftliche Schaden: Denn je länger der Zustand anhalte, desto mehr wandere die Prostitution in die Illegalität ab. Korinna Heimann von der Diakonie Hamburg, verantwortlich für Beratungsstellen für Prostituierte, kennt das Problem: "Unsere Beobachtung ist, dass Prostitution durchaus weiterhin stattfindet. Dann natürlich möglichst versteckt, was natürlich wiederum viele Gefahren mit sich bringt." Dazu zähle Gewalt, aber auch, dass illegal arbeitende Sexarbeiterinnen von ihren Freiern erpresst würden, etwa um die Preise zu drücken. Prostituierte, die nicht offiziell angemeldet seien, litten besonders unter der derzeitigen Lage, weil sie keine staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen könnten.

Bei der Debatte um mögliche Lockerungen im Bereich Prostitution spielen auch politische Forderungen jenseits von Corona eine Rolle. Angesichts der derzeitigen Beschränkungen hatte eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten von Union und SPD vergangene Woche gefordert, Bordelle nicht wieder zu öffnen und ein Sexkaufverbot einzuführen.

Stephanie Klee vom Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen hält es für einen "schändlichen Missbrauch", jetzt, wo alle in Not seien, die Bordelle geschlossen zu lassen und ein Prostitutionsverbot einzuführen. Und auch Korinna Heimann von der Diakonie Hamburg kritisiert den Vorstoß: "Ich finde es ehrlich gesagt nicht seriös, dass man jetzt die Corona-Krise nutzt, um politische Ziele durchzudrücken, die man auch früher eigentlich schon verfolgt hat."

Ein Verbot sei keine Lösung. Das zeige die derzeitige Lage: "Obwohl Prostitution verboten ist und es für alle ersichtlich gute Gründe dafür gibt, findet sie weiter statt." Menschen fänden immer Wege dazu. "Das bedeutet dann aber, dass Prostitution unter noch viel prekäreren und gefährlicheren Bedingungen stattfindet."/chh/DP/jha

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