ROUNDUP: Evonik senkt wegen Corona-Krise Ausblick - Aktie fällt

dpa-AFX · Uhr

ESSEN (dpa-AFX) - Der Spezialchemiekonzern Evonik wird wegen den Folgen der Corona-Pandemie wie erwartet vorsichtiger für 2020. Robuste Geschäfte etwa mit der Lebensmittel-, Pharma- und Windkraftbranche, aber auch mit Desinfektionsmitteln können die verschärfte Autokrise und Preisdruck durch den Ölpreisverfall nicht ausgleichen, wie der Konzern am Donnerstag in Essen mitteilte. Während sich die Essener im ersten Quartal noch etwas besser schlugen als gedacht, bleibe die Prognose ein Stück weit hinter den Erwartungen zurück, erklärte Analyst Chetan Udeshi von der Bank JPMorgan. Die Aktie gab rund drei Prozent nach und war damit einer der schwächsten MDax-Werte.

Evonik-Chef Christian Kullmann rechnet 2020 nun mit einem Umsatz zwischen 11,5 und 13,0 Milliarden Euro. Beim bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) peilt der Trikotsponsor von Borussia Dortmund 1,7 bis 2,1 Milliarden Euro an. Anfang März, als das volle Ausmaß der Corona-Krise noch nicht absehbar war, hatte er noch gehofft, den Umsatz stabil auf dem Vorjahresniveau von 13,1 Milliarden Euro halten zu können. Beim bereinigten operativen Ergebnis waren ursprünglich 2,0 bis 2,3 (2019er-Wert: 2,15) Milliarden Euro angepeilt worden.

Der Manager geht dabei in der Mitte der neuen Bandbreite von einer u-förmigen, also schrittweisen, sich länger hinziehenden Erholung der Wirtschaft aus. Das ist für ihn auch das wahrscheinlichste Szenario. Dabei setzt Kullmann mit Blick auf Evonik auf eine stabile, weniger konjunkturabhängige Entwicklung der Geschäfte in den Bereichen Konsumgüter, Ernährung und Gesundheit der Sparte Nutrition & Care. So dürfte sich etwa der positive Trend beim Tierfuttereiweiß Methionin fortsetzen.

Die Nachfrage nach dem Stoff, der in der Geflügelmast eingesetzt wird, hatte schon zuletzt von der Ausbreitung der Schweinepest profitiert. Da weniger Schweinefleisch zur Verfügung steht, greifen Verbraucher etwa in China verstärkt bei Hühnchen zu.

Gute Geschäfte erwartet Evonik auch weiterhin mit Produkten für die Windkraftbranche sowie mit dem Reinigungs- und Desinfektionsmittel Wasserstoffperoxid. Hier lief es bereits im ersten Quartal gut, wobei auch die Übernahme des nordamerikanischen Wasserstoffperoxid-Herstellers Peroxychem Rückenwind lieferte. Das half schon im ersten Quartal eine schwache Nachfrage etwa nach Zusätzen für Lacke und Reifen im Segment Resource Efficiency auszugleichen.

Das Segment Performance Materials bekommt derweil den drastischen Verfall der Ölpreise, der auch auf die Absatzpreise drückt, sowie die Autokrise zu spüren. Die Nachfrage etwa nach Zusatzstoffen für Kraftstoffe oder Materialien für die Kautschukproduktion steht unter Druck.

Insgesamt fiel das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) des Evonik-Konzerns im ersten Quartal denn auch um 5 Prozent auf 513 Millionen Euro, während sich der Umsatz im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mit einem Minus von 1 Prozent auf 3,24 Milliarden Euro noch fast stabil hielt. Für das zweite Quartal stellt der Konzern einen weiteren Ebitda-Rutsch auf rund 400 Millionen Euro in Aussicht.

Unter dem Strich verdienten die Essener zum Jahresstart 130 Millionen Euro nach 239 Millionen vor einem Jahr. Der auch für die Dividende wichtige freie Mittelzufluss belief sich auf 113 Millionen Euro, was weniger war als vor einem Jahr. Für 2020 wird der sogenannte Free Cashflow nun nicht mehr leicht über, sondern unter dem 2019er Wert von 717 Millionen Euro erwartet.

An der Dividende für 2019 hält Evonik trotz der Corona-Krise - anders als viele andere Unternehmen - fest. Die vorgeschlagenen 1,15 Euro je Aktie sollen nun in zwei Tranchen gezahlt werden. Damit sich die Anleger nicht wie eigentlich üblich bis nach der auf Ende August verschobenen Hauptversammlung gedulden müssen, sollen am 2. Juni erst einmal 57 Cent je Aktie fließen. Der Rest dann Anfang September. Ein Profiteur bleibt auch die RAG-Stiftung, die noch knapp 59 Prozent der Evonik-Anteile hält. Sie nutzt das Geld, um die langfristigen Folgekosten des deutschen Steinkohlebergbaus zu tragen.

Parallel zu den Quartalszahlen stehen am Donnerstag Details zur neuen Konzernstruktur im Fokus, die mit Beginn des dritten Quartals umgesetzt wird. Eigentlich war die Vorstellung der Details bereits für einen Kapitalmarkttag im April geplant. Der musste wegen der Corona-Krise aber verschoben werden. So wird Evonik sich künftig in die vier Sparten Specialty Additives, Nutrition & Care, Smart Materials und Performance Materials gliedern.

Die ersten drei Sparten sieht das Management als Wachstumsfelder. Sie bedienen unter anderem die Tierfutter- und Lebensmittelindustrie und die Pharmabranche, stellen aber auch Desinfektionsmittel, Materialien für den 3D-Druck und Flammschutzmittel her. "Die strategische Weiterentwicklung von Evonik wird nun deutlicher sichtbar", betont Kullmann denn auch. "Wir haben den Anteil von Spezialgeschäften in unserem Portfolio erfolgreich ausgebaut und werden diese Entwicklung konsequent weiter vorantreiben."

Die Vorgabe für die Wachstumsdivisionen ist ein mittelfristiges Absatzplus um durchschnittlich mehr als 3 Prozent pro Jahr. Zudem sollen vom bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) mehr als 40 Prozent als freier Mittelzufluss hängen bleiben .

Im vierten Segment Performance Materials werden hingegen die Bereiche neu zusammengefasst, für die im Grunde keine Wachstumsinvestitionen mehr geplant sind. Stattdessen soll die Sparte auf höhere Gewinnmargen getrimmt werden. Damit würden die Geschäfte attraktiver für potenzielle Käufer. So steckt auch das Baby-Care-Geschäft rund um saugstarke Materialien etwa für Windeln in dem Geschäftsbereich, das auch im ersten Quartal unter Druck stand. Zwar gebe das schwierige Marktumfeld 2020 keinen Verkauf her, danach sei so ein Schritt aber vorstellbar, hatte Kullmann bereits im März gesagt.

Im Zuge der neuen Organisation will Evonik auch Geld sparen. Bis Ende 2021 sollen die jährlichen Kosten um 25 Millionen Euro sinken, auch durch den Abbau weiterer 150 Stellen in der Verwaltung. Im Rahmen des davon unabhängigen, schon länger laufenden Sparprogramms sollen weiterhin bis Ende 2020 rund 1000 Stellen wegfallen. Anfang März waren davon 600 abgebaut. Zum Vergleich: Ende März beschäftigte der Konzern 32 770 Mitarbeiter./mis/zb/jha/

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