Sind wir in einer ETF-Blase?

Bernd Schmid · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Im letzten Jahr konnte ich nach jahrelanger Arbeit endlich meinen Bruder davon überzeugen, dass er einen Teil seines nicht so niedrigen Einkommens langfristig in Aktien anlegt. Als er sich einige Wochen mit dem Thema beschäftigt hatte, kam er dann auf die Idee, unbedingt einige ETFs besitzen zu müssen.

Ähnliches habe ich bei Freunden beobachtet. Das Investieren in ETFs scheint nun so weit in Mode zu sein, dass sich Leute damit beschäftigen, denen vor wenigen Jahren nicht einmal im Traum eingefallen wäre, einen Teil ihrer Ersparnisse im „Casino“ Börse anzulegen.

Erkennt man Blasen nicht daran, dass auf einmal jeder auf den Zug aufspringen möchte - Tulpen im 17. Jahrhundert, Technologieaktien Ende der 1990er, Bitcoin vor anderthalb Jahren?

Ganz so extrem scheint es auf der anderen Seite noch nicht zu sein. Laut Daten des Investment Company Institute und der World Federation of Exchanges machten ETFs im Jahr 2013 nur 13 % der Börsenkapitalisierung in den USA aus.

Trotzdem gibt es Risiken, deren sich viele ETF-Anleger glaube ich nicht bewusst sind, und sie wissen wahrscheinlich zu großen Teilen gar nicht, in was sie investieren.

Mogelpackung ETFs?

Zum Start nur zwei aus meiner Sicht irrsinnige Fakten zu ETFs:

Laut Financial Times gibt es auf der Welt mehr als 3 Millionen ETFs, die die Aktienmärkte abbilden. Dem stehen nicht einmal 50.000 Aktien weltweit gegenüber.Das führt unter anderem zu dem aberwitzigen Zustand, dass sich ein Unternehmen wie Exxon Mobil zum Beispiel sowohl in mehreren Value ETFs als auch in mehreren Growth ETFs.

Auf der einen Seite scheinen ETFs die Aktienmärkte auf alle möglichen Arten zerlegt zu haben, sodass man sich mit der entsprechenden Auswahl praktisch ein ganz beliebiges, mehr oder weniger diversifiziertes Stück für sein eigenes Portfolio herausschneiden kann. Auf der anderen Seite investiert man das als Large-CAP-US-Wachstumsinvestor teilweise in dieselben Werte wie ein Large-Cap-US-Value-Investor.

Es gibt jedoch noch weitere fundamental wichtige Aspekte, über die man sich als ETF-Anleger täuschen kann. Zum Beispiel, wenn man in den achtgrößten ETF der Welt investiert, den Powershares QQQ, mit dem man in eine bestimmte Mischung aller NASDAQ-100-Aktien investiert.

Aktuell wird für diesen Index ein Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von unter 27 angegeben. Das klingt eigentlich ganz attraktiv, wenn man berücksichtigt, dass dieser Index zu 60 % aus Technologieaktien besteht und die größten Positionen die bekannten Unternehmen sind, die aktuell die westliche Internetwelt dominieren. Man scheint hier mit die besten Unternehmen der Welt in einer günstig erscheinenden Mischung einzukaufen.

Das ist jedoch eine Täuschung. Denn laut Steven Bregman, der sich sehr intensiv mit allen Themen rund um ETFs auseinandergesetzt hat (der das Thema „ETF-Blase“ wahrscheinlich als einer der Ersten in den Mund genommen hat und sogar von der „größten Blase, die wir jemals erlebt haben“ spricht), wird das KGV dieses Index nicht einfach aus dem gewichteten arithmetischen Mittel der KGVs der einzelnen Werte berechnet, wie man es eigentlich erwarten würde, sondern mit dem gewichteten harmonischen Mittelwert.

Ohne auf die Berechnung im Detail einzugehen, das gewichtete harmonische KGV führt zu einem geringeren KGV als die „normale“ Berechnung, die jeder von uns anstellen würde. Als wäre das nicht genug, geht man laut Bregman jedoch noch darüber hinaus und schließt Unternehmen, die Verluste schreiben, oder Unternehmen mit KGVs von über 100 einfach aus der Berechnung aus.

Nun, es gibt möglicherweise Gründe, so vorzugehen. Aber ich schätze mal, dass sich die meisten ETF-Anleger nicht damit beschäftigen und deswegen gar nicht wissen, welchen Preis sie wirklich für diesen ETF bezahlen.

Das größere Problem, vor das uns eine ETF-Blase bzw. das passive Investieren im Allgemeinen stellen könnte

Laut Zacks waren im Juli vergangenen Jahres mehr als 5 Billionen US-Dollar in ETFs angelegt. Das sind etwas mehr als 6 % der globalen Wirtschaftskraft, was noch nicht nach gefährlich viel klingt. Auch Daten des Investment Company Institute und der World Federation of Exchanges, wonach ETFs im Jahr 2013 nur 13 % der Börsenkapitalisierung in den USA ausmachten, klingen noch nicht alarmierend.

Diese Zahl beinhaltet jedoch eine noch viel größere Quelle des passiven Investierens nicht. Michael Green, Portfolio-Manager bei Thiel Macro, schätzt nämlich, dass rund die Hälfte aller institutionell verwalteten Vermögen passiv investiert wird. Mit diesen Daten von IPE komme ich aktuell auf rund 22 Billionen Euro institutionell verwalteten Kapitals.

Wenn Green recht hat und die Hälfte davon passiv investiert wird, und man außerdem davon ausgehen kann, dass mit der Zeit immer mehr und nicht weniger Kapital passiv investiert wird, dann kommt man mittels groben Überschlagens der obigen Zahlen darauf, dass möglicherweise bereits heute fast die Hälfte der Börsenkapitalisierung durch passives Investieren zustande kommt.

Selbst wenn das heute noch nicht ganz so weit ist, aktuelle Trends dürften uns dorthin bringen. Und das ist der Grund, weshalb ein Steven Bregman vielleicht gar nicht so unrecht hat, wenn er „von der größten Blase, die wir jemals erlebt haben“ spricht.

Sicherlich ist das sehr überspitzt ausgedrückt. Aber ich denke, dass etwas dran sein könnte. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Denn Indexfonds müssen ja zwangsläufig alle Aktien in einem Index kaufen, wenn ihnen Kapital zufließt.

Autor: Bernd Schmid

Bild:TierneyMJ / Shutterstock.com

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