Steinhoff: Bekommt der Möbelhändler die Krise in den Griff? – Der Bilanzskandal und seine Nachwirkungen

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Entwicklung des Aktienkurses spricht Bände. 2016 konnte die Aktie einmal kurz über die Marke von 6 Euro schauen und dann nahm das Unheil seinen Lauf. Ein Bilanzskandal erschütterte den Konzern aus Südafrika. Der damalige Vorstand musste gehen und die Anleger taten das auch. Mittlerweile steht die Aktie bei 0,088 Cent und ist zum Pennystock verkommen. Die zuletzt präsentierten Zahlen haben keine neue Hoffnung bei den Anlegern geweckt. Sie haben verdeutlicht, dass die Krise noch lange nicht abgewendet ist. Trotzdem findet das Wertpapier immer noch viel Beachtung. Die Hoffnung auf bessere Zeiten und vor allen Dingen bessere Kurse ist noch nicht ganz erloschen.

Die Zahlen für 2017! – Reichlich verspätet und katastrophal!

Mit fast eineinhalb Jahren Verspätung hat Steinhoff Anfang Mai seine testierte Bilanz für das Geschäftsjahr 2017 (bis Ende September) inklusive korrigierter Zahlen für das Vorjahr vorgestellt. Die vorgelegte Bilanz ist ein fatales Zeugnis, mit einem Verlust von fast 4 Milliarden Euro. Im Zuge der Aufarbeitung des Bilanzskandals musste Steinhoff den Wert seiner Geschäfte allein für das Jahr 2016 um mehr als 11 Milliarden Euro nach unten korrigieren. Der Löwenanteil der Berichtigungen ist Unregelmäßigkeiten geschuldet, die die Prüfer auf die Zeit vor Mitte 2015 datieren. Für das Jahr 2017 kamen dann noch andere Abschreibungen von mehr 3,9 Milliarden Euro hinzu. Die ebenfalls verschobenen Ergebnisse für das Jahr 2018 sollen am 18. Juni folgen.

Binnen zwei Jahren ist damit aus dem durch stetige Übernahmen wachsenden Weltkonzern ein Unternehmen am Abgrund geworden. Wie konnte das passieren? Ein als unabhängige Wirtschaftsprüfer bestelltes Team von PwC hat parallel zu den internen Ermittlungen von Steinhoff monatelang nach den Schuldigen geforscht. Im März dieses Jahres veröffentlichten sie ihren Abschlussbericht.

Wer ist für die Misere verantwortlich?

Bis heute ist der Öffentlichkeit nicht hundertprozentig klar, um welche Vergehen es geht. Fest steht: Im Mittelpunkt des Skandals steht wohl der ehemalige Konzernchef Markus Jooste sowie eine kleine Gruppe weiterer Manager. Die PwC-Ermittler fanden nach eigenen Angaben hinreichend belastende Hinweise, nennen aber keine Namen von möglichen Schuldigen. Dabei geht es vor allem um künstlich aufgeblähte Buchungen und zahlreiche Transaktionen, die in Wirklichkeit nie stattgefunden haben. Insgesamt identifizierte PwC solche irregulären Einkünfte und fiktiven Buchungen im Wert von 6,5 Milliarden Euro, die bis in das Jahr 2009 zurückreichen. Darin verwickelt waren diverse Konzerngesellschaften sowie außen stehende Unternehmen. Jooste habe nicht eingewilligt, mit PwC zu sprechen, heißt es in dem Bericht weiter.

Für Steinhoff ist die Lage klarer

Steinhoff selbst erhebt in seinem Geschäftsbericht schwere Vorwürfe: Jooste habe er sich etwa eine halbe Million Euro an Boni ohne Genehmigung durch die Europa-Tochter auszahlen lassen, schrieb Steinhoff. Daneben werden in dem Geschäftsbericht noch einige weitere noch nicht aufgeklärte Transaktionen aufgeführt, die die Ermittler haben aufhorchen lassen, darunter auch solche mit möglichem Bezug zur Steinhoff-Familie. Andere Quellen brachten in den vergangenen Monaten bereits die Steinhoff-Familie mit Briefkastenfirmen und Steueroasen in Verbindung.

Die meisten der Beteiligten haben eine Befragung bis heute abgelehnt. Und Jooste hat bisher hartnäckig versucht, sämtliche Schuld von sich abzuwälzen und will von den Unregelmäßigkeiten nichts gewusst haben. Vor dem Parlament in Südafrika beteuerte er im September vergangenen Jahres seine Unschuld – unter Eid. Gegen Jooste ermittelt bereits die Justiz. Der ehemalige Steinhoff-Lenker und andere Verdächtige haben dem Konzern längst den Rücken gekehrt.

Aus den Trümmern ihrer Hinterlassenschaften versuchten das neue Management um Aufsichtsratschefin Heather Sonn und Joostes mehrfach wechselnde Nachfolger in den vergangenen zwei Jahren noch zu kitten, was sich kitten ließ. So wurde etwa der zum Konzern gehörende deutsche Möbelhändler Poco an Andreas Seifert verkauft, den Mitinhaber der österreichischen Möbelkette XXXLutz. Zudem reduzierte Steinhoff diverse weitere Beteiligungen.

Steinhoff steht mit 9 Milliarden Euro in der Kreide

Laut der nun veröffentlichten Bilanz saß der Konzern Ende des Geschäftsjahres im September 2017 auf Nettoschulden in Höhe von knapp 9 Milliarden Euro. Beobachter befürchten allerdings, dass die Bilanz für 2018 noch düsterer ausfallen könnte, weil eine wachsende Schar von Investoren Schadenersatz fordert. Der frühere Chairman Christo Wiese allein verlangt von Steinhoff knapp 4 Milliarden Euro zurück. In Deutschland etwa ist der Bilanzskandal nun Gegenstand einer Sammelklage beim Oberlandesgericht Frankfurt.

Bei Steinhoff zählt nun die Uhr rückwärts. Alles wird davon abhängen, ob es dem Konzern gelingt, seine Kredite umzuschulden und die Gläubiger von seinem Restrukturierungsplan zu überzeugen. Wie Steinhoff ebenfalls angekündigt hat, will der Konzern nun versuchen, bestimmte unrechtmäßige Zahlungen an einige Manager zurück zu bekommen.

Damit steht das Schicksal der zahlreichen Konzerntöchter bislang noch in den Sternen, ebenso wie das der rund 120 000 Mitarbeiter weltweit. Zu den 40 Marken in mehr als 30 Ländern gehören etwa der US-Bettenverkäufer Matress Firm, den Steinhoff noch 2016 für fast 4 Milliarden Dollar zugekauft hat. Gut die Hälfte der Anteile wurden inzwischen wieder verkauft. Im vergangenen Oktober hatte Matress Firm zwischenzeitig Insolvenz angemeldet und steckt nun in der Sanierung. Aus Frankreich gehört die Möbelhandelskette Conforama zum Steinhoff-Universum, sowie in Großbritannien etwa der Discounter Poundland. Steinhoff kündigte an, dass auch in diesem Jahr einige Verkäufe folgen könnten.

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Das Trauerspiel Steinhoff-Aktie

Allein der Börsengang von Steinhoff an der Frankfurter Wertpapierbörse im Dezember 2015 verlief bereits unter einem unguten Stern. Wenige Tage zuvor hatten Ermittler in einer Razzia die Büros der Tochtergesellschaft Steinhoff Europe Group Services GmbH im niedersächsischen Westerstede gefilzt. Schon damals gab es einen Verdacht wegen angeblich überhöhter Umsätze. Steinhoffs Gang auf das Parkett in Deutschland verlief deshalb wenig euphorisch. Der erste Kurs wurde damals bei 5 Euro ermittelt – großartig hohe Sprünge waren für das Papier auch in den beiden Folgejahren nicht drin.

Als Ende 2017 Steinhoff selbst seine Bilanzprobleme publik machte und die Neuaufstellung seiner Bilanzen ankündigte, brach der Kurs erdrutschartig ein, was dem Unternehmen später den Abstieg aus dem MDax einbrachte. Neben der Börsennotierung in Johannesburg ist die Aktie zwar noch immer im deutschen Nebenwerteindex SDax notiert – aber inzwischen zu einem „Pennystock“ und reinen Zockerpapier verkommen. Aktuell dümpelt das Papier bei einem Wert von unter 10 Cent.

Chart Steinhoff seit Börsengang im Jahr 2016

Auch die Analysten haben Steinhoff den Rücken zugedreht

Das die aktuelle Lage bei dem südafrikanischen Möbelkonzern keine seriöse Einschätzung der Zukunft zulässt, dürfte hinlänglich bekannt sein. Daher verschwendet aktuell auch kein Experte seine Zeit, um sich mit der weiteren Entwicklung von Unternehmen und Kurs zu beschäftigen. Damit ist und bleibt Steinhoff ein reines Zockerpapier. Nur Anleger mit sehr starken Nerven spielen aktuell wohl noch mit dem Wert. Von einer seriösen Investition ist das Wertpapier genauso weit entfernt, wie von schwarzen Zahlen.

Von Markus Weingran/dpa-AFX

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