Türkische Lira fällt auf Rekordtief zum US-Dollar – Corona-Krise versetzt Türkei in wirtschaftliche Ausnahmesituation

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Die türkische Lira ist am Donnerstag auf ein Rekordtief zum US-Dollar gefallen. Der Dollar stieg im Gegenzug in der Spitze bis auf 7,2850 Lira. Dies ist der höchst jemals erreichte Kurs. Der letzte Rekordstand war im Mai erreicht worden. Am Donnerstag stieg der Kurs um rund drei Prozent. Auch der Eurokurs legte zur Lira deutlich zu und erreichte mit 8,6692 Lira für einen Euro einen neuen Höchststand.

„Die Ursachen des Abwärtsdrucks auf die Lira sind zuvorderst fundamentaler Natur: die mangelnde Inflationsbekämpfung der Zentralbank und ein Realzins im tiefroten Bereich“, kommentierte Antje Praefcke, Devisenexpertin von der Commerzbank. „Wir gehen deshalb davon aus, dass die Lira tendenziell weiter unter Druck bleiben wird.“

Die türkische Notenbank hatte zuletzt erfolglos versucht, die Währung durch Interventionen am Devisenmarkt zu stützen. Die Notenbank verfügt nur noch über geringe Devisenreserven und steht unter hohem politischen Druck. Die Inflation hat sich zuletzt beschleunigt und lag im Juni bei fast 13 Prozent.

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Schwere Zeiten für das Land

Die Türkei kämpft derzeit zugleich an mehreren Fronten gegen schlechte Wirtschaftsdaten. Für das rohstoffarme und auf Importe angewiesene Schwellenland ist der Verfall der Lira ein Drama, verteuern sich doch damit die Einfuhren merklich. Das wiederum nagt an Unternehmensgewinnen und der Kaufkraft der Verbraucher. Zudem ist die Türkei im Ausland stark verschuldet, weshalb der Schwächeanfall der Lira die Rückzahlung verteuert. Die Ratingagentur S&P schätzt, dass mehr als ein Drittel aller Kredite in Fremdwährungen aufgenommen wurden.

Ein Grund für den Kursrutsch ist ein kräftiger Einbruch der Währungsreserven der Zentralbank, der das Vertrauen in die Lira unterminiert. Die Reserven fielen von 81 auf 51 Milliarden Dollar. Seit vergangenem Jahr haben die Zentralbank und staatliche Geldhäuser mehr als 110 Milliarden Dollar ausgegeben, um die heimische Währung zu stützen. Die Reserven dürften aufgrund des Leistungsbilanzdefizits „und der Tatsache, dass der öffentliche Sektor keine ausländischen Gelder anzieht, weiter sinken“, erwarten die Analysten von Goldman Sachs. „Daher werden Versuche, die Lira auf einem bestimmten Niveau zu halten, wahrscheinlich nicht funktionieren.“

Erschwert wird die Lage durch die Corona-Pandemie. So belastet die wichtige Tourismusbranche das Fernbleiben ausländischer Gäste, die normalerweise viel Geld und harte Devisen ins Land bringen. Im Frühjahr 2019 summierten sich die Tourismuseinnahmen noch auf mehr als acht Milliarden Dollar. Doch im ersten Halbjahr 2020 brach die Zahl ausländischer Besucher um 75 Prozent auf 4,51 Millionen ein. Auch deshalb erwartet die von der Nachrichtenagentur Reuters befragten Ökonomen, dass das türkische Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um mehr als vier Prozent fallen wird.

onvista/dpa-AFX/reuters

Titelfoto: Seqoya / Shutterstock.com

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