Wall Street: US-Indizes strecken sich weiter in die Höhe – Gilead und Boeing im Fokus – Goldman-Sachs-Analysten halten Rally für zu rapide

onvista · Uhr

Zaghafte Schritte in Richtung einer Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivität sowie Hoffnungen auf eine mögliche Behandlung von Corona-Patienten haben am Freitag auf die US-Börsen positiv gewirkt. Der Dow Jones Industrial legte in der ersten Handelsstunde um 1,47 Prozent auf 23.884,38 Punkte zu. Damit steuert der Leitindex auf ein Wochenplus von 0,7 Prozent zu. Bereits in der vergangenen Woche hatte sich der Dow um fast 13 Prozent erholt.

Charttechnik-Experte Andreas Büchler von Index Radar schließt für den Dow einen weiteren Anstieg in Richtung 25.000 Punkte nicht aus, sieht das aktuelle Kursniveau aber dennoch eher als Verkaufsgelegenheit. Eine vollständige Erholung nach einem scharfen Einbruch wie in den vergangenen Wochen habe es bislang nie gegeben, zog er den Vergleich mit historischen Korrekturen. „Die Vorstellung, dass die Märkte nun wieder zur alten Normalität zurückkehren, ist angesichts bisheriger Crash-Erfahrungen sehr abwegig.“

Der breiter gefasste S&P 500 gewann am Freitag 1,55 Prozent auf 2843,07 Punkte. Der von Technologie-Aktien dominierte Nasdaq 100 rückte um 0,55 Prozent auf 8806,30 Punkte vor.

Marktanalyst Craig Erlam vom Währungsbroker Oanda Europe sprach von einem gleich „doppelten Glück“ für Anleger. Dabei verwies er auf Pläne in den USA zur Rückkehr in die Normalität und damit den Beginn der Wiederaufnahme von Wirtschaftsaktivitäten. Zum anderen, und dies sei aktuell sogar noch wichtiger, könnte mit dem Mittel Remdesivir des Biotechkonzerns Gilead Sciences ein Medikament gegen das neuartige Coronavirus wirken.

Goldman Sachs hält Rally für zu schnell und sieht Inflations-Szenario

Analysten der US-Bank Goldman Sachs halten die Rally der Märkte für zu schnell und sehen die Sache nicht so optimistisch. „Wir sind der Ansicht, dass das Risiko kurzfristig immer noch nach unten gerichtet ist. Und ich denke, die Rally, die wir gesehen haben und die in vielen Märkten etwa 25 Prozent vom Tief entfernt war, ist angesichts der kurzfristigen Aussichten, die wir für die Wirtschafts- und Gewinndaten sehen, wahrscheinlich zu schnell gelaufen“, sagte Peter Oppenheimer, Chief Global Aktienstratege bei Goldman Sachs gegenüber Reportern.

Zudem sieht ein Anleihe-Experte der Bank ein Szenario, dass die Zentralbanken eine höhere Inflation in naher Zukunft durchaus tolerieren könnten, um die Länder aus der extremen Schuldenlast zu befreien, die sich durch die erheblichen notwendigen Rettungsprogramme noch verschlimmern wird. Je nachdem, wie stark die Inflation in einem solchen Prozess ansteigen wird, wird es daher zu mehr Unsicherheiten bei festverzinslichen Wertpapieren geben.

US-Wirtschaft bald wieder geöffnet?

US-Präsident Donald Trump will die USA mit neuen Richtlinien in der Corona-Krise in drei Phasen auf den Weg zur Normalität zurückführen und die Wirtschaft graduell wieder öffnen. Er gab aber keinen genauen Zeitplan vor und überließ die Entscheidung den Gouverneuren der 50 Bundesstaaten. Eine landesweite Schließung könne keine langfristige Lösung sein, sagte Trump.

Gilead im Fokus

Angesichts der Hoffnung für das Mittel Remdesivir sprangen die Aktien von Gilead um fast acht Prozent hoch. Auf den ersten Blick seien die Daten vielversprechend und ermutigend, doch es gebe auch viele Unbekannte, kommentierte RBC-Analyst Brian Abrahams die Neuigkeiten. Es fehle an Informationen und Details in der von Gilead gesponserten Studie.

Boeing will wieder produzieren

Mut machen den Anlegern auch die Neuigkeiten vom angeschlagenen Flugzeugbauer Boeing. Dieser will die im Zuge der Corona-Krise gestoppte Produktion schon in der kommenden Woche wieder anlaufen lassen. Rund 27.000 Beschäftigte sollen laut Boeing die Arbeit wieder aufnehmen. Die Aktien zogen um mehr als neun Prozent an. Die Anteile des Zulieferers Spirit Aerosystems profitierten mit einem Plus von gut 16 Prozent.

Im Dow stehen zudem die Aktien von Procter & Gamble nach Quartalszahlen im Blick. Sie gewannen 0,5 Prozent. Der Konsumgüterkonzern überraschte ergebnisseitig positiv. Zudem erwartet der Konzern in der Corona-Krise weiteres Umsatz- und Gewinnwachstum und hält an seiner Gewinnprognose für das bis Ende Juni laufende Gesamtgeschäftsjahr fest.

Apple durch Verkaufsempfehlung belastet

Bei Apple wirkte eine frische Verkaufsempfehlung von Goldman Sachs indes negativ. Die Auswirkungen der Covid-19-Krise auf die Wirtschaft im Allgemeinen und einige Endmärkte von Technologieunternehmen seien beträchtlich, schrieb Analyst Rod Hall und senkte seine iPhone-Absatzprognose für 2021 deutlich. Die Apple-Papiere sanken um 1,8 Prozent.

Der zweitgrößte US-Autobauer Ford gerät in der Corona-Krise tief in die roten Zahlen. Unterm Strich dürfte im ersten Quartal ein Verlust in Höhe von zwei Milliarden Dollar anfallen, warnte Ford in einer Mitteilung an die US-Börsenaufsicht. Der Hersteller will nun ungesicherte Schuldverschreibungen ausgeben und sich damit Liquidität verschaffen. Die Aktien gewannen mehr als drei Prozent.

Uber im Plus trotz schwerer Lage

Um ebenfalls mehr als drei Prozent stiegen die Papiere von Uber. Die Coronavirus-Krise sorgt für ein Milliarden-Loch in der Bilanz des Fahrdienst-Vermittlers, wie dieser am Vortag bekannt gab. Die Milliarden-Abschreibungen werden auf Minderheitsanteile fällig, die Uber an anderen Unternehmen hält. Die Jahresprognose wurde zurückgezogen. Anleger hatten allerdings wohl Schlimmeres befürchtet.

onvista/dpa-AFX

Titelfoto: Allen.G / Shutterstock.com

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