Wirecard: Neuer Wirtschaftsprüfer soll es richten – Mainfirst senkt Kursziel auf 150 Euro ++ SAP: Cloud-Kooperation mit Microsoft ++ Deutsche Bank: Berenberg senkt Kursziel auf 5,50 Euro

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Die Hoffnung stirbt zuletzt beim Brexit. Nachdem das britische Unterhaus am Samstag die Entscheidung über den von Boris Johnson neu ausgehandelten Deal verschoben hatte, rechnen die Anleger immer noch mit einem guten Ende bei der Geschichte. Das liegt unter anderem daran, dass Johnson einen weiteren Winkelzug angewendet hat.

Der Antrag auf eine Verlängerung der Frist wurde von der britischen Regierung nur in seinem Namen eingereicht und er hat den Antrag nicht unterschrieben. Zudem hat er wenig später selbst ein Schreiben an die EU verfasst, indem er bekräftigt weiter an dem Austrittsdatum am 31.10.2019 festzuhalten – diesmal mit Unterschrift. Daher ist die Möglichkeit eines geregelten Brexits Ende des Monats noch nicht ganz ausgeschlossen.

Da aber auch niemand daran zweifelt, dass die EU einer Verlängerung zustimmen wird, ist die Angst vor einem harten Brexit auch zu Wochenbeginn nicht größer geworden. Zudem hat Boris Johnson noch die Möglichkeit seinen Deal heute oder morgen erneut zur Abstimmung vorzulegen.

Das britische Parlament kann möglicherweise am Montag über das zwischen Premierminister Boris Johnson und der EU ausgehandelte Brexit-Abkommen abstimmen. Die Entscheidung darüber will Parlamentspräsident John Bercow am Nachmittag (gegen 16.30 MESZ) im Unterhaus bekanntgeben. Gibt er den Weg dafür frei, könnten die Abgeordneten noch am späten Nachmittag oder abends abstimmen.

Der Regierungschef steht unter sehr großem Zeitdruck: Er hat immer wieder versprochen, Großbritannien am 31. Oktober – also in etwa eineinhalb Wochen – aus der Europäischen Union zu führen.

Sollte die Abstimmung dann stattfinden, dann dürfte der weitere Weg beim Brexit schon um einige klarer werden.

Dax im Plus

Das Hick-Hack beim Brexit hindert die Anleger zum Start in die neue Woche nicht daran weiter zuzugreifen. Der deutsche Leitindex startet mit einem Plus von 0,27 Prozent und 12.667,61 Punkten in den Handelstag.

Wirecard: Neuer Wirtschaftsprüfer soll Vertrauen zurückgewinnen

Der stark in die Kritik geratene Zahlungsdienstleister Wirecard will Vorwürfe rund um seine Bilanzierungspraktiken mit einer Sonderprüfung ausräumen. Vorstand und Aufsichtsrat haben sich entschlossen, die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG mit einer unabhängigen Untersuchung zu beauftragen, wie der Dax-Konzern am Montag mitteilte. Damit sollen den Angaben zufolge alle Vorwürfe, die von der britischen Zeitung „Financial Times“ („FT“) aufgebracht wurden, umfassend und unabhängig aufgeklärt werden. Über das Wochenende hatte es Verwirrung darum gegeben, ob sich das Unternehmen zu einem solchen Schritt durchringt.

KPMG werde zu gegebener Zeit einen Untersuchungsbericht vorlegen und sei allein dem Aufsichtsrat verpflichtet. Die Prüfer hätten uneingeschränkten Zugang zu allen Informationen auf allen Konzernebenen. „Wir haben vollstes Vertrauen in die bisherigen Prüfungshandlungen und deren Ergebnisse“, sagte Aufsichtsratschef Wulf Matthias. Regulärer Prüfer der Konzernbilanzen ist EY.

„Wir gehen davon aus, dass die erneute unabhängige Prüfung dazu führt, alle weiteren Spekulationen endgültig zu beenden“, sagte Matthias. Vorstandschef Markus Braun zeigte sich überzeugt, dass durch die Untersuchung das Vertrauen in das Geschäft gestärkt werde.

Seit geraumer Zeit veröffentlicht die „FT“ kritische Berichte rund um den deutschen Finanzkonzern, die den Aktienkurs immer wieder belasten. Im Zuge von Untersuchungen musste Wirecard im Frühjahr einräumen, dass einige Geschäfte in Singapur falsch verbucht wurden, aber in deutlich geringerem Umfang als von der Zeitung suggeriert. Systematische Luftbuchungen schließt das Unternehmen aus.

Bleibt zu hoffen, dass Wirecard am Ende der Untersuchung auch den vollständigen Bericht veröffentlicht. Bei den Vorwürfen in Singapur hatten die Aschheimer nur Auszüge der unabhängigen Prüfung veröffentlicht, was das Vertrauen der Anleger nicht deutlich gestärkt hatte.

Hat Wirecard zu spät gehandelt?

Bereits vor der Beauftragung eines neuen Wirtschaftsprüfers hatten einige Analysten Wirecard leicht den Rücken zugedreht. Jetzt gehört auch Mainfirst dazu. Die Experten haben die Aktie von „Outperform“ auf „Neutral“ abgestuft und das Kursziel von 220 auf 150 Euro gesenkt. Dem Zahlungsabwickler habe mehrfach versucht, den Anschuldigungen seitens der Presse nachzugehen, sei aber nicht erfolgreich gewesen, die Sorgen der Investoren zu zerstreuen, schrieb Analyst Chandramouli Sriraman in einer am Montag vorliegenden Studie. Seines Erachtens ist die einzige langfristige Lösung ein höheres Maß an Offenlegungen bezüglich seiner Kerngeschäftssegmente.

SAP: Kooperation mit Microsoft trägt große Früchte

Eine neue Vertriebsvereinbarung mit Microsoft gibt dem stark wachsenden Cloud-Geschäft von SAP einen zusätzlichen Schub. Die vereinbarte Partnerschaft habe im dritten Quartal 18 Prozentpunkte zum Anstieg des Neugeschäfts von insgesamt 39 Prozent auf 572 Millionen Euro beigetragen, teilte SAP am Montag mit. Der Vertrag hat demnach eine Laufzeit von drei Jahren, Erlöse fließen ab dem vierten Quartal. SAP könne damit seine Cloud-Lösungen über die Vertriebskanäle von Microsoft verkaufen, erklärte die neue Co-Chefin Jennifer Morgan.

SAP bestätigte die schon am 11. Oktober veröffentlichten Zahlen zum dritten Quartal sowie die Wachstumsziele bis 2023. An diesem Tag war SAP-Chef Bill McDermott überraschend vorzeitig abgetreten und hatte die Führung an das jüngere Duo Jennifer Morgan und Christian Klein übergeben. Als erstes konzentrieren sich die neuen Chefs darauf, das vierte und traditionell wichtigste Quartal des Jahres zu einem Erfolg zu machen, sagte Morgan. Mit Blick auf den Kapitalmarkttag am 12. November ergänzte Klein, die neue SAP-Führung wolle dann – noch immer beraten von McDermott – über die Visionen und Pläne für das nächste Kapitel des Softwarekonzerns sprechen. Kontinuität sei zugleich wichtig.

Kurz & knapp:

Deutsche Bank: Die Privatbank Berenberg hat das Kursziel für Deutsche Bank von 6,00 auf 5,50 Euro gesenkt und die Einstufung auf „Sell“ belassen. Die weltweit wichtigsten Investmentbanken müssten mit noch mehr strukturellem Gegenwind rechnen, schrieb Analyst Eoin Mullany in einer am Montag vorliegenden Branchenstudie. Gegen die Aktie der Deutschen Bank sprächen zudem unter anderem die Umsetzungsrisiken beim Konzernumbau.

Immobilienwerte: Die Einigung zum Berliner Mietendeckel führt am Montag zu Kursverlusten im zuletzt wieder starken Immobiliensektor. Die Papiere von Deutsche Wohnen und Vonovia tendierten zum Wochenstart schwach. Der rot-rot-grüne Koalitionsausschuss hatte sich darauf verständigt, die zuletzt stark gestiegenen Mieten in Berlin fünf Jahre einzufrieren.

Sartorius: Der Laborausrüster will sein Angebot durch die Übernahme von Geschäftsteilen der US-Firma Danaher ausbauen. Sartorius habe eine Vereinbarung über den Erwerb von Teilen des Life-Science-Portfolios für rund 750 Millionen Dollar in bar unterzeichnet, teilte der MDax-Konzern am Montag mit. „Das zur Übernahme stehende Portfolio passt strategisch hervorragend zu Sartorius“, erklärte Vorstandschef Joachim Kreuzburg. Den Angaben zufolge erzielten die Geschäfte im vergangenen Jahr mit weltweit rund 300 Mitarbeitern einen Umsatz von rund 140 Millionen Dollar bei prozentual zweistelligen operativen Gewinnmargen. Der Zukauf ist aber abhängig davon, ob Danaher seinerseits wie geplant das Biopharma-Geschäft von General Electric übernehmen kann. Der Abschluss der Transaktion ist für das erste Quartal 2020 geplant.

Hypoport: Der Finanzdienstleister Hypoport hat sowohl seinen Umsatz als auch seinen operativen Gewinn (Ebit) im dritten Quartal gesteigert. Der Umsatz stieg im Vergleich zum Vorjahr um knapp 30 Prozent auf 90 Millionen Euro, wie das Unternehmen auf Basis vorläufiger Zahlen mitteilte. Der operative Gewinn verbesserte sich um 25 Prozent auf 9 Millionen Euro. Die endgültigen Zahlen will der SDax-Konzern Anfang November vorlegen.

Von Markus Weingran / dpa-AFX / Reuters

Foto: Homepage Wirecard

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