Gold, Bitcoin und andere Devisen: Wie sich der Ukraine-Krieg langfristig auf den US-Dollar und das globale Finanzsystem auswirken kann

onvista · Uhr

Der Ausbruch des Ukraine-Krieges hat die Welt geopolitisch in ein neues Gewand gehüllt. Die Spaltung zwischen dem Westen und Russland erinnert in gewissen Zügen bereits an die Situation des Kalten Krieges, obwohl die Gaslieferungen, von denen Europa aufgrund enger wirtschaftlicher Verzweigungen mit Russland in Energiefragen abhängig ist, immer noch weiter fließen.

Die enormen Sanktionen, die der Westen verhängt hat, lässt Russland zunehmend isoliert dastehen und sich in Richtung Osten, zu China als engeren wirtschaftlichen wie geopolitischen Partner richten. Wirtschaftliche Beziehungen diverser westlicher Unternehmen nach und in Russland sind in den letzten Wochen gekappt worden.

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Auch der Status Quo des Finanzsystems kann angefochten werden

An den Energiemärkten lässt sich eine langfristige Umstrukturierung der Lieferketten prognostizieren und ist bereits im Ansatz erkennbar. Doch auch in Bezug auf das weltweite Finanzsystem hat der Krieg die Dynamik verstärkt, mit der sich die Stärken und Schwächen wichtiger Währungen verschieben. Der US-Dollar ist immer noch die indirekte Weltleitwährung und nimmt einen erheblichen Stellenwert ein – doch dieser Status Quo wird immer mehr anfechtbar.

Die westlichen Sanktionen haben 630 Milliarden US-Dollar an Reserven der russischen Zentralbank im Grunde unbrauchbar gemacht. Dies wird von einigen Experten als klares Signal für die Notenbanken dieser Welt gesehen. So skizziert Luke Gromen, Marktanalyst und Herausgeber des Börsennewsletters Forest For The Trees, gegenüber dem Branchenportal Marketwatch, dass bereits vor diesem Ereignis eine Tendenz zu höheren Goldkäufen bei den Zentralbanken erkennbar war. In den letzten 8 Jahren haben Notenbanken aller Welt Gold im Wert von insgesamt 260 Milliarden Dollar gekauft, während im gleichen Zeitraum lediglich Staatsanleihen im Wert von 60 Milliarden Dollar gekauft wurden. Laut dem Analysten ist eine allmähliche Abkehr vom Dollar-System bereits seit einiger Zeit erkennbar, da mit Gold eine Staaten-unabhängige Alternative vermehrt gesucht wird.

Der Dollar sitzt nicht mehr so fest im Sattel

So spricht auch dafür, dass China in den letzten Jahren seine Bemühungen ebenfalls erhöht hat, sich unabhängiger vom Dollar zu machen. Bisher ist China einer der größten Gläubiger der USA, da China als Werkbank der Welt eine Menge Produkte unter anderem an die USA verkauft und die Dollar-Reserven stetig angewachsen sind. China hat jedoch zuletzt immer mehr Ambitionen gezeigt, die eigene Währung Yuan als internationale Währung zu stärken. China ist führend im Bereich staatliche digitale Währungen und hat schon seit einiger Zeit Tests mit der Bevölkerung und der Verwendung einer digitalen Version des Yuan durchgeführt.

Die nun geschehene Isolation Russlands zwingt das Land zudem, sich mehr auf chinesische Zahlungssysteme zu verlassen und ein Wechsel zum Yuan als Referenzwährung für den Rubel und die Rohstoffe des Landes ist eine wahrscheinliche weitere Entwicklung, sollten die Spannungen mit dem Westen anhalten – wonach es durchaus aussieht.

Angesichts der eingefrorenen Reserven der russischen Zentralbank haben die Länder dieser Welt nun ein Praxisbeispiel dafür erhalten, wie schnell sie handlungsunfähig gemacht werden können, da sie über den Dollar keine Verfügungsgewalt haben.

Die USA sind auf den Status des Dollar angewiesen

Laut Daten des World Gold Council wurden in den letzten 10 Jahren durchschnittlich 513 Tonnen Gold jährlich von Zentralbanken aufgekauft. Spitzenreiter was die Goldbestände angeht sind die USA mit über 8000 Tonnen (Stand Ende 2021). Danach folgt Deutschland mit knapp 3400 Tonnen. Russland und China stehen mit 2300 bzw. 2000 Tonnen auf Platz 6 und 7. Die Amerikaner haben also eine sehr hohe Goldreserve in der Hinterhand. Und das sollten sie auch, denn sollte der US-Dollar seinen Status als inoffizielle Weltreservewährung in den nächsten Jahren weiter aus den Händen geben, geraten die USA in eine Situation, die fatal enden könnte.

Das seit Jahrzehnten auf den Dollar zentrierte globale Finanzsystem ermöglicht den USA eine besondere wirtschaftliche und geopolitische Macht. Ganz grob gesagt kann die USA sich Öl und im Grunde alle anderen benötigten Ressourcen und Fertigungen durch das Drucken von Dollars erkaufen. Die realen Auswirkungen sieht man in dem extrem defizitären US-Haushalt, dessen Schuldenobergrenze fast jedes Jahr wieder erhöht werden muss, damit die amerikanische Regierung nicht zahlungsunfähig wird. Solange der Dollar die Währung Nummer eins und die Nachfrage danach so unglaublich hoch bleibt, spielt dieser Umstand nicht wirklich eine Rolle für die USA. Sollte der Dollar seinen Status langfristig jedoch verlieren, stehen die Amerikaner mit einem gigantischen Schuldenberg da, der nicht mehr beglichen werden kann. Da in den USA vergleichsweise wenig gefertigt wird und die Wirtschaft sehr stark auf Dienstleistungen und Finanzen ausgelegt ist, würde das ein großes Problem darstellen – die aus dem Ausland benötigten Fertigungen und Rohstoffe müssten nun teuer bezahlt werden, da die Kreditwürdigkeit nicht mehr gegeben wäre. Für die US-Wirtschaft würde das langfristig erhebliche Schäden bedeuten.

Gold hat seine Grenzen – Bitcoin knüpft an dieser Stelle an

Für Zentralbanken bietet Gold sich zwar als Absicherung für die angesprochenen monetären Risiken auf globaler Ebene an – jedoch stößt auch Gold an seine Grenzen, denn das Edelmetall unterliegt genauso wie Devisen den jeweiligen Restriktionen des Wirtschaftsraums. Die russische Zentralbank dürfte es schwer haben, Gold an westliche Verkäufer zu veräußern, da die Sanktionen auch hier Steine in den Weg legen würden. Da Gold als physisches Gut konfisziert werden kann und generell schwer transportierbar ist, haben die USA bzw. der Westen viele Mittel in der Hand, Gold als Alternative zum Dollar für andere Zentralbanken effektiv zu begrenzen.

Es gibt jedoch noch ein Asset, welches man bei diesen Überlegungen nicht per se ausschließen darf: Bitcoin. Zwar beträgt die Marktkapitalisierung der Kryptowährung immer noch weniger als ein Zehntel zu der von Gold und das Asset zeigt sich kurz- und mittelfristig nicht als effektiver Wertspeicher – aufgrund seiner enormen Volatilität und der derzeitig stark zu erkennenden Korrelation mit den Aktienmärkten. Doch langfristig ist der Aufstieg von Bitcoin eine ernstzunehmende Entwicklung. Das Asset hat sich mittlerweile einen Platz in der Finanzwelt erkämpft und vergleicht man es in seiner langfristigen Performance, lässt es Gold verblassen und hat sich aufgrund seiner enormen Wachstumsdynamik als effektiver Wertspeicher erwiesen, auch wenn das größtenteils an dem immer noch frühen Stadium und der anhaltenden Preisfindungsphase des Assets liegt.

Anders als Gold kann Bitcoin auf seiner fundamentalen technologischen Ebene jedoch nur schwer bis unmöglich aufgehalten oder sanktioniert werden. Ein Beispiel dafür, wie flexibel und widerstandsfähig das Asset ist, hat man im Sommer 2021 gesehen, als die chinesische Regierung das Mining von Kryptowährungen im eigenen Land verboten hat. Sowohl Rechenleistung als auch der Preis von Bitcoin sind erheblich abgestürzt. Erneut haben viele Marktbeobachter das Scheitern der Kryptowährung ausgerufen. Doch bereits wenige Monate nach dem Verbot und der Aussiedelung eines Großteils der Miningindustrie aus China in andere Regionen der Erde hat sich das Netzwerk wieder erholt und weist heute eine noch größere Rechenleistung und damit kryptographische Sicherheit auf als vor dem Verbot. Stabil nutzbar war es ohnehin während des gesamten Zeitraums, da sich die Bitcoin-Blockchain in regelmäßigen Zeitabständen automatisch anhand der vorhandenen Rechenleistung neu kalibriert.

Es ist unklar, wie sich die Reise von Bitcoin und seinem weiteren Aufschwung angesichts der drohenden Veränderungen im globalen Finanzsystem entwickeln wird, jedoch darf man das Asset auch als Anleger bei einer Einordung nicht außen vorlassen, da die technologischen Möglichkeiten zu viel Potenzial bieten, als das keine stärkere Rolle von Bitcoin im zukünftigen Finanzsystem denkbar wäre.

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Von Alexander Mayer

Foto: Mikhail Leonov / Shutterstock.com

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