US-Pharmariese Lilly baut Werk in Alzey - Hoffnungsträger Abnehmspritze

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- von Klaus Lauer und Ludwig Burger und Andreas Rinke

Berlin (Reuters) - Der US-Pharmariese Eli Lilly will rund 2,3 Milliarden Euro in ein neues Werk im rheinland-pfälzischen Alzey investieren. Die High-Tech-Fabrik soll 2027 in Betrieb gehen und injizierbare Medikamente produzieren, um die wachsende Nachfrage etwa nach neuen Diabetes-Mitteln wie Mounjaro zu bedienen, wie der Konzern am Freitag in Berlin erklärte. Mit der nötigen Zulassung in der EU dürfte Mounjaro dann hier auch als Abnehmspritze gegen Fettleibigkeit eingesetzt werden. Es sollen dauerhaft bis zu 1000 Jobs für hochqualifizierte Fachkräfte entstehen, beim Bau ab 2024 zudem 1900 Stellen. Im Gegensatz zu anderen Großprojekten etwa von Chipherstellern in Ostdeutschland komme Lilly ohne Subventionen der öffentlichen Hand und damit ohne deutsches Steuergeld aus, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck. Er sprach von einer guten Nachricht für den Standort. "Diese Investition bestärkt die Bundesregierung in Ihren Bemühungen, den Pharmastandort Deutschland wieder attraktiver zu machen", betonte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach.

Das US-Unternehmen, das seit 1960 in Deutschland präsent ist, beschäftigt hierzulande bereits rund 1000 Mitarbeiter, vor allem im hessischen Bad Homburg. Der Konzern-Hauptsitz von Lilly ist in Indianapolis im US-Bundesstaat Indiana. Mit einem Marktwert von rund 560 Milliarden Dollar ist Lilly der wertvollste börsennotierte Gesundheitskonzern der Welt. Die Investitions-Entscheidung für Deutschland und Alzey sei aufgrund der Infrastruktur und sehr gut ausgebildeten Fachkräfte gefallen, hieß es. Lilly plant zudem Investitionen von bis zu 100 Millionen Dollar in das Start-Up-Ökosystem der Life-Science- und Biotech-Branche Deutschlands.

Lillys Hoffnungsträger Mounjaro ist in den USA und in Europa als Diabetes-Mittel zugelassen. Der Pharmakonzern hat in den USA auch eine Zulassung des Präparats durch die US-Arzneimittelbehörde als Abnehmspritze bekommen. Diese wird unter dem Namen Zepbound vertrieben und ist ein Konkurrenzprodukt zu Wegovy vom dänischen Konzern Novo Nordisk. In der EU wurde die erweiterte Nutzung von Mounjaro gegen krankhaftes Übergewicht (Adipositas) vom Regulierer für die Zulassung durch die EU Kommission empfohlen. Diese steht aber noch aus. Der Markt gilt es extrem lukrativ.

Habeck erklärte, die Ansiedlung schaffe neue und zukunftsfähige Arbeitsplätze "und zeigt das Vertrauen der Unternehmen in die Attraktivität unseres Pharma- und Industriestandorts". Lauterbach kündigte an, die Regierung werde die Rahmenbedingungen für Forschung und Produktion noch weiter verbessern. "So sichern wir Patientinnen und Patienten den schnellen Zugang zu neuen Therapieoptionen und machen uns unabhängiger von brüchigen Lieferketten." Auf die Frage, ob es Überlegungen gebe, dass gesetzliche Krankenkassen in Deutschland anders als bisher künftig Abnehmmedikamente erstatten könnten, sagte Lauterbach: "Damit haben wir uns im Moment noch nicht beschäftigt."

PHARMA-CLUSTER RHEINLAND-PFALZ

Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller erklärte, jeder Euro Pharmaproduktion sorge für weitere zwei Euro Wertschöpfung in anderen Bereichen. "Jeder Pharma-Job sorgt für mehr als doppelt so viele zusätzliche vor- und nachgelagerte Arbeitsplätze", sagte Verbands-Präsident Han Steutel. Derweil verstärkt Rheinland-Pfalz mit der Milliarden-Investition seine Bedeutung als Biotech- und Pharma-Cluster in Deutschland mit Firmen wie Biontech in Mainz oder Boehringer in Ingelheim. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach von einem großen Erfolg für ihr Bundesland. Der Bürgermeister von Alzey, Steffen Jung, erhofft sich Rückenwind für die heimischen Firmen. "Lilly ist hier die erhoffte 'Leuchtturmansiedlung'". Andere kürzlich getätigte Investitionen in Deutschland, darunter Chipfabriken von Intel (USA) und TSMC (Taiwan), wurden mit dem Versprechen massiver öffentlicher Subventionen gewonnen.

Kanzler Olaf Scholz hatte mehrfach betont, dass die Bundesregierung die Möglichkeiten für Pharmafirmen verbessern wolle, anonymisierte Patientendaten zu verwenden. Dazu ist ein neues Pharmaforschungsgesetz geplant. Noch in diesem Jahr soll zudem ein Pharma-Gipfel mit Kanzler Scholz und Vertretern der Branche stattfinden.

(Weiterer Reporter: Rene Wagner, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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