Kolumne von Stefan Riße

Wieso der Markt noch nicht wieder einstiegsreif ist

Stefan Riße · Uhr
Quelle: Bangkok Click Studio/Shutterstock.com

Solange es Börsen gibt, solange dürsten die Marktteilnehmer nach Begründung für die Kursbewegungen. Besteht doch immer noch der Glaube daran, dass die Aktienkurse ein Abbild der fundamentalen Daten sind. Ganz langfristig stimmt diese Gleichung auch. Kurzfristig kommt es aber auf die Positionierung der Anleger an.

Gerade aktuell dürfte die weitere Richtung entscheidend davon abhängen, wie die Kurse in den nächsten Tagen laufen. Finden sich ein paar mutige Käufer und die Kurse erholen sich wieder etwas, dann dürfte sich das abspielen, was sich nun seit rund 16 Monaten abspielt: Da entweder die wirtschaftlichen Aussichten mäßig sind, oder bei besseren wirtschaftlichen Aussichten die Zinssenkungsfantasie schrumpft, setzen Marktteilnehmer wie beispielsweise Hedgefonds immer wieder auf fallende Kurse. Der Nahostkonflikt und zunehmende Handelshemmnisse zwischen den USA und China liefern ihnen aktuell weitere Gründe.  

Shortsqueeze reiht sich an Shortsqueeze

Fallen die Kurse aber nicht, sondern steigt der Markt, weil aufgrund der Unsicherheit viele institutionelle Anleger unterinvestiert sind, müssen sie ihre Leerverkäufe eindecken und treiben die Kurse abermals auf neue Rekorde. Seit Anfang 2023 sind nach meinen Beobachtungen die Aktienmärkte mehr oder minder von einem dieser sogenannten Shortsqueezes zum anderen immer höher getrieben worden mit der Unterbrechung durch die Korrektur von Sommer bis Ende Oktober.  

Denn solange die Kurse steigen, geraten trendfolgende Anleger, die auf steigende Kurse setzen, nicht in Bedrängnis. Stopp-Loss-Orders, die automatische Verkäufe auslösen, werden so nicht erreicht. Aktuell dürften diese aber insbesondere bei den Technologieaktien nicht mehr so weit entfernt sein.

Kursverluste würden die Abwärtsbewegung beschleunigen

Wenn aktuell die Kurse aufgrund er zunehmenden Unsicherheitsfaktoren noch weiter fallen, dann dürfte sich die Abwärtsbewegung noch deutlich beschleunigen. So eine  Prognose erlaubt ein Blick auf die Anleger, die computergesteuert trendfolgend an den Futuremärkten agieren.

Diese Systemhändler sind aktuell noch rekordmäßig für steigende Kurse positioniert. Denn ihre Verkaufsmarken, die ein Trendbruch nach unten signalisieren, wurden noch nicht erreicht. Es dürften aber nur noch leichte Kursverluste nötig sein, um diese zu erreichen, was dann reihenweise Verkaufsorders auslösen und die Abwärtsbewegung noch deutlich beschleunigen sollte.

So war es beispielsweise in der Abwärtsbewegung vom Spätsommer bis Ende Oktober zu beobachten. Am Ende waren sie dann per Saldo voll für fallende Kurse positioniert. Als der Markt dann drehte, waren es vor allem deren Eindeckungskäufe, die für die schnelle Aufwärtsbewegung sorgten.

Es könnte daher ein Trugschluss sein, die bereits abgekühlte Stimmung, wie sie im Angst-und-Gier-Index ("Fear & Greed") ablesbar ist, als Einstiegssignal zu bewerten. Dieser notiert zwar bereits wieder im Bereich Angst. Es sollte nach einem so langen Aufwärtstrend aber schon extreme Angst erreicht werden und die Systemhändler sollten netto Short-Positionen aufgebaut haben, damit der Markt als ausverkauft gelten kann. Auch die von 4,4 auf 4,2 Prozent gesunkenen Barreserven der internationalen Aktienfondsmanager, wie sie die Bank of America monatlich misst, sprechen aktuell nicht dafür, dass der Markt jetzt wieder nach oben gezogen wird. Sie sind damit im Vergleich zu 2023 längst nicht mehr unterinvestiert.

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