Deutsche Wirtschaft wächst wieder - Euro-Zone beendet Rezession

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- von Reinhard Becker und Rene Wagner

Berlin (Reuters) - Die deutsche Wirtschaft hat im ersten Quartal dank steigender Exporte und Bauausgaben eine Rezession vermieden.

Auch durch das überraschend gute Abschneiden ihrer größten Volkswirtschaft fand die Euro-Zone insgesamt zurück in die Wachstumsspur. Allerdings rechnen Experten für dieses Jahr trotz des positiven Auftakts nicht mit einem kräftigen Aufschwung in Deutschland, weil hohe Energiekosten, Fachkräftemangel und eine teure Finanzierung bremsen.

Das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs von Januar bis März mit 0,2 Prozent zum Vorquartal so deutlich wie seit einem Jahr nicht mehr, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent vorhergesagt. "Die deutsche Wirtschaft ist an einer Rezession im Winterhalbjahr vorbeigeschrammt", fasste der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Martin Wansleben, die Entwicklung zusammen. Ende 2023 ist das BIP mit revidiert 0,5 (bisher: -0,3) Prozent stärker geschrumpft als bislang angenommen. Zwei Minus-Quartale in Folge hätten eine technische Rezession bedeutet.

Die sinkende Inflation, steigende Löhne und eine robuste Weltkonjunktur könnten Deutschland im restlichen Jahr auf Wachstumskurs halten. "Für den lange ersehnten Aufschwung der deutschen Wirtschaft keimt Hoffnung auf", sagte der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Guido Baldi. "Strukturelle Herausforderungen bleiben aber bestehen und dämpfen das Trendwachstum vorerst weiterhin – von der Alterung der Bevölkerung über die Rückstände bei der Digitalisierung bis hin zur lange verschleppten Energiewende." Auch andere Experten sagen daher keinen kräftigen Aufschwung voraus. "Wir rechnen weiter nur mit einer moderaten Erholung, auch weil die Standortqualität seit vielen Jahren erodiert und die Bundesregierung nicht entschieden gegensteuert", sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

Die Bundesregierung erwartet für 2024 ein Wachstum von 0,3 Prozent, nach einem Minus von 0,2 Prozent im vergangenen Jahr. Dem Internationalen Währungsfonds (IWF) zufolge schlägt sich keine andere große Industrienation schlechter. "So richtig deutliches Wachstum wird es wohl erst 2025 geben", sagte LBBW-Ökonom Jens-Oliver Niklasch voraus.

VERBRAUCHER HALTEN SICH ZURÜCK

Den Statistikern zufolge wurde das deutsche Wachstum zu Jahresbeginn von steigenden Exporten und Bauinvestitionen getragen, wobei letztere vom milden Winter profitierten. "Die privaten Konsumausgaben gingen dagegen zurück", hieß es. Hohe Zinsen, teure Materialien und eine sinkende private Nachfrage dürften die Baukonjunktur aber künftig belasten. "Damit fällt ein wichtiger Wachstumstreiber weg, der nur teilweise durch den Konsum oder Export ersetzt werden kann", sagte der Konjunkturanalyst der DZ Bank, Christoph Swonke.

Dafür könnte das Geld bei den Verbrauchern künftig wieder lockerer sitzen. Der Umsatz im Einzelhandel stieg im März mit real 1,8 Prozent zum Vormonat so stark wie seit fast zweieinhalb Jahren nicht mehr. Zudem ist die Konsumlaune angesichts zunehmender Kaufkraft durch sinkende Inflation und höhere Löhne derzeit so gut wie seit rund zwei Jahren nicht mehr. "Es wächst die Hoffnung, dass der nahende Frühling den Konsum weiter anstacheln wird", sagte der Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank, Alexander Krüger.

IMPULSE DURCH DIE EZB

Die Bundesbank sieht die heimische Wirtschaft allerdings noch nicht vor einem anhaltenden Aufschwung. "Die Konjunktur in Deutschland hat sich etwas aufgehellt, eine durchgreifende Belebung ist aber noch nicht gesichert", heißt es im aktuellen Monatsbericht. So dämpften die gestiegenen Finanzierungskosten und die erhöhte wirtschaftspolitische Unsicherheit die Investitionstätigkeit der Unternehmen. Die Nachfrage nach Waren "Made in Germany" aus dem In- und Ausland sei nach wie vor schwach. Auch im Wohnungsbau sei der Negativtrend in der Nachfrage noch nicht gebrochen.

Neue Impulse könnten von der Europäischen Zentralbank (EZB) kommen. Sie hat für Juni eine erste Zinssenkung signalisiert, der im zweiten Halbjahr weitere Schritte folgen könnten. Derzeit liegt der Leitzins mit 4,5 Prozent auf einem Rekordniveau, was etwa die Finanzierung von Investitionen verteuert. "In der zweiten Jahreshälfte könnten die von der EZB vorgesehenen Zinssenkungen für eine Belebung innerhalb der Bauwirtschaft sorgen", sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Das Tal der Tränen ist durchquert."

Die Gesamtwirtschaft im Euroraum war zu Jahresbeginn wieder in die Wachstumsspur zurückgekehrt. Das BIP legte von Januar bis März im Vergleich zum Vorquartal um 0,3 Prozent zu. In den beiden Vorquartalen war die Wirtschaft um jeweils 0,1 Prozent geschrumpft und steckte damit in einer sogenannten technischen Rezession.

(redigiert von Christian Rüttger - Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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