Deutsche Exporte wachsen, Aufträge sinken - "Ritt auf Rasierklinge"

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Berlin (Reuters) - Aus der deutschen Wirtschaft kommen gemischte Konjunktursignale.

Die Exporte stiegen im März wegen der guten Nachfrage aus den USA und China überraschend stark. Dagegen zog die Industrie zugleich den dritten Monat in Folge weniger neue Aufträge an Land - vor allem wegen der schwächelnden Nachfrage aus dem Inland und aus Übersee.

Die Exporte wuchsen um 0,9 Prozent zum Vormonat auf 134,1 Milliarden Euro, wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte. Von der Nachrichtenagentur Reuters befragte Ökonomen hatten nur mit einem Wachstum von 0,4 Prozent gerechnet. Im Februar waren die Ausfuhren noch um 1,6 Prozent gefallen, im Januar um 5,9 Prozent gestiegen. "Die Exporte halten ein ansprechendes Niveau", sagte der Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Die Importe legten mit 0,3 Prozent auf 111,9 Milliarden Euro bereits den dritten Monat in Folge zu.

Dagegen sanken die deutschen Industrieaufträge im März um 0,4 Prozent zum Vormonat. Im gesamten ersten Quartal fielen sie damit um 4,3 Prozent niedriger aus als in den drei Monaten zuvor. "Die industrieabhängige deutsche Wirtschaft benötigt für einen nachhaltigen Aufschwung vor allem mehr Aufträge", sagte dazu der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. "Solange dies nicht der Fall ist, bleibt es beim Ritt auf der Rasierklinge zwischen einem leichten Wachstum und einem Rückgang der Wirtschaftsleistung."

Die Bestellungen aus dem Inland nahmen im März um 3,6 Prozent zum Vormonat ab. Dagegen legte die Auslandsnachfrage um 2,0 Prozent zu. Hier schlug ein kräftiges Plus aus der Euro-Zone von 10,6 Prozent positiv zu Buche, während die aus dem Rest der Welt um 2,9 Prozent fielen.

ERHOLUNG ERST IM ZWEITEN HALBJAHR?

"Im Zuge der erwarteten Erholung der binnen- und außenwirtschaftlichen Nachfrage dürften auch die Auftragseingänge im weiteren Jahresverlauf wieder aufwärts tendieren", hofft das Bundeswirtschaftsministerium. Es verwies auf die Aufhellung von Stimmungsindikatoren wie dem Ifo-Geschäftsklima. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zufolge dürfte sich das aber erst ab der Jahresmitte in einer Erholung der Wirtschaft niederschlagen, "die aber wegen der jahrelangen Erosion der Standortqualität nur moderat ausfallen dürfte". Im ersten Quartal wuchs das Bruttoinlandsprodukt von Europas größter Volkswirtschaft um 0,2 Prozent, wozu auch die steigenden Exporte beitrugen. Damit wurde eine Rezession vermieden. Ende 2023 war die Wirtschaft noch um 0,5 Prozent geschrumpft.

Das Exportgeschäft mit den EU-Mitgliedstaaten wuchs im März um 0,5 Prozent auf 73,3 Milliarden Euro. Wichtigstes Abnehmerland von Waren "Made in Germany" blieben die USA. Die Ausfuhren in die weltgrößte Volkswirtschaft legten um 3,6 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro zu. Die Exporte nach China stiegen sogar um 3,7 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro, die nach Großbritannien sanken hingegen um 3,8 Prozent auf 6,4 Milliarden Euro.

Die Stimmung in der deutschen Exportindustrie hat sich im April nach zuvor zwei Anstiegen in Folge wieder eingetrübt. Das Barometer für die Exporterwartungen sank auf minus 2,0 Punkte, von minus 1,2 Punkten im März, wie das Münchner Ifo-Institut bei seiner monatlichen Unternehmensumfrage herausfand. "Der Exportwirtschaft fehlt im Moment der Schwung", sagte der Leiter der Ifo-Umfragen, Klaus Wohlrabe. "Die vielen guten Wachstumsaussichten in der Weltwirtschaft schlagen sich noch nicht in zusätzlichen Aufträgen nieder." Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat gerade erst ihre Prognose für das Wachstum der Weltwirtschaft im laufenden Jahr von 2,9 auf 3,1 Prozent heraufgesetzt.

(Bericht von Rene Wagner, redigiert von Christian Götz. Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com)

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