Nagel - Auch zeitweiser Inflationsschub birgt Risiken

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Frankfurt (Reuters) - Auch ein nur zeitweiser Anstieg der Inflation birgt aus Sicht von Bundesbank-Präsident Joachim Nagel Risiken.

Werde das geduldet, bestehe die Gefahr, dass die Inflationserwartungen aus der Spur laufen, sagte Nagel am Dienstag auf einer Bundesbank-Veranstaltung in Eltville am Rhein laut Redetext. "Wir dürfen nicht zulassen, dass dieses Risiko Wirklichkeit wird", merkte er an. Untersuchungen zu Haushalten und Unternehmen zeigten, dass die aktuellen Inflationszahlen stets einen Einfluss auf die Inflationserwartungen haben. Im April lag die Teuerungsrate in der Euro-Zone bei 2,4 Prozent. Das ist nicht mehr weit entfernt von den 2,0 Prozent Inflation, die die Europäische Zentralbank (EZB) als optimales Niveau für die Wirtschaft in der 20-Länder-Gemeinschaft anstrebt.

Im Euroraum werde erwartet, dass die Inflation auf Niveaus um die zwei Prozent zurückkehre, sagte Nagel. Das sei ein Beweis dafür, dass die straffe Geldpolitik der EZB erfolgreich sei. Es sei aber nicht klar, ob die Welt wieder zurückkehre zur Zeit der zu niedrigen Inflationsraten, die im vergangenen Jahrzehnt vorgeherrscht hätten. In der Eurozone hatte die EZB damals die Zinsen bis tief in den Minusbereich gesenkt, supergünstige langfristige Liquiditätsspritzen für Banken beschlossen und billionenschwere Anleihenkaufprogramme aufgelegt. Mit dieser ultralockeren Geldpolitik sollte ein Abgleiten der Wirtschaft in eine Deflation verhindert werden - eine gefährliche Abwärtsspirale aus weiter fallenden Preisen und sinkenden Investitionen. In der Zeit zwischen 2013 und 2019 lag die durchschnittliche Inflationsrate im Euroraum Nagel zufolge nur bei einem Prozent.

Der Bundesbank-Präsident nannte neben geopolitischen Unsicherheiten auch die demografische Entwicklung als potenziell inflationstreibende Faktoren in der Zukunft. "Unseren Prognosen zufolge wird die potenzielle Erwerbsbevölkerung ab dem Jahr 2026 jährlich um durchschnittlich 80.000 Personen schrumpfen", führte er aus. Dies könne zu einem anhaltend kräftigeren Lohnwachstum führen und dadurch zu einer stärkeren Inflation. Dazu komme das Ziel einer klimaneutralen Wirtschaft. Die Dekarbonisierung impliziere einen weitreichenden Umbau der Wirtschaft. In einer Übergangszeit könne das zu Inflationsdruck beitragen. Nagel blieb daher vorsichtig: "Wir wissen nicht, wie stark diese strukturellen Faktoren die Preise beeinflussen werden und ob die Preisdynamik von vor der Pandemie erneut am Horizont auftauchen wird."

(Bericht von Frank Siebelt, redigiert von Scot W. Stevenson; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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