Israelische Panzer kesseln Ostteil von Rafah ein

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Kairo (Reuters) - Israelische Truppen treiben ungeachtet internationaler Bedenken den Vorstoß auf Rafah im Süden des Gazastreifens voran.

Sie brachten am Freitag die Hauptstraße unter ihre Kontrolle, die den Ostteil der von Flüchtlingen überfüllten Stadt vom Westteil trennt. Damit haben die Bodentruppen mit ihren Panzern faktisch den Ostteil Rafahs eingekesselt. Anwohner sprachen von anhaltenden Explosionen und Gewehrschüssen im Osten und Nordosten. Zwischen israelischen Soldaten und Kämpfern der Hamas sowie des Islamischen Dschihads gebe es heftige Gefechte.

Israel hatte die Zivilbevölkerung aufgefordert, den Ostteil Rafahs zu verlassen. Zehntausende Menschen sind gezwungen, außerhalb der Stadt Schutz zu suchen. Die Stadt war die letzte Zufluchtsstätte für mehr als eine Million Menschen, die während des Krieges aus anderen Teilen des Palästinensergebietes vor den Kämpfen und israelischen Angriffen geflohen waren.

Die israelische Regierung argumentiert, sie könne den Krieg im Gazastreifen nicht gewinnen, ohne Rafah anzugreifen und Tausende Hamas-Kämpfer auszuschalten, die dort Unterschlupf suchen. Die Hamas erklärt, sie werde kämpfen, um Rafah zu verteidigen. Hilfsorganisationen befürchten, dass durch die Kämpfe Hunderttausende bereits vertriebene Menschen in Gefahr geraten.

Die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln und Treibstoff könnte binnen Tagen zum Erliegen kommen. Grund sei, dass wichtige Grenzübergänge nach wie vor geschlossen seien, sagte Hamish Young, der für das UN-Kinderhilfswerk Unicef für den Gazastreifen zuständig ist, in London. Krankenhäuser seien bereits zur Schließung gezwungen, auch die Unterernährung nehme zu. Seit fünf Tagen sei nichts mehr bei den Menschen angekommen. "Wir kratzen schon alles vom Boden der Fässer auf", sagt Young.

"ES IST NIRGENDS SICHER IN RAFAH"

"Es ist nicht sicher, ganz Rafah ist nicht sicher, da seit gestern überall Panzergranaten eingeschlagen sind", sagte Abu Hassan, 50, ein Bewohner von Tel al-Sultan westlich von Rafah, gegenüber Reuters über eine Chat-App. "Ich versuche wegzugehen, aber ich kann mir für 2000 Schekel kein Zelt für meine Familie leisten", berichtete Hassan. "Es gibt eine zunehmende Fluchtbewegung aus Rafah, sogar aus den westlichen Gebieten, obwohl diese von der Besatzung nicht als rote Zonen ausgewiesen wurden." Die Armee ziele mit Panzergranaten und Luftangriffen auf ganz Rafah - "nicht nur auf den Osten".

Das israelische Militär teilte mit, seine Soldaten hätten im Osten von Rafah mehrere Tunnelschächte entdeckt. Sie hätten sich - unterstützt durch die Luftwaffe - Nahkämpfe mit Gruppen von Hamas-Kämpfern geliefert. Mehrere Menschen seien getötet worden. Israelische Kampfjets hätten in den vergangenen Tagen mehrere Standorte getroffen, von denen aus Raketen und Mörsergranaten auf Israel abgefeuert worden seien.

Israelische Panzer hatten Ost-Rafah bereits von Süden her abgeriegelt und den einzigen Übergang zwischen dem Gazastreifen und Ägypten erobert und gesperrt. Ein Vorstoß am Freitag auf die Salahuddin-Straße, die das Gebiet durchschneidet, vervollständigte die Einkesselung der sogenannten roten Zone, aus der die Bewohner vertrieben wurden.

Die Aussicht auf einen Angriff auf Rafah in dieser Woche hat zu einem der größten Risse seit Generationen zwischen Israel und seinem engsten Verbündeten, den USA, geführt. Zum ersten Mal seit Beginn des Krieges, der durch den Hamas-Angriff Anfang Oktober ausgelöst wurde, haben die USA Waffenlieferungen nach Israel blockiert.

Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hofft gleichwohl, dass er und US-Präsident Joe Biden ihre Meinungsverschiedenheiten über den Krieg im Gazastreifen überwinden können. "Wir hatten oft unsere Vereinbarungen, aber wir hatten auch unsere Meinungsverschiedenheiten. Wir waren in der Lage, sie zu überwinden", sagte er in einem Interview. "Ich hoffe, wir können sie auch jetzt überwinden, aber wir werden tun, was wir tun müssen, um unser Land zu schützen."

(Bericht von: Nidal al-Mughrabi; geschrieben von Sabine Ehrhardt.; Redigiert von Hans Busemann; Bei Rückfragen wenden Sie sich bitte an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte)

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