Aufschwung im Abschwung

Der onvista-Börsenfuchs · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Hallo, Leute! Mal ehrlich: Wer von Euch hat das erwartet? Da greifst du dir doch an die Birne, wie schnell wir schon wieder bei 9.600 Punkten angekommen sind. Fette Kursgewinne trotz mieser Nachrichten aus bzw. über die Wirtschaft. Der Ifo am Montag las sich furchterregend. Daraufhin titelte das „Handelsblatt“ gestern: „Angst vor dem Abschwung.“ Doch Hochstimmung im Aktienhandel. Und eine alte Bekannte jubelte in ihrer Mail gleich nach Börsenschluss: „Hurra, bald bin ich wieder in der Gewinnzone!“ So manchem Berichterstatter gehen die Begründungen aus. Auch der Letzte scheint inzwischen zu kapieren, dass die Ukraine nicht der entscheidende Kursfaktor ist. So hat man sich in Medienkreisen übers Wochenende verständigt, dass die geldpolitischen Aussagen von Draghi und Yellen die Börsen „befeuern“ (seit ein paar Jahren ein journalistisches Modewort).

Ihr habt es sicher gelesen: „ Die Hoffnung auf eine weitere Lockerung der Geldpolitik in der Euro-Zone hat den deutschen Börsen am Montag Fahrt gegeben … EZB-Chef Mario Draghi hatte am Freitag nach Börsenschluss beim Notenbankertreffen in Jackson Hole gesagt, er wolle die immer niedrigere Inflation in der Euro-Zone falls nötig mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln erhöhen und so die Wirtschaft ankurbeln. Positiv nahmen die Investoren zudem auf, dass Fed-Chefin Janet Yellen bei der Zinswende nichts überstürzen will.“ So und ähnlich wurde ein wahrer Kursausbruch begleitet. Am liebsten würde ich in die Börsensäle hineinschreien: „Habt Ihr endgültig den Verstand oder zumindest Euer Gedächtnis verloren?“ Nichts, gar nichts von den Notenbanküberlegungen ist wirklich neu. Es gibt keine spektakulären News, aber die Akteure tun freudetrunken so, als wisse man nun, dass die Liquiditätsschwemme so schnell nicht austrocknen wird. Ich habe dieses Phänomen schon vor geraumer Zeit zu erklären versucht: Aktienanlage ist als Folge der globalen Vernetzung, der extremen Beschleunigung der Prozesse und den kaum noch zu bewältigenden Informationsschüben zum Trading verkümmert - vereinfacht gesagt: schnell rein, schnell raus. Aus dem Mut, eine Position in Aktien ungeachtet der kurzfristigen Kursentwicklung länger durchzuhalten, ist Übermut geworden. Man handelt besser mit dem Markt, auch wenn man eigentlich anderer Meinung ist. Sonst wird’s einfach zu teuer.

Deshalb sind Nachrichten zu dem geworden, was das Wort bedeutet: Man richtet sich nach den Informationen, die als Nach-richt verbreitet werden. Vorsorglich, weil man davon ausgehen muss, dass es andere tun. So wird der Herdentrieb begünstigt (pardon: befeuert). Krass. Es ging und geht um Liquidität (reimt sich sogar), die KGV-Fans mögen sich um Einzelwerte kümmern. Und so ist ein Aufschwung sogar im Abschwung möglich. Verrückte Zeiten. Vielleicht haben auch ein paar von den ganz großen Geldverwaltern gemeinsam beschlossen, die Aktienkurse wieder auf Trab zu bringen. Wie dem auch sei, die Wahrscheinlichkeit einer Börsen-Baisse ist nunmehr noch geringer geworden. Finanzrepression ist ein vielleicht noch Jahre andauernder Ausnahmezustand, zumindest bei uns in Europa. Das ist eigentlich ungesund und sogar gefährlich, aber es gibt auch Gewinner. Aktien.

boersenfuchs@onvista.de

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