Kritik an Deutschlands Exporten: Wo Donald Trump Recht hat

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

US-Präsident Trump und seine Berater wettern gegen Deutschlands Exporte. Der Vorwurf der Währungsmanipulation ist zwar absurd. Doch der Kern der Kritik ist schwer abzuweisen.

Deutschland ist in die Schusslinie der US-Regierung geraten: Das Land beute seine Handelspartner durch eine „extrem unterbewertete implizite Deutsche Mark“ aus, sagte Peter Navarro, Handelsbeauftragter von US-Präsident Donald Trump jüngst. Sein Argument: Für die stärkste Volkswirtschaft Europas sei die Gemeinschaftswährung zu schwach.

Hätte Deutschland eine eigene Währung, wäre diese stärker. Der schwache Euro aber macht deutsche Exportwaren im Ausland billiger und damit wettbewerbsfähiger, so Navarro. Andere Länder wie die USA hätten das Nachsehen. Am Dienstag machte Trump auch China und Japan ähnliche Vorwürfe: Sie manipulierten am Geldmarkt herum und „wir sitzen hier wie ein Haufen Dummköpfe“.

Der Vorwurf der Währungsmanipulation stieß in Deutschland auf breiten Widerspruch. Andere Vorwürfe jedoch lassen sich nicht so schnell abtun. Im Mittelpunkt der Kritik: die seit Jahren rasant wachsenden Exportüberschüsse Deutschlands.

Warum Exportüberschüsse ein Problem sind

Der deutsche Überschuss im Warenhandel und Kapitalverkehr mit dem Ausland ist nach Berechnungen des Ifo-Instituts 2016 auf ein neues Rekordniveau gestiegen. “Die Leistungsbilanz weist voraussichtlich ein Plus von 297 Milliarden Dollar auf”, sagte Ifo-Experte Christian Grimme jüngst.

Der Überschuss macht nach den neuen Ifo-Berechnungen 8,6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung aus. Die Beschäftigten haben also 8,6 Prozent mehr produziert, als in Deutschland konsumiert und investiert wurde. Die EU-Kommission stuft bereits Werte von mehr als sechs Prozent als stabilitätsgefährdend ein. Deutschland reißt diese Hürde seit Jahren.

Solche Handelsbeziehungen gehen auf Dauer nicht gut, sagt die EU-Kommission. Auch das US-Finanzministerium prangerte die deutschen Überschüsse an – und das bereits unter Präsident Obama. Die USA sehen in dem wirtschaftlichen Ungleichgewicht ein Risiko für die weltweite Finanzstabilität. Der Vorwurf: Länder mit enormen Überschüssen tragen dazu bei, dass andere Staaten sich hoch verschulden, um ihre Importe zu finanzieren.

Hohe Überschüsse sind zwangsläufig verbunden mit hohen Defiziten bei den Handelspartnern. Denn irgendwer muss die überschüssigen Waren kaufen. Die Euro-Krise hat nicht nur gezeigt, wie solche Ungleichgewichte irgendwann in einer Krise münden. Sie hat auch eindrücklich vor Augen geführt, wie wenig Deutschland von seinen Exportüberschüssen profitiert.

Wieso Deutschland seine Waren verschenkt

Im Zusammenhang mit dem Exportüberschuss wird gelegentlich vom Exportweltmeister Deutschlands gesprochen. Das führt jedoch in die Irre. Tatsächlich ist Deutschland nur Weltmeister im Export von Kapital. Der Überschuss in der Leistungsbilanz bedeutet, dass deutsches Geld nicht in Deutschland, sondern im Ausland investiert wird. Deutschland baut durch die Überschüsse Auslandsvermögen auf.

Das Problem: In Krisenzeit wird das dieses Auslandsvermögen entwertet, wenn zum Beispiel ausländische Wertpapiere an Wert verlieren. Vor allem während der vergangenen Finanzkrise war diese Entwicklung zu beobachten, als der Wert des Auslandsvermögens massiv gesunken ist. Die Beschäftigten in Deutschland haben also umsonst gearbeitet und gespart. Der Exportüberschuss entpuppte sich als ein Warengeschenk. Es liegt daher im deutschen Interesse, außenwirtschaftliche Ungleichgewichte zu vermeiden.

Warum der Eurokurs nur ein Teil der Erklärung ist

Auch wenn Berater aus dem Umfeld von US-Präsident Donald Trump etwas anderes behaupten: Eine gezielte Schwächung des Euro dürfte Deutschland nicht vorzuwerfen sein. Kaum ein anderes Land hat die lockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank so scharf kritisiert wie die Bundesrepublik.

Gleichwohl verdankt Deutschland einen Teil des Exporterfolges dem schwächeren Euro. Eine Deutsche Mark wäre in der derzeitigen Situation gegenüber dem Dollar deutlich mehr wert. Da aber zugleich Länder mit einem Leistungsbilanzdefizit den Euro nutzen, wertet der Euro insgesamt nicht so auf, wie das zu D-Mark-Zeiten üblich war. Doch ist das ist nur ein Teil der Erklärung. Ein schwacher Euro stützt zwar die deutschen Exporte, führt aber nicht zwangsläufig zu Überschüssen in der Handelsbilanz.

Verantwortlich für die deutschen Exportüberschüsse ist das Auseinanderklaffen von Sparen und Investieren. Ende 2015 lag die deutsche Sparquote um gut 5,5 Prozentpunkte höher als noch im Jahr 2000, während die Investitionsquote um rund 4,5 Prozentpunkte gesunken ist. Diese Entwicklung hat aus den leichten Defiziten in der Leistungsbilanz der 1990er Jahre die enormen Überschüsse von heute gemacht.

Warum die Sparquote steigt und die Investitionsquote sinkt

Für das Auseinanderklaffen der Spar- und Investitionsquote wird eine ganze Reihe von Erklärungen angeführt. Zu nennen sind: Die Kürzungen in den öffentlichen Haushalten und der Rückgang der staatlichen Investitionen, der demographische Wandel und die damit verknüpften höheren Anreize für private Vorsorge, zudem ein wenig attraktives Investitionsklima für Unternehmen und eine ungleiche Einkommensverteilung, die dazu führt, dass der Konsum breiter Bevölkerungsschichten schwächelt.

Der Schlüssel zum Ausgleich der Exportüberschüsse liegt demnach bei der Binnennachfrage. Der Staat ist gefragt bei Zukunftsinvestitionen in Bildung, in Forschung und in die Infrastruktur. Helfen würden zudem höhere Lohnsteigerungen. Denn wenn Deutschland ein Vorwurf gemacht werden kann, dann der, die Löhne gedrückt zu haben.

Wieso Lohnzurückhaltung zum Exportüberschuss führt

Die „Agenda 2010“ hat nicht nur den Druck auf Langzeitarbeitslose erhöht, sondern zugleich die Gehälter der Mittelschicht unter Druck gesetzt. Die deutschen Reallöhne sind zwischen 2000 und 2010 im Schnitt um 4,2 Prozent gesunken. Von den steigenden Gewinnen der Unternehmen ist nur ein Bruchteil bei den Arbeitnehmern angekommen. Das gleiche gilt für den Produktivitätszuwachs.

Wenn dank des technischen Fortschritts jeder Arbeitnehmer im Schnitt mehr herstellt, dann sollten die Löhne eigentlich im gleichen Maße mitziehen. Denn irgendjemand muss die zusätzlich hergestellten Waren kaufen. Fehlt diese Nachfrage im Inland jedoch, bleibt für die überschüssigen Waren nur der Export.

OnVista/dpa-AFX
Foto: a katz/shutterstock.com

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