Marktpanik bei Bitcoin und Co. richtig nutzen: So navigiert man durch die Korrektur

Sven Wagenknecht · Uhr

Die letzten Tage waren nichts für schwache Nerven. Der Bitcoin-Kurs ist in sich zusammengesackt und Panikverkäufe haben in wenigen Tagen über eine halbe Billion US-Dollar an Kapital im Kryptomarkt vernichtet. Welche Faktoren gerade auf den Kryptomarkt besonders einwirken und welche fünf Investment-Tipps in der aktuellen Marktphase zu beherzigen sind.

Der gesamte Finanzmarkt und insbesondere der Kryptomarkt sind seit Jahresanfang heftig unter Druck geraten. Die Korrelation zwischen Tech-Aktien und Kryptowährungen zeigt sich dabei mehr denn je, auch wenn Bitcoin und Co. nach wie vor über eine höhere Volatilität verfügen. Ein Trostpflaster für Krypto-Investoren: Mit einem Minus von rund 40 Prozent innerhalb der letzten drei Monate geht es dem ARK Innovation ETF von Star-Investorin Cathie Wood auch nicht besser als dem Krypto-Durchschnitt. Der Indexfonds steht vornehmlich für die Gattung der sogenannten Tech-Aktien. Auf Jahressicht kommt der Innovation ETF sogar auf ein Minus von 50 Prozent.

Anders sieht es bei Bitcoin und Co. aus. Im 12-Monatschart steht der Kryptomarkt sogar deutlich im Plus. So standen wir vorheriges Jahr, am 26. Januar 2021, bei gerade einmal 935 Milliarden US-Dollar Gesamtmarktkapitalisierung. Bei einem aktuellen Stand von rund 1,6 Billionen US-Dollar liegen wir damit immerhin bei einem 12-Monatsplus von rund 60 Prozent. Allerdings soll es in diesem Artikel nicht um Charttechnik gehen, sondern um eine fundamentale Einordnung. Folglich eine kurze Bewertung der aktuell fünf größten fundamentalen Einflussfaktoren für den Kryptomarkt:

1) Amerikanische Notenbank Fed sorgt für unnötige Panik

Die Zinswende der Fed sorgt für eine signifikante Umverteilung zwischen den Assetklassen, die gerade Innovationswerte ohne Cashflow und ertragreiches Geschäftsmodell schadet. So negativ der Entzug von gewohnter Liquidität und niedrigen Zinsen auch sein mag, er rechtfertigt nicht eine derartige Panik. Weder geraten Tech-Konzerne direkt in eine Finanzierungskrise, wenn das Zinsniveau innerhalb eines Jahres um ein Prozent steigt (das würde vier regulären Zinsanhebungen entsprechen), noch geht Blockchain-Protokollen deswegen die Liquidität aus. Die Reaktionen auf die Zinswende können auch als ein Anlass zur Bereinigung gesehen werden, die für bestimmte Vermögenswerte unangemessen stark ausfällt.

2) Inflation und Energiepreise belasten Kleininvestoren

Der Grund für die Zinsanhebungen der Fed liegt in der ausufernden Inflation. In der Erwartung, dass irgendwann auch andere Notenbanken wie die EZB oder die Bank of Japan nachziehen könnten, schadet die Inflation auch dem Kryptomarkt-Ausblick. Dem kann sich selbst Bitcoin nicht entziehen. Zeitgleich sinkt die Kaufkraft der Menschen, da die Preissteigerungen zu Konsum- und Investitionsverzicht führen. Gerade die massiv steigenden Energiepreise lassen das Budget für viele Haushalte geringer ausfallen. Für den Retail-getriebenen Kryptomarkt ist auch dies sehr negativ. Die für die Märkte positive Vermögensinflation verändert sich immer mehr zu einer realwirtschaftlichen Inflation, sodass eine wichtige Stütze für die Vermögenswerte wegbricht, bei gleichzeitig höherer Unsicherheit im Markt.

3) Ukraine-Konflikt verschärft bereits bestehende Unsicherheit

Die geopolitischen Risiken durch den aktuellen Ukraine-Konflikt lassen auch die Märkte nicht kalt. Zwar haben politische Börsen sprichwörtlich kurze Beine, ergo sie sind schnell wieder vergessen, doch ist die Situation momentan zu angespannt, um sie zu ignorieren. Insbesondere Handels-Sanktionen und Ängste vor Lieferrestriktionen beim aktuell so teuren und stark nachgefragten Erdgas aus Russland belasten das Marktumfeld. Die Konsequenz: Die Anleger flüchten in Sicherheit wie unter anderem US-Dollar oder Bundesanleihen und reduzieren ihre Risikopositionen, ergo Tech-Aktien und Kryptowährungen.

4) Pandemiesituation und Lieferkettenprobleme nach wie vor ein Thema

Korrespondierend zur Ukraine-Krise und den steigenden Energiepreisen drückt auch die Pandemiesituation mit der Lieferkettenproblematik auf die Wirtschaftserwartung. Zwar kann sich der Finanzmarkt über längere Zeit von der Realwirtschaft entkoppeln, allerdings nicht dann, wenn das Umfeld besonders anfällig für schlechte Nachrichten ist. Die Märkte sind zurzeit schon genug belastet, weshalb die Pandemiesituation zusätzlich erschwerend hinzukommt.

5) Die Angst vor der Überregulierung nimmt weiter zu

Der letzte Punkt betrifft wiederum nur den Kryptomarkt und nicht die traditionellen Assets. So zittert der Sektor vor einer anziehenden Regulierung, die den Krypto-Handel unter Druck setzen könnte. Auch Verbotsrufe wie in der EU zum Bitcoin Mining oder in Russland zu Kryptowährungen generell schüren die Ängste bei Investoren.

Zwischenfazit zu Belastungsfaktoren

Auch wenn die regulatorische Unsicherheit die nächsten 12 Monate nicht verschwinden wird, sieht es bei den ersten vier Punkten deutlich besser aus. So negativ die aufgeführten Belastungsfaktoren für die meisten Aktien und Kryptowährungen auch sein mögen, dürften sie immer mehr vom Markt verarbeitet worden sein. Das Narrativ “raus aus Tech und rein in Value” wird nicht dauerhaft Bestand haben.

Zu groß ist die Innovationsdynamik im Tech- und Krypto-Bereich. Das Wachstum wird losgelöst von den Belastungsfaktoren, die langsam eingepreist sein dürften, wieder Investoren für sich gewinnen können. Autonomes Fahren oder DeFi-Anwendungen werden weder durch einen höheren Zins noch durch politische Unsicherheiten aufgehalten. Um dennoch möglichst unbeschadet durch diese maximal volatile Marktphase zu kommen, kann man folgende fünf Tipps beherzigen:

Tipp Nr. 1: Niemals zu 100 Prozent investiert sein

Viele Investoren dürften sich aktuell ärgern, dass sie mit ihrem gesamten Kapital investiert sind und nun keine freie Liquidität haben, um zu attraktiven Kursen nachzukaufen. Aus diesem Grund verfügen Profi-Investoren in der Regel auch immer über einen Cashbestand, der ihnen das Ausnutzen von Marktübertreibungen gen Süden ermöglicht. Entsprechend kann es im Kryptomarkt nicht schaden, auch immer etwas Kapital in Stablecoins wie Tether oder USDC zu halten.

Tipp Nr. 2: Nicht nur auf Kursgewinne setzen

Anstatt immer nur auf steigende Kurse zu setzen, ergibt es auch Sinn, seine Rendite durch regelmäßige Zinseinkünfte zu erhöhen. Gerade der DeFi-Sektor bietet tolle Möglichkeiten, sein Vermögen vor der Inflation zu schützen. Staking und Lending sind gerade in Zeiten von Bärenmärkten dankbare Stabilisatoren für das Portfolio und können dazu beitragen, die entstandenen Kursverluste etwas zu schmälern.

Tipp Nr. 3: Ohne Handelsdisziplin klopft der Kuckuck an der Tür

Gerade Anfänger neigen dazu, ihr Geschick im Trading zu überschätzen. Die gemachten Fehler kommen einem im Crash dann teuer zu stehen. Daher gilt: Nicht zu stark gehebelt handeln. Nur mit Geld traden, das man auch verlieren kann. Nur Kapital einsetzen, das man nicht für andere Verpflichtungen oder Anschaffungen zeitnah benötigt. Mag trivial klingen, wird dennoch von vielen Investoren und Tradern falsch missachtet.

Alternative zum All-In-Rambo-Modus: In Tranchen investieren beziehungsweise den Sparplan-Effekt ausnutzen. Insbesondere, wenn man wie aktuell befürchten muss, dass der Kursrutsch noch nicht vorbei ist, bietet es sich an, erstmal nur einen Teil der geplanten Anlagesumme zu investieren.

Tipp Nr. 4: Stimmungsbarometer ernst nehmen

Es ist eine der ältesten Börsenweisheiten, dass man verkaufen soll, wenn Partystimmung an den Börsen herrscht und kaufen soll, wenn die Panik um sich greift. Besonders gut veranschaulicht dies bei Bitcoin der Fear-and-Greed-Index. Dieser Sentiment-Index misst die Stimmung am Markt. Von “extreme Gier” bis “extreme Angst”. Aktuell stehen wir bei “extreme Angst”, was man im Sinne des antizyklischen Investierens als gutes Einstiegssignal werten kann. Besonders schön zeigt sich dies am Langzeitchart. Während die höheren Werte Gier signalisieren, signalisieren die unteren Werte Angst. Die Vergangenheit hat dabei gezeigt, dass sich die Werte immer wieder der Mittellinie annähern. Wer dieses Prinzip verstanden hat, ist in puncto Timing den meisten Anlegern voraus.

Tipp Nr. 5: Die richtigen Fragen stellen

Losgelöst davon, ob man kaufen oder verkaufen möchte, sollte man immer, sofern man nicht Charttrading betreibt, die Frage nach dem fundamentalen Ausblick stellen. Ganz gleich, ob Tesla-Aktie, Silberbarren oder Bitcoin: wer jetzt in der Panik überlegt seine Assets zu verkaufen, der sollte sich überlegen, was sich fundamental Ausblick geändert hat.

Nur die wenigsten Investoren, die sich in den letzten Tagen von ihren Assets getrennt haben, können dies auch wirklich begründen. Die meisten verkaufen, weil die Kurse heruntergehen. Letzteres ist allerdings lediglich blinder Reaktionismus und offenbart, dass man bereits beim Kauf keine fundamentale Analyse durchgeführt hat. Um sich derartige Fragen nicht erst in einer Korrektur zu stellen, kann es sich lohnen sein Portfolio regelmäßig einem Check zu unterstellen, an welchen Positionen man festhalten möchte und von welchen man sich trennt. Dies kann helfen, in volatilen Märkten wie aktuell, die Ruhe zu bewahren.

Disclaimer: Dieser Artikel spiegelt lediglich die Meinung des Autoren wider und stellt keine Investmentberatung dar.

Sie wollen mehr zum Thema Blockchain, Kryptowährungen und Co. lesen? Jetzt auf BTC-Echo vorbeischauen und die neuesten Trends und Entwicklungen am Krypto-Markt erfahren

Das könnte dich auch interessieren

Meistgelesene Artikel