Marktanalyse

Aktienmärkte: Szenario „Bärenmarkt“ – so ist die Lage und so sieht ein möglicher Fahrplan für die Märkte aus

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)
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Auch diese Woche starten die Aktienmärkte alles andere als optimistisch. Die Sitzung der US-Notenbank in der letzten Woche zeigt immer noch Nachwehen, denn einerseits war der Markt kurzzeitig erleichtert, dass es nicht zu bösen Überraschungen gekommen ist und die Federal Reserve den Zins wie erwartet um 0,5 Prozent angehoben hat, doch andererseits zementiert sich immer klarer in den Vorstellungen und Erwartungen der Anleger, dass noch einige hohe Zinsschritte folgen werden und dass es kaum noch möglich sein wird, ohne eine Rezession durch diese Phase der geldpolitischen Straffung zu kommen.

Es herrscht weitgehender Konsens unter Analysten und Marktexperten, dass der weitere Pfad der Notenbanken noch einiges an Schmerzen für die Märkte bereithalten wird. Brunello Rosa, CEO und Forschungsleiter bei Rosa & Roubini, einem Beratungsunternehmen, das er zusammen mit dem bekannten Investor Nouriel Roubini mitbegründet hat, sieht dies ebenfalls so und hat jüngst gegenüber dem Nachrichtensender CNBC seine Meinung geäußert, dass es noch zu weiterem Druck kommen wird.

„Jetzt ist es an der Zeit, die wirtschaftlichen Fundamentaldaten in Bezug auf das Wachstum weltweit neu zu bewerten“, sagte er am Freitag gegenüber CNBC. „Es ist schwierig für die Märkte, völlig optimistisch zu sein, wenn die Inflation steigt, das Wachstum sinkt und die Zinsen weltweit schnell steigen. In der Eurozone und in den USA ist man sich noch lange nicht bewusst, dass es tatsächlich zu einem Rückgang der Wirtschaftstätigkeit kommen wird“, so der Experte. Rosa äußerte zudem seine Erwartungen, dass der Krieg in der Ukraine viel länger dauern werde, als viele Marktteilnehmer erwarten, was zu anderen Gegenwinden wie Lieferkettenproblemen, steigender Inflation und steigenden Zinssätzen hinzukomme.

Bank of America zieht Vergleich zu historischen Bärenmärkten

Geht es nach einer neuen Marktstudie der Bank of America, dann liefern historische Daten zu Bärenmärkten ein Bild, dass dem alljährlichen Sprichwort „Sell in May and go away“ Rechnung tragen könnte. Sollte der S&P 500 mit einer Korrektur von 20 Prozent vom letzten Hoch offiziell in einen charttechnischen Bärenmarkt eintreten, dann sollte die aktuelle Baisse etwa Mitte Oktober diesen Jahres ihr Ende finden - mit dem S&P 500 bei 3.000 Punkten und dem Nasdaq Composite bei 10.000 Punkten.

Bei der Betrachtung der Geschichte von 19 Bärenmärkten in den letzten 140 Jahren haben die Analysten ausgerechnet, dass der durchschnittliche Preisrückgang 37,3 Prozent und die durchschnittliche Dauer etwa 289 Tage betragen hat.

Die gute Nachricht sei jedoch, dass viele Aktien diesen Punkt bereits erreicht haben. Knapp die Hälfte aller Nasdaq-Titel notieren unter ihren 52-Wochen-Hochs und etwa 58 Prozent dieser Titel sind mehr als 37,3 Prozent im Minus. 77 Prozent des Index befinden sich laut den Analysten in einer Baisse.

Gibt es wirklich noch mehr Abwärtspotenzial für die Märkte?

Obwohl die Stimmung an den Märkten so schlecht ist wie lange nicht mehr, sprechen die fundamentalen Daten für weiteren Verkaufsdruck. Die Inflation ist noch nicht gebändigt, die Notenbanken werden ihren straffen Zinskurs daher vorerst fortsetzen müssen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dies zu einer wirtschaftlichen Rezession in den USA und auch in Europa führen wird. Die Geschäftszahlen der Unternehmen werden unter höheren Zinsen, weiter steigenden Rohstoffpreisen durch die Inflation, weiteren Problemen bei den Lieferketten und letztendlich einer schwächeren Nachfrage in einer Rezession leiden. Das wird sich in den kommenden Quartalsbilanzen bemerkbar machen.

Der Ukraine-Krieg erhöht dabei die Rezessionsgefahr in Europa noch einmal deutlich und dies wird sich indirekt auch auf die Weltmärkte auswirken. Dass dieses Gesamtumfeld bereits vollständig an den Märkten eingepreist ist, ist sehr unwahrscheinlich. Zudem die fehlende Liquidität an den Märkten – unter anderem durch den Stopp der Notenbank-Käufe – weitere Korrekturen umso deutlicher ausfallen lassen wird.

Wäre ein Ende der Baisse im Oktober möglich?

Es wäre durchaus möglich, da an der Börse stets die Zukunft gehandelt wird. Der Zinserhöhungszyklus dürfte sich mindestens bis in das nächste Jahr erstrecken. Die Inflation, Lieferengpässe und eine Rezession dürften sich ebenfalls bis weit in das nächste Jahr auswirken. Eingepreist wird dieses Szenario an den Märkten jedoch bereits wesentlich früher. Die nächsten Notenbanksitzungen der Fed und der EZB werden den Kurs hier vorgeben.

Es ist nicht unwahrscheinlich dass in einem solchen Szenario die negativen fundamentalen Entwicklungen in den nächsten Monaten schnell und heftig am Markt eingepreist werden. Gegen Jahresende könnte sich an den Märkten jedoch bereits wieder die Hoffnung auf ein Ende der wirtschaftlichen Schwäche im nächsten Jahr ausdrücken. Der Ukraine-Krieg wird wahrscheinlich länger dauern als ursprünglich angenommen, doch es wird zwangsläufig irgendwann zu Friedensverhandlungen kommen müssen. Verträge werden ausgehandelt werden und beide Seiten werden schmerzhafte Kompromisse eingehen müssen. An den Börsen dürfte dieses Event jedoch für eine Menge positives Momentum sorgen.

Sollte sich die geopolitische Lage stattdessen jedoch weiter verschlimmern, dürfte das zu einem extrem ausgedehnten Bärenmarkt und einer wirtschaftlich äußerst fatalen Periode in ganz Europa führen. Das ist jedoch momentan nicht in den Karten und auch nicht das wahrscheinliche Szenario.

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