Drei Fragen an Bernecker: Ist Ceres Power einen Blick wert, macht Stockpicking generell gerade Sinn und wie stehen die Chancen auf ein gutes zweites Börsenhalbjahr?

onvista · Uhr
Quelle: Bernecker

In unserer heutigen Ausgabe fragen wir nach einer Einschätzung zum anstehenden zweiten Börsenhalbjahr, ob Ceres Power einen Blick wert ist wie Goldman Sachs nun sagt und ob Stockpicking generell nun sinnvoll ist oder nicht.

onvista-Redaktion: Die Deutsche Bank hat nun aufgezeigt, dass das erste Halbjahr 2022 das schwächste erste Börsenhalbjahr seit der großen Depression in den 1930ern werden könnte. Wie das zweite Halbjahr verlaufen wird, entscheidet sich laut den Analysten daran, ob eine Rezession ausbricht oder nicht. Denken Sie eine Jahresendrally ist möglich oder nehmen wir die Probleme bis ins nächste Jahr mit?

Ein Vergleich der aktuellen Börsenlagen mit denjenigen der 30er Jahre erscheint höchst fragwürdig. Sowohl seitens der monetären Aggregate von damals mit den aktuellen der Notenbanken von heute. Der wichtigste Grund für die Ereignisse vom Oktober 1929 war die Überspekulation im Vorfeld und die Verdoppelung der Einschusspflichten für Termingeschäfte in New York. Darauf reagierte die damalige Federal Bank of New York mit Zinsverteuerungen, statt dem Gegenteil, und löste die Weltwirtschaftskrise aus, indem die Zahlungsströme nachhaltig zerrüttet wurden.

Die gegenwärtige Lage ist die Folge von 17 Jahren Superliquidität zu Billigzinsen und den daraus entstandenen Verwerfungen. In beiden Fällen ist es eine Blase als Ausgangspunkt. Die Fed kündigte zwar verschärfte Zinsen an, aber sorgt für nachhaltige Liquidität. Darin liegt der Aufhänger für die Einschätzung des amerikanischen Marktes insgesamt. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Die berühmte Tech-Blase ist noch nicht ganz beendet. Auf diesen Zeitfaktor kommt es jetzt an, wie die Erholung ausfällt und ab wann.

onvista-Redaktion: Goldman Sachs hat den Wasserstoff-Player Ceres Power gleich doppelt hochgestuft und empfiehlt die Papiere nun zum Kauf. Die Korrektur der letzten Monate in Kombination mit den starken Fundamentaldaten würden dies nun hergeben. Wie bewerten Sie Ceres Power?

Die Hochstufung des Wasserstoffspezialisten Ceres Power ist nachvollziehbar. Sie gilt im Prinzip für alle Wasserstoffentwickler, sowohl in den USA als auch in Europa. Das Problem haben alle: Die Technologie steht weitgehend, entscheidend ist nun der Aufbau von Kapazitäten, die Entwicklung von Wasserstoff in der Menge und in der Finanzierung. Die Amerikaner dürften es leichter haben, die Europäer schwerer. Mithin:

Investitionen in Wasserstoff bleiben richtig, sind aber sehr langfristig angelegt. Kurze Spekulationen aller Art gehören dazu, die als Tradings nutzbar sein könnten. Das ist der Hintergrund der GS-Einschätzung.

onvista-Redaktion: Ist es angesichts des derzeitigen Marktumfelds und der hohen Unsicherheit überhaupt klug, auf Einzelwerte zu setzen oder sollte man gerade jetzt versuchen, sich die Rosinen rauszupicken, um im nächsten Bullenmarkt zu profitieren?

Mit der erwähnten Geldflut der letzten 14 Jahre waren so gut wie alle Aktien im Aufwind. Ausnahmen waren Einzelfälle aufgrund falscher Führung der Firmen. Ohne den Rückenwind billigen Geldes gibt es jetzt entweder Seiten- oder Gegenwind. Das führt zu einer sehr differenzierten Einschätzung von Branchen oder einzelnen Firmen. Die einfache Wette eines Index-ETF funktioniert dann nicht mehr. Ob man es nun Stockpicking nennt oder Einzelanalyse oder gar Bargain Hunting führt zum gleichen Ergebnis: Auf die Auswahl des Investments kommt es an. Darin zeigt sich der Meister, wie schon Goethe meinte. So funktioniert Börse seit über 300 Jahren.

Vielen Dank für Ihre Antworten!

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