Meinung

Börsenbilanz: Die übersehene Hausse

Heiko Böhmer · Uhr
Quelle: Things/Shutterstock.com

Ein wirklich denkwürdiges erstes Halbjahr an den Finanzmärkten liegt hinter uns: Die Börsen erreichen fast Rekordkurse – doch es entsteht daraus keine Euphorie bei Investoren. Vielmehr bleibt die Vorsicht groß und das trotz der zum Teil massiven Zuwächse an den Börsen. Man hat das Gefühl: Die Hausse ist von vielen Investoren einfach übersehen worden.

Stichwort „Große Zuwächse“: Die gab es vor allem im Technologiebereich und da vor allem in den USA. Das ist auch schon eine Erklärung für die aktuelle Marktphase: Nur wenige Titel haben die Börsen nach oben gezogen. Die Masse der Unternehmen trat auf der Stelle. Schlimmer noch: Viele gerade kleinere Unternehmen haben sogar an Wert verloren in den vergangenen sechs Monaten.

DAX hat den breiten europäischen Aktienmarkt 2023 bislang abgehängt

In Europa fielen somit die Zuwächse geringer aus. Da hat der DAX sogar noch eine Spitzenposition eingenommen mit einem Zuwachs von rund 13 Prozent. Der breite europäische Aktienmarkt gemessen am Stoxx Europe 600 Index hat nur sieben Prozent hinzugewonnen im ersten Halbjahr. Im zweiten Quartal trat der Index nahezu auf der Stelle. Das lag sicherlich auch an den Gewinnen der Unternehmen.

Die haben sich zunächst schwach entwickelt. Bis April sahen die Schätzungen einen Gewinnrückgang im ersten Quartal von bis zu vier Prozent vor. Seitdem jedoch hat sich das Stimmungsbild erst einmal aufgehellt. Aktuell sollen die Gewinne um 11 Prozent zulegen im Vergleich zum Vorjahr. Das zumindest zeigen die vorliegenden Schätzungen bei Refinitiv.

Großer Rückgang bei Unternehmensgewinnen in Europa steht bevor

Doch im nun bevorstehenden zweiten Halbjahr werden wir wohl den zuvor schon erwarteten Gewinnrückgang sehen. So sollen bis einschließlich ins erste Quartal 2024 nun die Gewinne sinken. Genau für das erste Quartal 2024 lassen die Prognosen den größten Einbruch von immerhin fast acht Prozent erwarten. Für die Aktienmärkte bedeutet das eher einen moderaten Ausblick auf das zweite Halbjahr. Daher geht der Blick vieler Investoren auch derzeit schon in Richtung anderer Anlageklassen, Stichwort Rohstoffe: Hier war das erste Halbjahr sehr anspruchsvoll. Viele Rohstoffe haben zum Teil deutlich an Wert verloren. Das zeigt der Blick auf die Metalle. Einmal mehr bildet Gold eine Ausnahme mit einem Zuwachs von rund fünf Prozent. Danach folgt noch Eisenerz mit einem leichten Plus von 1,2 Prozent. Alle anderen Metalle – ob nun Kupfer, Aluminium oder andere Edelmetalle wie Platin und Palladium – haben zum Teil deutlich nachgegeben. Palladium rangiert hier mit einem Preisrückgang von rund 30 Prozent gemeinsam mit Nickel (-33 Prozent) am Ende der Liste. Fakt ist: Wenn die Metallpreise so deutlich nachgeben, spricht das nicht für einen konjunkturellen Höhenflug. Solche Preisbewegungen deuten eher einen wirtschaftlichen Abschwung an. Positiv ist jedoch der Preisrückgang bei der Energie zu sehen. Das sorgt für Entlastung in vielen Branchen. Mit rund 70 Dollar notiert der Ölpreis nun wieder auf dem Niveau vor dem Ukraine-Krieg. Das entlastet beispielsweise die Fluglinien. In der Branche machen die Treibstoffkosten oft rund ein Drittel der Gesamtkosten aus. Daher sollten Investoren genau jetzt auf die Branchen schauen, die im vergangenen Jahr noch unter den hohen Energiepreisen gelitten haben.

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