Kolumne von Stefan Riße

Kaufen, wenn die Kanonen donnern?

Stefan Riße · Uhr
Quelle: ImageFlow/Shutterstock.com

Mit dem direkten Angriff des Iran auf Israel hat ja im Grunde wieder einen Krieg begonnen. Grund genug, das Börsenbonmot „Kaufen, wenn die Kanonen donnern“ mal beim Wort zu nehmen. Sollte man also jetzt einsteigen, wo auch Israel womöglich zurückgeschlagen hat? Das lässt sich keinesfalls mit „Ja“ beantworten, denn was hinter diesem Bonmot steckt, ist eigentlich etwas anderes, nämlich das Phänomen des „Fait Accompli“, wie die Franzosen sagen. Gemeint ist eine vollendete Tatsache, auf die sich nicht spekulieren lässt. Dieses Phänomen begegnet uns an der Börse auch noch häufig an anderen Stellen.

Spekulieren lässt sich nur auf die Zukunft

Wann das fast makabre Bonmot mit den donnernden Kanonen entstanden ist, weiß ich nicht genau. Aber es war in der Vergangenheit immer wieder zu beobachten, dass Börsen bei Kriegsausbruch nach oben drehen. Ich persönlich habe es als noch sehr junger Börsianer beim Golfkrieg 1990 hautnah miterlebt und schon etwas erfahrener beim Ausbruch des Irakkrieges 2003. Und sogar beim Ausbruch des Zweiten Weltkrieges – so übermittelte es Börsenaltmeister André Kostolany – war dies an der Pariser Börse der Fall. Bei diesen Kriegsausbrüchen, zahlreiche weitere Beispiele gibt es, stiegen die Kurse aber nicht, weil Börsen sich etwa über Krieg freuten, beziehungsweise die Anleger diesen als positiv für Aktien betrachteten. Abgesehen von Rüstungsaktien, wie sich seit Ausbruch des Ukrainekrieges am Kurs von Rheinmetall gut ablesen lässt, ist Krieg für alle anderen Unternehmen in der Regel negativ.

Denn Krieg bringt Unsicherheit. Unter Umständen fallen Warenlieferungen aus, und da sich die Staatsausgaben dann auf die Rüstung konzentrieren, leidet die allgemeine Konjunktur. Was man nämlich wissen muss: Bei den genannten Beispielen waren die Aktien im Vorfeld dieser absehbaren Kriege vorher massiv gefallen. Die Börse spekulierte auf den jeweiligen Krieg und reagierte aus Furcht vor seinem Ausbruch mit fallenden Kursen. Als die Kriege dann aber jeweils ausgebrochen waren, konnte man auf Krieg nicht mehr spekulieren, denn ab diesem Zeitpunkt war er ein „Fait Accompli“. In diesem Moment ließ sich nur auf Frieden spekulieren. Und deshalb stiegen die Kurse, als die Kanonen donnerten.

Beim Golf- und Irakkrieg brachte der Krieg dann tatsächlich die endgültige Wende nach oben, weil sehr schnell klar wurde, dass die von den USA geführten Allianzen massiv überlegen waren und der Krieg nicht lange dauern würde. Anders verlief es dann allerdings an der Pariser Börse nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Als klar wurde, dass dies ein Krieg würde, der nach Polen dann auch Frankreich erreichte und lange dauern würde, brach die Pariser Börse vollkommen in sich zusammen.

Politische Börsen sind auch nur ein „Fait Accompli“

Genau wie es sich mit den donnernden Kanonen verhält, verhält es sich auch mit dem Börsenbonmot „Politische Börsen haben kurze Beine“. Diese Beobachtung bezieht sich nämlich auf das gleiche Phänomen. Da sinken beispielsweise vor einer Wahl die Kurse, weil die Anleger das Ergebnis fürchten. Das ist beispielsweise oft so, wenn eine linke Partei oder ein linkes Bündnis in den Umfragen vorn liegt, das etwa Steuererhöhungen für Unternehmen und Reiche fordert. Es müssen aber nicht immer linke Parteien sein. Auch bei der US-Präsidentschaftswahl 2016 haben wir das Phänomen erlebt. Die Börse fürchtete Donald Trump und wann immer die Umfragen zu seinen Gunsten ausfielen, kamen die Kurse unter Druck. Dann wurde er gewählt und nach einem kurzen Schock, weil seine Wahl ja schlussendlich doch nicht erwartet worden war, drehte der Markt nach oben, weil sich eben auch hier jetzt nicht mehr auf Trump spekulieren ließ.

Er war eine vollendete Tatsache. Man setzte nun darauf, dass es doch nicht so schlimm kommen und er mit der Würde des Amtes ruhigere Töne anschlagen würde. Genauso ist es auch immer gewesen, wenn linke Regierungen wie erwartet gewählt wurden. Das Phänomen des „Fait Accompli“ begegnet uns übrigens auch, wenn es nach guten Unternehmensergebnissen heißt „Sell on good News“. In Erwartung guter Ergebnisse sind die Kurse einer Aktie bereits gestiegen. Anschließend lässt sich darauf nicht mehr spekulieren. Treten Ereignisse aber überraschend ein, ein Krieg genauso wie ein politisches Ereignis, wie beispielsweise ein unerwarteter Putsch, dann reagiert die Börse zunächst stark negativ, weil im Vorfeld die Kurse ja nicht gefallen sind. Ist die Lage unsicher und schwelt ein Konflikt und Anleger sind unsicher, in welche Richtung sich die Politik bewegt, dann können Politik und auch Krieg durchaus länger andauernde Belastungsfaktoren sein. So würde ich jetzt auch mal den Nahostkonflikt einordnen.

Er schwelt, macht aber seit dem Angriff des Iran auf Israel nicht den Eindruck, als ob es zu einem Flächenbrand kommen könnte, da der Iran zumindest bis jetzt eher seine militärische Impotenz offengelegt hat. Kaum ein Geschoss erreichte überhaupt Israel. Dass die Börsen weiter gefallen sind, liegt vielmehr daran, dass so langsam vielen klar wird, dass die Inflation hartnäckiger sein wird und die Zinsen noch länger oben bleiben werden.

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