Schwächelnde Industrie sieht Hoffnungsschimmer im Ausland

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Hannover/Berlin (Reuters) - Die Wirtschaft in Deutschland sieht bislang wenig Impulse für ein Ende der Schwächephase.

Drei der größten Industrieverbände zeichneten zur Eröffnung der Hannover Messe ein teilweise düsteres Bild der Lage. Die Steuern seien zu hoch, die Energiepreise drückten trotz der eingetretenen Erholung auf die Stimmung der Investoren und die Konkurrenz aus dem Ausland nehme zu. Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssten mehr tun, um die Unternehmen zu entlasten. "Die Industrie in Deutschland hat sich von den Kosten- und Nachfrageschocks, von zeitweise extrem hohen Energiepreisen und von der Inflation noch nicht erholt", sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm.

Die deutsche Industrieproduktion dürfte verglichen mit 2023 um 1,5 Prozent schrumpfen, nannte der BDI zum Auftakt Hannover Messe seine Prognose für das laufende Jahr. Bei den Warenexporten erwartet der BDI 2024 immerhin eine Stagnation, nachdem diese im vergangenen Jahr um 1,5 Prozent gesunken waren. Auch für die deutsche Gesamtwirtschaft ist der Verband pessimistisch. Er rechnet 2024 mit einem Wachstum von lediglich 0,3 Prozent, während die Weltwirtschaft um drei Prozent zulegen dürfte. Die Bundesregierung veröffentlicht voraussichtlich am Mittwoch ihre Frühjahrsprognose. Einem Insider zufolge erwartet sie ebenfalls ein Wachstum von 0,3 Prozent, 0,1 Prozentpunkte mehr als ihre Schätzung am Jahresanfang.

AUFHELLUNG IN CHINA UND DEN USA

Impulse erhofft sich der BDI-Chef durch die Konjunktur. "Wir glauben, die konjunkturelle Komponente wird besser. Das Geschäftsklima in China, in den USA, in der Welt hellt sich etwas auf." Die industrielle Nachfrage nach den Erzeugnissen in Deutschland sollte sich beleben. Das Gesamtbild bleibe aber schwierig, sagte Russwurm, der zuletzt zu den schärfsten Kritikern von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) gehörte. "Für den Industriestandort bleiben die Herausforderungen groß. Stärkeres Wachstum und erfreulich guten Profit erzielen deutsche Unternehmen derzeit vor allem an ihren Produktionsstandorten im Ausland", erklärte Russwurm.

Scholz hatte bei der Eröffnung der Hannover Messe am Sonntagabend der Kritik Russwurms an "zwei verlorenen Jahren" durch die Ampel-Koalition widersprochen. Es handele sich vielmehr um "zwei Turnaround-Jahre". "Lassen Sie uns den Wirtschaftsstandort Deutschland stark machen und nicht schwach reden", betonte der Kanzler. Russwurm wollte die Kritik nicht überbewerten. "Wir sehen halt manche Dinge unterschiedlich." Die Fakten seien so wie sie sind. Das sei keine Schwarzmalerei. Es müsse mehr passieren. "Wir können uns das weitere Absenken der Industrieproduktion in Deutschland nicht leisten."

MASCHINENBAUER SEHEN IM EXPORTGESCHÄFT TALSOHLE ERREICHT

Bei den Auslandsbestellungen scheine die Talsohle erreicht, sagte auch der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Karl Haeusgen. Für die Weltwirtschaft signalisierten aussagekräftige Frühindikatoren ein Ende der Talfahrt des internationalen Industriezyklus. Es bleibe bei der Prognose, wonach 2024 die Produktion der deutschen Maschinenbauer um vier Prozent sinken werde. Reformen seien notwendig. Die Bundesregierung und die EU-Kommission müssten die Standortbedingungen so gestalten, dass mehr investiert werde. "Wir senden von der Hannover Messe ein klares Signal, dass Untergangsdebatten sicherlich fehl am Platz sind." Die Maschinenbauer sind mit gut einer Million Beschäftigten und einem Jahresumsatz von über 200 Milliarden Euro ein wichtiger Wirtschaftszweig.

Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) äußerte sich ebenfalls zurückhaltend zu den Aussichten. "Wir haben die konjunkturelle Schwächephase aus der zweiten Jahreshälfte 2023 ins neue Jahr mitgenommen", sagte Verbandspräsident Gunther Kegel. "Der Auftragseingang ist auch zum Jahresanfang weiter schwach." Er bezifferte das Minus auf 10,5 Prozent. Ein Lichtblick sei das wieder wachsende Geschäft mit China. Hier hätten die Exporte um 14 Prozent zugelegt. Dennoch werde die Branche im Gesamtjahr insgesamt voraussichtlich um zwei Prozent schrumpfen. Mittelfristig seien die Aussichten etwas besser, fügte Kegel hinzu. "Trotz der momentan etwas angespannten Situation gehen wir davon aus, dass unsere Megatrends Elektrifizierung, Automatisierung und Digitalisierung uns immer kräftigen Rückwind geben werden, so dass wir im Durchschnitt der kommenden Jahre echte Wachstumsperspektiven haben."

(Bericht von Christian Krämer, Andreas Rinke, Tom Käckenhoff, Hakan Ersen, redigiert von Sabine Wollrab. Bei Rückfragen wenden Sie sich an unsere Redaktion unter berlin.newsroom@thomsonreuters.com (für Politik und Konjunktur) oder frankfurt.newsroom@thomsonreuters.com (für Unternehmen und Märkte).)

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